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Deshalb ist ein Programm für die Integration nötig

Viele Unternehmen würden ausländische Mitarbeiter einstellen, wie die Döbelner Firma Elektro Bauer. Aber der Verwaltungsaufwand ist zu hoch und teilweise unübersichtlich.

Von Cathrin Reichelt
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Der Arbeitskräftemangel ist hoch. Viele mittelsächsische Firmen würden auch Geflüchtete einstellen und gegebenenfalls umschulen. Aber die bürokratischen Hürden sind hoch.
Der Arbeitskräftemangel ist hoch. Viele mittelsächsische Firmen würden auch Geflüchtete einstellen und gegebenenfalls umschulen. Aber die bürokratischen Hürden sind hoch. © dpa Deutsche Presse Agentur

Mittelsachsen. Zahlreiche Unternehmen in Mittelsachsen suchen händeringend Arbeitskräfte. Gleichzeitig leben im Landkreis viele Menschen aus anderen Ländern, die arbeiten wollen, aber dies aus verschiedenen Gründen nicht können. Vor allem fehlende Sprachkenntnisse bilden dabei eine große Hürde – und die deutsche Bürokratie.

Diese Erfahrung hat auch die Firma Elektro Bauer aus Döbeln gemacht. Sie redet nicht nur über Integration, sondern handelt auch. Und das schon seit Jahren.

Fehlende Anlaufstellen

Im Rahmen eines Projektes der Handwerkskammer (HWK) hatte das Unternehmen einen Spanier eingestellt. Er absolvierte eine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik und schloss sie erfolgreich ab.

Aber bevor es soweit war „gab es viele Holpersteine“, sagt Prokuristin Cindy Bauer. Die Sprache sei ein entscheidender Punkt gewesen. „Anfangs haben wir uns nur mit Händen und Füßen verständigt.“ Dann bot die Handwerkskammer einen kurzen Sprachkurs an.

Der Mann hatte eine sehr gute Arbeitsmoral. Aber ohne die familiäre Unterstützung seiner Arbeitgeber wäre er wohl nicht lange in Deutschland geblieben. „Der Geldfluss der zentralen Ausländerbehörde hat nicht funktioniert, wir haben für ihn eine Wohnung gesucht, ihm beim Einrichten geholfen und ihn beim Einkaufen unterstützt“, zählt Cindy Bauer auf.

Letztendlich habe der Spanier mehrere Jahre in der Döbelner Firma gearbeitet. Kurz vor dem Ausbruch von Corona sei er dann aus familiären Gründen in seine Heimat zurückgekehrt. „Wir stehen aber immer noch in Kontakt“, so die Prokuristin. Gerne hätte sie das Projekt mit den Spaniern weitergeführt, das sei aber eingestellt worden.

Deshalb habe sich die Firma nach anderen ausländischen Arbeitskräften umgesehen, beispielsweise nach Flüchtlingen aus Syrien. „Doch da fehlte uns eine Anlaufstelle.“

Hoher organisatorischer Aufwand

Während einer Messe des Arbeitsamtes im Döbelner Volkshaus sollten Ukrainer vermittelt werden. Dorthin seien vor allem Frauen gekommen. „Aber wir haben andere gute Mitarbeiter gefunden, die wir umgeschult haben“, sagt Cindy Bauer.

Aber es blieben noch Arbeitsplätze in der Firma frei, die deshalb im vergangenen Jahr online eine Stelle ausgeschrieben hat. Beworben hat sich ein junger Mann aus Uganda. Der 25-Jährige lebte bereits seit September 2021 in Chemnitz, hatte dort einen Freiwilligendienst in der Pflege absolviert und sprach deshalb schon gut deutsch.

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„Trotzdem war der organisatorische Aufwand ein Kraftakt“, sagt die Prokuristin. Da der Ugander elektronische Vorkenntnisse besaß, konnte ihn die Firma Bauer zu einer 24-monatigen Umschulung zum Elektroniker anmelden. Mit Unterstützung der Handwerkskammer sei der junge Mann in drei Lehrgängen untergebracht worden.

Zuvor habe die Ausländerbehörde die entsprechende Genehmigung erteilen und die Handwerkskammer alle Unterlagen prüfen müssen. „Es war eine hohe Bürokratie“, sagt Cindy Bauer erneut. Auch dem jungen Ugander habe sie wieder geholfen, eine Wohnung zu finden.

Große bürokratische Hürden

Die Prokuristin würde sich mehr Anlaufstellen wünschen. „Wir haben einen Fachkräftemangel, sagen den Menschen, sie sollen zu uns kommen und bekommen gesagt, dass die Bürokratie leichter wird. Davon merken wir nichts“, sagt Cindy Bauer.

Das will Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer (parteilos) mit dem Integrationsprogramm „Integra 23“ ändern. Dabei liege der Fokus darauf, bestehende Strukturen und Kooperationen sinnvoll zu nutzen und zielführend einzusetzen. Derzeit liege das „Integra 23“ beim Sozialministerium, das das Programm unterstütze.

Auch bei einem Treffen mit Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Freiberg hat Neubauer das Programm vorgestellt. Bei dessen Umsetzung wolle der Landkreis mit Partnern zusammenarbeiten. „Im Gespräch sind wir mit Unternehmen, der Handwerkskammer, der IHK und anderen“, informiert André Kaiser, Pressesprecher des Landratsamtes.

Zentrale Stelle nötig

Unternehmen könnten die Herausforderung Integration meist nicht alleine stemmen. „Es ist wichtig, für die Integrationsarbeit geeignete Unterstützungsfunktionen mit Kümmerern zu etablieren“, sagt auch Robert Gruner, Referent der Handwerkskammer (HWK).

Diese vermittle auch Kontakte. Die IHK unterstütze bereits einige Projekte zur Integration von ukrainischen Geflüchteten. „Als Netzwerkpartner kommunizieren wir solche Angebote unseren Mitgliedern und vermitteln auch Ansprechpartner“, informiert Susanne Schwanitz von der IHK Chemnitz.

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Nach den Plänen des Landkreises soll dem Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel nicht nur auf der Ebene der gezielten Werbung im Ausland begegnet werden. „Wir haben eine Menge Menschen hier, die arbeiten wollen, dies aber wegen fehlender schulischer Voraussetzungen, Sprachkenntnisse und Ähnlichem nicht können.

Sie sind teils monatelang untergebracht, ohne eine Aussicht auf einen Sprachkurs. Das müssen wir ändern“, so Landrat Neubauer.

Schnellere Schnittstelle gewünscht

Der Landkreis wolle eine schnelle Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Migrierten. Eine Plattform, die Sprache schnell vermittelt, die Eignungstests möglich macht und die Unternehmen die Möglichkeit gibt, sich gezielt Personen auszusuchen, die zu ihnen passen könnten – nach Eignungstests und Probearbeit.

Eine solche zentrale Stelle gibt es derzeit nicht. Die Aufgaben sind verteilt. Sowohl HWK als auch IHK verweisen darauf, dass der Sprachlehrgang und die Eingliederung ins Berufsleben derzeit grundsätzlich Aufgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei.

Zudem unterstütze die IHK ihre Mitgliedsunternehmen, die bereits ausländisches Personal eingestellt haben. Unter anderem würden sogenannte Firmenschulungen auf individuelle firmenspezifische Notwendigkeiten und Bedürfnisse zugeschnitten.

Die HWK stelle entsprechende Kontakte zwischen Unternehmen und Trägern her und unterstützt gegebenenfalls bei der Antragsstellung. „Wir führen außerdem das Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse durch. Ebenso beraten wir Unternehmen zu rechtlichen Rahmenbedingungen und vermitteln zu weiteren Stellen“, so HWK-Referent Gruner.

Modell auch für Schulabbrecher

Der Bedarf an Arbeitskräften ist groß. Und auch die Bereitschaft, dafür etwas zu tun. „Wir haben die Möglichkeiten, dies nun zu beginnen. Es wird Zeit“, meint der Landrat. Das geplante Modell soll auch für einheimische Schulabbrecher geöffnet werden.

Denn in diesem Bereich gebe es ebenfalls eine Menge Menschen, die Potenzial haben, über einen solchen Quereinstieg eine Arbeit zu finden. Und diese sollen exakt dieselben Möglichkeiten haben, sich hier über diesen Weg zu integrieren. Denn auch das sei eine wichtige Aufgabe.