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Sachsens Kenia-Koalition scheitert mit Reform-Plänen

CDU, Grüne und SPD können die Verfassungsänderung nicht mehr durchsetzen. Damit bleiben auch Pläne für mehr Bürgerbeteiligung auf der Strecke.

Von Annette Binninger & Gunnar Saft
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Sachsens Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD hat sich von den Plänen einer Verfassungsänderung verabschiedet.
Sachsens Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD hat sich von den Plänen einer Verfassungsänderung verabschiedet. © dpa

Dresden. Der große Knall blieb aus, dafür kam die große Ernüchterung. Nachdem sich die Spitzen von CDU, Grünen und SPD in Sachsen am Dienstag zu ihrem turnusmäßigen Koalitionsausschuss trafen, war im Vorfeld viel über ein offenes Zerwürfnis mit gravierenden Folgen spekuliert worden. Dies blieb aber aus, obwohl es zurzeit gleich mehrfach Streit zwischen den drei Koalitionspartnern gibt.

Die Grünen sind erbost, weil ihr geplantes und eigentlich bereits fest vereinbartes Agrarstrukturgesetz durch die CDU blockiert wird. Die SPD fühlt sich von den Christdemokraten beim aufgeschobenen Vergabegesetz unzureichend unterstützt und bei der jüngst im Bundesrat debattierten Cannabis-Freigabe sogar rüde hintergangen. Und als wäre das nicht genug, nutzte die CDU das Koalitionstreffen noch dazu, auch das Projekt Verfassungsänderung offiziell zu beerdigen.

Trotz dieser Spannungen, so hieß es aus Teilnehmerkreisen, setzte sich aber am Ende bei den meisten Anwesenden die Einsicht durch, dass angesichts des laufenden Wahlkampfs nicht mehr mit der Umsetzung gewichtiger Vorhaben zu rechnen ist, wenn alle drei Seiten dabei so unterschiedliche Positionen vertreten. Widersprochen wurde im Anschluss allerdings dem Tenor, dass die aktuelle Kenia-Koalition inhaltlich komplett am Ende ist. Mit der Umsetzung kleinerer Projekte wie dem Beteiligungsgesetz oder verschiedenen Dienstrechtsänderungen könne weiter gerechnet werden, hieß es. Zudem einigte man sich darauf, bereits über erste Details des neuen Landeshaushalts 2025/2026 zu verhandeln.

Den einen oder anderen Seitenhieb gab es dann schließlich gegen die erstmals in einer Regierungskoalition vertretenen Grünen. Die könnten es offenbar nicht akzeptieren, dass es mit den Gemeinsamkeiten erst mal zu Ende geht, je näher die nächste Landtagswahl rückt. Tatsächlich legte man im Umfeld der Grünen später großen Wert auf die Erklärung: „Selbstverständlich halten wir am Agrarstrukturgesetz fest.“

Koalitionäre wollten mehr Bürgerbeteiligung in der Verfassung verankern

Doch die bitterste Erkenntnis aus der Koalitionsrunde, die vor allem bei Grünen und SPD für Verärgerung sorgte: Die sächsische CDU hat sich endgültig von der Idee einer Verfassungsänderung noch vor der Landtagswahl verabschiedet. Damit kann die Dreier-Koalition dieses Reformprojekt nicht mehr angehen. Dabei waren sich die Partner vor allem darin einig gewesen, künftig mehr Bürgerbeteiligung in der Verfassung festzuschreiben. So sollten die Hürden für Bürgerbegehren deutlich herabgesetzt werden.

Zuvor hatte die CDU-Fraktion eingeräumt, dass sie in ihren Reihen keine geschlossene Zustimmung mehr für das Projekt erreichen könne. Laut CDU-Fraktion sollen nur noch 39 der 43 Abgeordneten bereit sein, für eine Verfassungsänderung zu stimmen. Ein Abgeordneter war vor Kurzem aus der Fraktion ausgetreten. Damit würde es nicht reichen, denn die Hürden für eine Verfassungsänderung liegen hoch – benötigt werden zwei Drittel der Landtags-Stimmen. Daher wäre auch eine Unterstützung der Linkspartei notwendig gewesen. Ursprünglich war dabei auch eine Überarbeitung der Schuldenbremse geplant, um den Spielraum für Investitionen zu vergrößern. Doch diese Überlegung hatte die CDU bereits vor einem Jahr fallenlassen. Damit ging es danach nur noch um eine Herabsetzung von notwendigen Quoren bei Bürgerbegehren sowie die Senkung des Alters bei Europa-Wahlen auf 16 Jahre. Zudem sollte der Punkt Klimaschutz in die Landesverfassung aufgenommen werden.

Die Spitzen der drei Regierungsparteien hatten sich am Dienstag getroffen, um über zuletzt häufiger werdende Streitigkeiten zu sprechen und den weiteren Projekt-Fahrplan bis zur Landtagswahl abzusprechen.

Verärgerung bei SPD und Grünen

Die Mehrheit der CDU trage eine Verfassungsänderung grundsätzlich mit, betonte CDU-Vize-Fraktionschef Sören Vogt. Aber durch den Austritt eines Fraktionsmitgliedes sowie die Ablehnung der Verfassungsänderung durch vier Abgeordnete sei eine notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht mehr zu erreichen. "Gleichzeitig respektieren wir diese Gewissensentscheidungen der Abgeordneten", sagte Vogt.

Enttäuscht reagierten die Grünen auf das Aus für die geplante Verfassungsänderung. Die Koalition habe die gemeinsame Verantwortung, in unsicheren Zeiten ihre Handlungsfähigkeit zu beweisen, mahnte Grünen-Landeschefin Marie Müser. "Dafür braucht es Verlässlichkeit und Vertragstreue aller Koalitionspartner. Von der CDU erwarten wir, dass Uneinigkeiten innerhalb der eigenen Reihen geklärt werden, um wieder als vertragstreuer Partner auftreten zu können."

Die SPD reagierte mit Verärgerung auf das Aus für das Reformprojekt, das im Koalitionsvertrag verankert ist. „Die Koalition wollte mehr Beteiligung, mehr direkte Demokratie. Das ist nun an der CDU gescheitert", sagte SPD-Landeschef Henning Homann. Dass die CDU ihre eigenen Wahlversprechen breche, sei "ihr Problem". "Das Signal an die engagierten Bürgerinnen und Bürger in Sachsen ist jedoch fatal." Auf die CDU sei "kein Verlass" mehr.

Von seiten der Linkspartei hieß es, dass CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer sowie Fraktionschef Christian Hartmann "ihren Laden nicht im Griff" hätten. "Die geplanten Verfassungsänderungen hätten nicht ausgereicht, aber sie wären ein erster Schritt nach vorn gewesen", so Gebhardt. "Jetzt bleiben die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide unangemessen hoch und die Investitionsbremse fest angezogen."