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Die Lager der Landeskirche und ihre Finanzen

Während die Katholische Kirche klar hierarchisch aufgebaut ist, sieht es bei der evangelischen Kirche ganz anders aus - eine Analyse.

Von Ulrich Wolf
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© Symbolbild: Frank Baldauf

Die Situation der Landeskirche erinnert an die Lage zu Beginn der Naziherrschaft. Auch damals standen sich zwei Lager nahezu unversöhnlich gegenüber. Da waren zum einen die Anhänger der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Vereinnahmung durch Nationalsozialisten im „Barmer Bekenntnis“ vom Mai 1934 zur Wehr setzten. In der Evangelischen Kirche im Rheinland werden bis heute Pfarrerinnen und Pfarrer bei der Ordination auf diese Barmer Erklärung verpflichtet. 

Und dann waren da die Deutschen Christen, die sich mühten, die evangelische Kirche der Diktatur des Führers anzugleichen. Letztere waren damals in der Volkskirche Sachsens tonangebend, ihrer Vertreter formulierten im Dezember 1933: „Weil die deutsche Volkskirche die Rasse als Schöpfung Gottes achtet, erkennt sie die Forderung, die Rasse rein und gesund zu erhalten, als Gottes Gebot an.“

Die Theologen, die im aktuellen Streit Noch-Bischof Rentzing unter Erklärungsdruck gesetzt haben, gelten als liberal und fühlen sich der Bekennenden Kirche verpflichtet. Sie sind vor allem in den Großstädten stark. In sozialen Netzwerken twittern oder posten sie mitunter mit Logos der Antifa oder bezeichnen sich als „antifaschistische Kirche“. Sie sehen in den Evangelikalen der Gegenwart ihren innerkirchlichen Widerpart.

Für Evangelikale ist die Bibel die absolut wichtigste Lebens- und Glaubensgrundlage. Sie gehören verschiedenen protestantischen Gruppierungen an: reformiert, lutherisch, baptistisch, methodistisch, anglikanisch. Sie richten sich häufig gegen liberale Lebensentwürfe. Den Wertepluralismus, ein Kennzeichen heutiger Demokratien, interpretieren sie eher als Orientierungslosigkeit.

Sachsen ist eine ihrer Hochburgen, vor allem im Vogtland, Erzgebirge und in Teilen der Lausitz. Dort sind etwa 30 baptistisch geprägte Gemeinden mit rund 3.000 Mitgliedern organisiert. Der größte Zusammenschluss der Evangelikalen ist jedoch der pietistisch geprägte Sächsische Gemeinschaftsverband mit rund 370 Ortskirchen.

Aus dem Kreis dieser Evangelikalen entstand im Januar 2012 die Sächsische Bekenntnis-Initiative. „In großer Sorge um die Einheit unserer Kirche und die Gültigkeit der Heiligen Schrift“ taten sich damals gut ein Fünftel aller Landeskirchen-Gemeinden, 30 weitere evangelische Institutionen und mehr als 600 Einzelpersonen zusammen, damit „eine homosexuelle Beziehung nicht im Pfarrhaus gelebt und nicht zum Inhalt der Verkündigung gemacht werden darf.“

Der Streit mit den Lager der Liberalen endete in einem Kompromiss: Im Einzelfall dürfen homosexuellen Pfarrerinnen und Pfarrer unter einem Dach leben – vorausgesetzt, der Kirchenvorstand hat zugestimmt. Dann wurde drei Jahre lang weiter gestritten, ehe es wieder hieß:, „ (…) in Sorge um die geistliche Einheit der Landeskirche“. Im Herbst 2016 mussten die Evangelikalen den nächsten Rückschlag hinnehmen: Die sächsische Landeskirche ermöglichte fortan erstmals die Segnung von Homosexuellen in eingetragener Lebenspartnerschaft im Gottesdienst. Eine Trauung jedoch blieb verboten, Rentzing sprach sich dagegen aus. In der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, deren Gebiet sich auch auf Teile der sächsischen Lausitz erstreckt, hingegen können Schwule und Lesben getraut werden.

Die Krux an der Geschichte der unversöhnlichen Lager: Zumindest finanziell sind sie aufeinander angewiesen. Nur gemeinsam kann so viel Geld eingenommen werden, dass die 800 Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskirche, ihre 500 Gemeindepädagogen und 300 Kirchenmusiker bezahlt werden können. Die 140 Kindergärten und Schulen. Der Erhalt von 1.600 Kirchen und Kapellen. Die Pflegeheime der Diakonie. Die Verwaltung von 17 Kirchenbezirken mit fast 700 Kirchengemeinden. All das müssen die rund 675.000 Mitglieder der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Sachsen finanzieren. Je weniger es sind und werden, desto weniger lässt sich aufrechterhalten.

Denn der Geldfluss ist mitgliederfinanziert. Da ist die Kirchensteuer, der Idee nach ein Mitgliedsbeitrag. Da ist das Kirchgeld, das zu 100 Prozent der Kirchgemeinde vor Ort zugutekommt. Da ist die Kollekte, die jeden Sonntag zweckgebunden gesammelt wird. Da sind Spenden, Zuschüsse und Fördermittel. Rund 200 Millionen Euro kommen so im Jahr zusammen. Der größte Teil (52 Prozent) fließt aus der Kirchensteuer. Der zweitgrößte Posten stammt aus dem Finanzausgleich der Evangelischen Kirche Deutschland (25 Prozent), auf Nummer drei liegen staatliche Unterstützungen (zehn Prozent).

„Die Einnahmen werden umgehend wieder in die kirchliche Arbeit investiert und kommen der Gesellschaft insgesamt zu Gute“, erklärt Michael Klatt, Finanzdezernent und Oberlandeskirchenrat der sächsischen Landeskirche. „An Gewinnmaximierung oder hohen Renditen“ sei man nicht interessiert. Über die Haushalte der einzelnen Gemeinden entschieden die gewählten Kirchvorstände. Über den Haushalt der Landeskirche entscheide die Synode, das Kirchenparlament.

Es besteht aus 80 Personen: 60 Synodale – 20 Pfarrer und Pfarrerinnen sowie 40 Laien – werden von Kirchenvorständen gewählt, weiter 20 Persönlichkeiten beruft die Kirchenleitung. „Die Kirchenmitglieder entscheiden also über ihre Vertreter, wofür die Einnahmen ihrer Kirche ausgegeben werden“, so Klatt. Oder anders: Je mehr Landeskirchenmitglieder das eine Lager hat, desto mehr Geld kann es bekommen – und entsprechend mehr gesellschaftlich gestalten.