OB-Wahl in Freital: So schlugen sich die Kandidaten beim SZ-Wahlforum

Ein frisch Gezapftes, Brezeln, Würstchen - am Mittwochabend herrschte auf den überdachten Tennisplätzen im Hains Biergartenatmosphäre. Locker, freundlich, harmonisch - das passte auch ganz gut zum Anlass: Der Oberbürgermeisterwahlkampf 2022 plätscherte bisher nahezu unauffällig dahin.
Nun hatten die Kandidaten Steffen Lehmann (parteilos), Uwe Rumberg (Konservative Mitte), Lars Tschirner (Bürger für Freital) und Peter Weinholtz (FDP) Gelegenheit, ihre Ideen, Meinungen und Lösungsansätze einem größeren Publikum vorzustellen.
Im Vergleich zur Wahl 2015, als die Flüchtlingskrise auf dem Höhepunkt war, gibt es auch dieses Jahr durchaus ernste Themen. Die Corona-Pandemie scheint noch nicht vorbei zu sein, Russlands Krieg in der Ukraine treibt die Preise hoch und bremst die Wirtschaft aus. Doch das hat bisher wenig Auswirkungen auf den Freitaler Wahlkampf und sorgte auch am Mittwochabend nicht für große Kontroversen. Die Themen waren andere.
Thema Nummer 1: Umgehungsstraße
Lange schien die Debatte um eine Fortführung der Umgehungsstraße beendet zu sein, nun ist sie wieder da. "Die Dresdner Straße wird keine Flaniermeile werden, wenn wir den Verkehr nicht herausbekommen", sagte Lars Tschirner und machte deutlich, dass er als Oberbürgermeister an die bereits durchgeführten Studien gerne anknüpfen würde. "Es gibt Pläne, die sind in der Schublade verschwunden. Ich weiß, den Bau kann die Stadt nicht alleine leisten, deshalb müssen wir Förderprogramme suchen, um das zu finanzieren."
Oberbürgermeister Uwe Rumberg, der sich zur Wiederwahl stellt, äußerte, er habe das Thema nicht abgeschrieben. "Aber ich bin Realist. Für den Straßenbau gibt es immer weniger Geld." Er machte klar, dass er für eine Umgehungsstraße derzeit keine Chancen sehe. "Das kostet 25 bis 30 Millionen Euro." Damit war die Debatte für ihn beendet.
Steffen Lehmann, der von der CDU, den Grünen und der Linken unterstützt wird, hat als Verkehrsingenieur auf dem Themengebiet den meisten Sachverstand aller Kandidaten. "Ein erster Schritt wäre, den Verkehr, der jetzt im Straßennetz da ist, gezielt zu steuern. Dazu braucht man als Grundlage eine Analyse, wer wann mit welchem Verkehrsmittel wohin fährt. Pkw, öffentlicher Personennahverkehr, Fahrrad - das muss alles insgesamt analysiert und betrachtet werden." Generalverkehrskonzept nenne man so etwas. Der Bau einer Umgehungsstraße wäre dann der zweite Schritt.
Peter Weinholtz gab sich in der Frage kämpferisch. "Wir werden bohren müssen, damit wieder mehr Fördermittel fließen." Auch er möchte sich des Themas Umgehungsstraße annehmen, vor allem im Hinblick auf den Erfolg des geplanten Stadtzentrums. "Die Dresdner Straße durchschneidet die Stadt wie ein Messer. Für das Stadtzentrum ist deshalb eine Umgehungsstraße wichtig."
Thema Nummer 2: Vereinsförderung
Es ist jedes Jahr ein Wettlauf, welche Vereine in welcher Höhe von der Stadt bekommen. Anträge müssen geschrieben und begründet werden. Dennoch, so Uwe Rumberg, ist die ausgereichte Summe über die Jahre nicht kleiner geworden. "Da wurde noch nie der Rotstift angesetzt. Wir sind in der Lage, die Vereine zu fördern und das möchte ich weiterhin." Wie hoch die Summe jährlich ist, konnte er auf Nachfrage nicht spontan beantworten.
Die Zahlen hatte Kandidat Lehmann parat. "570.000 Euro für Kultur und Soziales, 375.000 Euro für den Sport. Was in Freital fehlt, ist ein Koordinator, der den Vereinen bei allen finanziellen Fragen zur Seite steht. Die Vereine werden von Ehrenamtlichen geführt, das ist viel Arbeit. Man kann von den Leuten nicht verlangen, die gesamte Fördermittelpolitik zu studieren, um Geld zu bekommen." Er machte klar, einen solchen Vereinskoordinator einsetzen zu wollen.
Thema Nummer 3: Neue Mehrzweckhalle
Lars Tschirner, der von der SPD unterstützt wird, öffnete die Diskussion in eine andere Richtung. "Freital ist eine sportfreundliche Stadt und das wird mit mir als Oberbürgermeister auch so bleiben. Was uns aber fehlt, ist eine Mehrzweckhalle für Indoorsport mit Zuschauerpotenzial."
Dem schloss sich Peter Weinholtz an und ergänzte, dass eine solche Halle nicht nur für Sport, sondern auch als Ausstellungsfläche gut wäre. "Das muss allerdings von der Wirtschaft erarbeitet werden. Nur wenn Handel und Handwerk florieren, ist auch Geld da, solche Projekte zu finanzieren."
Da war es wieder, das Geldproblem. Dafür hatte der Oberbürgermeister die Zahlen parat. "Wir haben eine Untersuchung für eine Mehrzweckhalle auf dem Festplatz Burgker Straße vorliegen. Mal davon abgesehen, dass wir dann keine Fläche mehr für das Windbergfest haben: So eine Mehrzweckhalle kostet 15 bis 20 Millionen Euro. Das ist nicht mal schnell aus dem Ärmel geschüttelt."
Lars Tschirner ließ das kurz sacken und griff dann zum Mikro. "Man muss daran glauben, dass man so etwas schafft, sonst platzt alles. Ich möchte solche Vorhaben nicht in der Schublade liegen lassen, sonst wird gar nichts."
Thema Nummer 4: Energieversorgung
Wind, Sonne, Wasser - kann Freital mehr regenerative Energien nutzen? Ja, sagt FDP-Mann Weinholtz. "Dazu müssen wir nur mal in andere Landkreise schauen. Es gibt zum Beispiel Gemeinden, die gewinnen Methangas aus Biomüll." Er forderte auch mehr Solaranlagen auf städtischen Gebäuden.
Lars Tschirner sieht das ähnlich. Er schlägt vor, beispielsweise auf die Häuser im Wohngebiet Zauckerode Fotovoltaik zu montieren. Steffen Lehmann sieht die Versorgungssicherheit als oberstes Ziel. Solarmodule - gut und schön. "Ja, man kann noch viel mehr städtische Flächen mit Solarmodulen ausstatten. Aber das wird im Winter nicht ausreichen."
Uwe Rumberg äußerte, es sei eine Illusion, Freital im Energiebereich autark aufzustellen. "Freital hat 19 Blockheizkraftwerke, dazu vier große Fotovoltaikanlagen. Das Problem ist die Speicherung der Energie", sagte er. Noch dazu seien diese Blockheizkraftwerke von der Gasversorgung abhängig. Bei dem Thema wirkten alle etwas ratlos.
Thema Nummer 5: Radverkehr
Da sprach man lieber übers Radfahren und den Brennpunkt Dresdner Straße. Tschirner: "Der Radstreifen entlang der Dresdner Straße muss ausgebaut werden." Anfangen würde er mit dem Lückenschluss zwischen dem Radweg am Goldenen Löwen und der Deubener Straße. Auch der Radweg im Poisental in Richtung Possendorf müsse kommen. "Zudem würde ich auf der Poisentalstraße außerorts die Geschwindigkeit von 100 Km/h aus Sicherheitsgründen herabsetzen."
Uwe Rumberg argumentierte, Freital habe aufgrund seiner topografischen Lage im Tal zu wenig Platz für Radwege entlang der Straßen. "Und solche Wege kosten auch Geld."
Peter Weinholtz will mehr für Radfahrer erreichen. "Nur eine Strichellinie bietet noch keinen Schutz." Man müsse für Radfahrer Strecken entwickeln, wo sie nicht vom Autoverkehr gefährdet sind.
Steffen Lehmann wies noch einmal darauf hin, dass man nicht irgendwo Radwege anlegen sollte, sondern dort, wo sie gebraucht werden. "Ich wiederhole mich, aber ich sage nochmals, wir brauchen erst einmal Erkenntnisse, von wo nach wo die Leute unterwegs sind. Es bringt nichts, irgendwas am Bedarf vorbeizuplanen." Das betrifft übrigens auch den öffentlichen Personennahverkehr.
Thema Nummer 6: Buslinien
Damit war das Stichwort gefallen. "Wenn aus der Bevölkerung Hinweise und Wünsche zu Busverbindungen kommen, nehmen wir das sehr ernst", schilderte Uwe Rumberg auf Anfrage von SZ-Lesern speziell zur Stadtlinie C. Ein gutes Beispiel sei der Bus, der jetzt immer dienstags und donnerstags von Weißig über Deuben und Zauckerode nach Pesterwitz fährt - vormittags als Einkaufslinie für Senioren.
Lars Tschirner schlug eine Ringlinie vor, um alle Stadtteile miteinander zu verbinden, sowie einen erneuten Versuch, Sammeltaxis einzusetzen. Steffen Lehmann äußerte, es gehe doch nicht nur um eine Linie. "Es geht um die Frage, ob man als Stadt eine Verlagerung des Verkehrs hin zum ÖPNV will."
Uwe Rumberg griff noch mal zum Mikro. "ÖPNV ist Landkreissache, dort werden die Entscheidungen getroffen. Und selbst wenn es politisch gewollt ist: Busse und Bahnen kosten viel Geld, aber das Budget ist begrenzt."
Nach gut zwei Stunden endete das Wahlforum. Fazit: Die Kandidaten haben zu vielen Themen ähnliche Meinungen. Auf bestimmte Ziele festlegen wollten sich die wenigsten. Amtsinhaber Uwe Rumberg erklärte aus seiner Erfahrung heraus oft, was alles nicht geht. Den Herausforderern, allen voran Lars Tschirner war das mitunter zu wenig. Er bemängelte fehlende Ideen und Visionen. Auch Peter Weinholtz fehlte "der Pep". Gut verkaufte sich der Unbekannte in der Runde - Steffen Lehmann wirkte vorbereitet, eloquent, versiert. Aber auch er versprach nichts.
Auf ein Bierchen hatten dann noch die wenigsten Zuhörer Lust - es war schlicht zu kühl geworden.