Deutschland & Welt
Merken

Ärger um die 110: Warum Notrufe nicht geortet werden können

Föderales Absurdistan? Wer in Not die 110 wählt, kann nicht schnell geortet werden. Technisch wäre das zwar leicht möglich, aber rechtlich gibt es Probleme - und die liegen in Baden-Württemberg.

 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Übertragung von Notruf-Standorten funktioniert - alle Daten landen in Baden-Württemberg. Doch dort ist eine Sachgasse.
Die Übertragung von Notruf-Standorten funktioniert - alle Daten landen in Baden-Württemberg. Doch dort ist eine Sachgasse. © dpa/Peter Kneffel

Stuttgart. Wegen rechtlichen Ärgers in Baden-Württemberg kann die Polizei Notrufe an die 110 bundesweit nicht automatisch zurückverfolgen. Die Ortungsdaten aus ganz Deutschland fließen zwar zentral nach Baden-Württemberg, können wegen der Rechtslage aber nicht abgerufen und weitergegeben werden, wie das Landesinnenministerium in Stuttgart bestätigte.

Es sei unklar, ob das hiesige Polizeigesetz dafür eine ausreichende Rechtsgrundlage biete. Man suche aber derzeit mit dem Landesdatenschutzbeauftragten nach einer praktikablen Lösung, sagte ein Ministeriumssprecher.

Wer in Not gerät, die 110 wählt und dabei vielleicht nicht mehr in der Lage ist, seinen Standort durchzugeben, den können die Beamten deshalb nicht so schnell finden, wie es eigentlich möglich wäre. Das ergab auch eine Anfrage eines SPD-Abgeordneten des Landtags von Schleswig-Holstein an das dortige Innenministerium. Die Behörde schreibt, dass man nur die Rufnummer 112 orten könne, nicht aber die 110 - aufgrund juristischer Probleme im Südwesten.

Das Innenministerium in Kiel schreibt: "Die föderale Struktur Deutschlands ist hier zurzeit aus rechtlichen Gründen hinderlich." Dabei wäre das technisch sehr schnell und präzise möglich - über das Verfahren "Advanced Mobile Location" (AML). Dabei werden auf einem Smartphone beim Wählen des Notrufs verschiedene Sensoren wie WLAN und GPS eingeschaltet und die Daten über die Mobilfunknetze automatisch übertragen.

EU-Recht schreibt Standortübermittlung vor

Das EU-Recht schreibt die automatische Übermittlung des Standorts vor, sobald man die 110 wählt. Die Übertragung funktioniert auch - alle Daten landen in Baden-Württemberg. Im Schwarzwald steht der zentrale AML-Server für ganz Deutschland. Das liegt laut der Antwort auf die parlamentarische Anfrage daran, dass im Schwarzwald bereits vorhandene technische Strukturen für den 112-Bereich genutzt werden, die Rede ist von Synergieeffekten. Der Server stellt sich allerdings als Sackgasse heraus. Der Datenschutz steht auf der Bremse.

Für den Umgang mit den Informationen fehle die Rechtsgrundlage, kritisiert der baden-württembergische Landesbeauftragte für den Datenschutz. Nur im Einzelfall dürfe der Standort hilfloser Menschen ermittelt werden. Für die automatische Übermittlung hingegen brauche es eine Rechtsgrundlage, die klarstelle, was mit den Daten genau gemacht werden dürfe. "Dies gilt insbesondere im Falle der Polizei, die nicht nur dafür zuständig ist, in Notlagen zu helfen, also Gefahren abzuwehren, sondern auch im Falle von Anhaltspunkten für Straftaten zu ermitteln", sagte ein Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten. Die Standortdaten dürften ausschließlich zur Hilfeleistung verwendet werden, so die Forderung. (dpa)