Update Sachsen
Merken

Nach dem Tod einer 13-Jährigen: Was macht die Ecstasy-Pille „Blue Punisher“ so gefährlich?

Dem LKA Sachsen sind dieses Jahr bereits 200 der Totenkopf-Pillen vorgelegt worden. Suchtberater in Sachsen beobachten eine Zunahme des Ecstasy-Konsums.

Von Kornelia Noack
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Ecstasy-Pille "Blue Punisher" ist eine von vielen Partydroge - auch in Sachsen.
Die Ecstasy-Pille "Blue Punisher" ist eine von vielen Partydroge - auch in Sachsen. © Ennio Leanza/KEYSTONE/dpa

Es ist der Albtraum aller Eltern: Das eigene Kind nimmt Drogen – und stirbt daran. In Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern ist das am Wochenende einem erst 13-jährigen Mädchen nach dem Konsum einer Ecstasy-Pille namens „Blue Punisher“ passiert. Zwei weitere Teenager aus der Region liegen auf der Intensivstation. Die Fälle sorgen auch hier in Sachsen für Bestürzung und viele Fragezeichen. Sicher ist: Die gefährlichen, blauen Tabletten mit dem Totenkopf-Symbol sind bereits im Freistaat im Umlauf.

Was ist unter „Blue Punisher“ zu verstehen?

Bei den blauen Pillen namens „Blue Punisher“ handelt es sich um eine besonders hoch dosierte Variante von Ecstasy. Diese rein synthetische Droge wird ohne natürliche Rohstoffe im Labor hergestellt. Die Tabletten enthalten MDMA (Methylendioxymethylamphetamin) in unterschiedlicher Konzentration. Neben Streckmitteln können zudem andere psychoaktive Stoffe sowie giftige oder gesundheitlich stark bedenkliche Substanzen beigemischt sein. Nach Angaben des Bundeskriminalamts können Pillen mit „Punisher“-Logo aus unterschiedlichen Quellen stammen und eine völlig unterschiedliche Zusammensetzung haben. Bereits seit April wurde auf der offiziellen Internetseite „Drugchecking Berlin“ neben zahlreichen anderen Ecstasy-Tabletten und anderen Aufputschmitteln auch die Form einer dreieckigen blauen Tablette mit einem Totenkopf als Warnung abgebildet, bezeichnet als „hoch dosierte Ecstasy-Tablette“.

Wie sehen die "Blue Punisher"-Pillen aus?

„Blue Punisher“ (deutsch: blauer Bestrafer) haben die Form eines Diamanten. Die Pillen sind zumeist blau und mit einem Totenkopf versehen, der an den Marvel-Charakter „The Punisher“ erinnert – einem Comic-Helden. Wie der Name schon verrät, sind sie meist blau, allerdings sind auch schon lilafarbene „Punisher“-Tabletten erhältlich. „Die Form und Farbe, das Logo oder die Größe von Pillen verraten absolut nichts über Inhaltsstoffe, Wirkung und Qualität“, erklärt Matthias Rost von der Jugenddrogenberatungsstelle K(L)ICK in Leipzig. Gerade das mache die Ecstasy-Pillen auch so extrem gefährlich. Etwa 300 bis 500 verschiedene solcher Pillen seien auf dem Markt. „Schon heute können Dealer die „Punisher“-Prägung geändert haben, und die Tabletten sehen nun komplett anders aus. Das ist sogar zu vermuten, wenn nun öffentlich vor diesen blauen Totenkopf-Pillen gewarnt wird“, erklärt Rost.

Wie wirkt Ecstasy?

Die Substanzen führen zu Wahnvorstellungen und zu einer gehobenen Stimmungslage. „Wer Ecstasy nimmt, fühlt sich aufgeputscht, glücklich, selbstbewusst, er verliert Hemmungen und Ängste. Ecstasy wirkt antriebs- und leistungssteigernd“, erklärt Rost. Die Wirkung setzt meist nach 30 bis 45 Minuten ein. Lässt sie nach, fallen Konsumenten in der Regel in eine depressive Phase, und sie fühlen sich erschöpft. Wer beispielsweise auf Partys lange tanzt, verliert extrem viel Wasser, die Folgen können Organschäden oder ein Kreislaufzusammenbruch sein. Tödliches Nierenversagen und Hirnblutungen wurden ebenso beobachtet.

Was ist über die Todesfälle vom Wochenende bekannt?

Am Montag war eine 13-Jährige aus Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern im Krankenhaus gestorben. Die Ermittlungsbehörden vermuten, dass ihr Tod in Zusammenhang mit chemischen Drogen steht. Frühestens am Freitag rechnet die Staatsanwaltschaft in Potsdam mit dem vorläufigen Obduktionsergebnis. Bereits am Montagabend hatte die Polizei vier Tatverdächtige festgenommen – einen 37-Jährigen, einen 16-Jährigen und zwei 17-Jährige. Gegen den 37-Jährigen ist Haftbefehl erlassen worden. Die übrigen Tatverdächtigen sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß, sollen aber in Zusammenhang mit dem Fall des Mädchens aus Altentreptow stehen. Eine 14- und eine 15-Jährige liegen in Neubrandenburg nach der Einnahme dieser Droge auf der Intensivstation. Auch beim Tod einer 15-Jährigen in Brandenburg vermuten Ermittler eine Überdosis.

Wie viel Wirkstoff ist in den blauen Pillen?

„Die „Blue Punisher“ ist mit 300 Milligramm so hoch dosiert, dass es aus guten Gründen eine Warnmeldung für ganz Europa dafür gibt“, sagte der Suchtexperte Gernot Rücker dem Berliner Tagesspiegel. Die Faustregel laute demnach: Ein Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht sei akzeptabel. Bei Jugendlichen, die 50 Kilogramm wiegen, wären also 50 Milligramm zumutbar. „Etwa ab 120 Milligramm spricht man von einer hohen Dosierung“, erklärt Suchtberater Rost aus Leipzig. „Bei 300 Milligramm ist die Pille selbst für einen erwachsenen Mann zu stark. Wenn ein junges Mädchen so wie in den bekannt gewordenen Fällen sie schluckt, ist klar, dass das hoch gefährlich ist.“ Je schlanker eine Person, umso schlimmer sei die Wirkung. Laut Gernot Rücker seien auch schon Pillen mit 477 Milligramm Wirkstoff gefunden worden. Wegen der hohen Wirkstoffkonzentration kann daher schon eine halbe Pille zu einer Überdosis führen.

Wie verbreitet sind „Blue Punisher“-Pillen?

In vielen Teilen Deutschlands ist „Blue Punisher“ seit Längerem verbreitet, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. So habe das Landeskriminalamt (LKA) in Nordrhein-Westfalen bereits 2021 insgesamt 4246 Tabletten mit diesem Prägemotiv sichergestellt. 2022 waren es 2761 Tabletten, in diesem Jahr bislang neun. In Hessen wurden 2022 „Blue Punisher“-Pillen „im unteren zweistelligen Bereich“ konfisziert. In Niedersachsen untersuche man regelmäßig Pillen dieser Art auf Wirkstoffgehalte, teilte das zuständige LKA mit. Erkenntnisse über Todesfälle oder schwere Erkrankungen in Zusammenhang mit „Blue Punisher“ würden jedoch bisher nicht vorliegen.

Wie ist die Lage in Sachsen?

Der sächsischen Kriminaltechnik seien in diesem Jahr bisher rund 200 „Blue Punisher“-Tabletten vorgelegt worden, wie das LKA mitteilte. Dabei sei festgestellt worden, dass der Gehalt des Wirkstoffs MDMA trotz des gleichen Aufdrucks „Punisher“ stark geschwankt habe. „Ecstasy ist wieder auf dem Vormarsch“, sagt Dr. Olaf Rilke, Leiter der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren, saechsische.de. Dieselbe Beobachtung hat auch Matthias Rost gemacht. Ecstasy wird vorwiegend von Jugendlichen und Heranwachsenden konsumiert. „Nach einer Welle mit Crystal und Speed nimmt nun der Konsum wieder zu“, so der Suchtberater. „Ecstasy ist eine Partydroge. Klar, dass nach der Coronazeit, in der wenig bis gar nicht gefeiert wurde, die Nachfrage steigt.“

Kann man Pillen auf Inhaltsstoffe testen lassen?

Das Modellprojekt „Drugchecking“ in Berlin bietet Konsumierenden an, ihre Drogen in drei Beratungsstellen anonym testen zu lassen. Die Analyse der Substanzen soll unter anderem Aufschluss darüber geben, ob die Drogen mit weiteren gefährlichen Stoffen verunreinigt oder besonders hoch dosiert sind. Auch in Thüringen gibt es dieses Pilotprojekt, Hessen und Baden-Württemberg wollen es einführen. Sachsen plant derzeit nicht, derartige Drogen-Prüfungen anzubieten. (mit dpa)