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Werner Schulz - Bürgerrechtler, Grüner und engagierter Querkopf

Werner Schulz ist tot. Der DDR-Bürgerrechtler starb am Jahrestag des Mauerfalls. Für die einen war er ein politischer Held, für die anderen eine Nervensäge.

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1950 wurde Werner Schulz in Zwickau geboren, am Mittwoch starb der Vater von zwei Kindern im Alter von 72 Jahren in Berlin.
1950 wurde Werner Schulz in Zwickau geboren, am Mittwoch starb der Vater von zwei Kindern im Alter von 72 Jahren in Berlin. © Hendrik Schmidt/dpa

Werner Schulz war Sachse, DDR-Bürgerrechtler, Abgeordneter in Volkskammer, Bundestag und Europa-Parlament, Grünen-Politiker - und ein leidenschaftlicher Querkopf und Redner. Für seine Alleingänge war er in seiner Partei bekannt und berüchtigt. Er galt bei den Grünen als großer Widersacher von Joschka Fischer, für die einen war er ein politischer Held, für die anderen eine Nervensäge.

1950 wurde Schulz in Zwickau geboren, am Mittwoch starb der Vater von zwei Kindern im Alter von 72 Jahren in Berlin am Rande einer Veranstaltung zum Mauerfall am 9. November 1989 im Berliner Schloss Bellevue. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier informierte die Teilnehmer.

Bis 2005 saß Schulz für die Grünen im Bundestag

Schulz studierte Lebensmitteltechnologie in Ost-Berlin und arbeitete an der Humboldt-Universität. Ende der 60er-Jahre stieß er zur Oppositionellen-Bewegung in der DDR, wurde 1989 Mitglied des Neuen Forums und im März 1990 in die erste frei gewählte Volkskammer gewählt.

Im ersten gesamtdeutschen Bundestag gehörte Schulz zu der kleinen Gruppe ostdeutscher Abgeordneter vom Bündnis 90 - die westdeutschen Grünen waren an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

Bis 2005 saß Schulz für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, mit einer eigenen Meinung zu vielen Themen, etwa der Zusammenarbeit mit der CDU oder Kriegseinsätzen. Seine Widersacher kamen vor allem von den westdeutschen Grünen aus der 68er-Bewegung. Als die Grünen 1998 zusammen mit der SPD an die Regierung kamen, verhinderte der künftige Außenminister Joschka Fischer, dass Schulz Fraktionsvorsitzender wurde.

Fischer habe keinen unabhängigen Kopf gewollt, sagte Schulz später in einem Interview: "Als es 1998 zur Regierungsbildung kam, suchte Fischer für die Fraktion einen Regierungssprecher, keinen Fraktionssprecher." 2002 unterlag Schulz erneut in einer Stichwahl um den Fraktionsvorsitz, diesmal der Thüringerin Katrin Göring-Eckardt.

Schulz starb am Jahrestag des Mauerfalls

Als wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion stimmte er als einziger Grüner 2003 einem Teil der Arbeitsmarktreformen nicht zu. Und auch bei der Gesundheitsreform im gleichen Jahr enthielt er sich der Stimme. 2005 wandte Schulz sich gegen die von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestellte Vertrauensfrage im Bundestag, die dessen Auflösung bewirkte. Er fand die Sache fingiert und erregte mit seinem Vergleich, hier werde "ein Stück Volkskammer" aufgeführt, den Zorn der eigenen Fraktion.

Von führenden Grünen wurde er dafür beschimpft, die damalige Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach vom "tragischen Ende von Werner Schulz". Seine fünfminütige leidenschaftliche Rede wurde gewürdigt und ausgezeichnet. Die linke Tageszeitung "Taz" schrieb ein "Loblied auf einen Nonkonformisten" und sprach von einer "der bemerkenswertesten Reden in der Geschichte des Bundestages".

Durch seinen jahrelangen Solo-Kurs hatte Schulz allerdings die Sympathien der Grünen verloren und kam nicht wieder in den Bundestag. 2009 erlebte der inzwischen 59-Jährige ein fulminantes Comeback, vor allem durch seine rhetorischen Fähigkeiten. Mit einer glänzenden Rede setzte er sich gegen die innerparteiliche Konkurrenz durch und wurde für die Grünen ins Europa-Parlament gewählt. 2014 trat er nicht erneut an.

Nun starb mit Schulz einer der prominentesten Bürgerrechtler aus der Wendezeit am Jahrestag des Mauerfalls - den er immer statt des 3. Oktober als deutschen Nationalfeiertag haben wollte. (dpa)