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Kretschmer nach Polizisten-Tod in Mannheim: Nicht zur Tagesordnung übergehen

Der Tod eines Polizisten nach einer Messerattacke in Mannheim hat heftige Reaktionen zur Folge. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer wertet die Attacke als Angriff auf die gesamte Gesellschaft - und will nicht zur Tagesordnung übergehen.

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Kerzen und Blumen stehen am Tatort auf dem Marktplatz von Mannheim.
Kerzen und Blumen stehen am Tatort auf dem Marktplatz von Mannheim. ©  Montage: Dieter Leder/Michael Kappeler/dpa

Berlin/Mannheim. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat die tödliche Attacke auf einen Polizisten in Mannheim als Angriff auf die gesamte Gesellschaft gewertet. "#EinerVonUns: Genau so ist es! Ein Angriff auf Polizistinnen und Polizisten ist ein Angriff auf uns. Auf unsere Gesellschaft, auf unsere Freiheit", schrieb der CDU-Politiker am Sonntagabend auf der Plattform X in Anlehnung an einen Hashtag, den Polizeibehörden nach dem Tod des jungen Mannes bundesweit posteten.

Kretschmer betonte, Polizisten setzten ihre Gesundheit und ihr Leben für die Bürger ein. "Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass nach Tagen der Empörung nicht wieder die normale Tagesordnung beginnt", machte der Ministerpräsident deutlich.

Bundesweit trauerten Polizeibehörden, Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt auf der Plattform X unter dem Hashtag #einervonuns um den gestorbenen Kollegen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte: "Ich bin tief erschüttert über den Tod des Polizisten, der in Mannheim mutig eingriff, um Menschenleben zu schützen." Steinmeier zeigte sich zugleich besorgt über eine "Verrohung der politischen Auseinandersetzung und der wachsenden Gewaltbereitschaft in unserem Land." "So darf es nicht weitergehen. Gewalt gefährdet, was unsere Demokratie stark gemacht hat", mahnte der Bundespräsident.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf X: "Sein Einsatz für die Sicherheit von uns allen verdient allerhöchste Anerkennung. Ich bin in diesen bitteren Stunden in Gedanken bei seiner Familie und bei allen, die um ihn trauern." CDU-Chef Friedrich Merz betonte auf X: "Aus dem Messerangriff am Freitag ist heute heimtückischer Mord geworden. Meine Gedanken sind bei der Familie. Es ist einfach furchtbar. Dieser Mord muss harte Konsequenzen haben, auch für diejenigen, die mit dem Täter sympathisieren."

Motiv des Täters unklar

Der Polizist war am Freitag bei einem Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz attackiert worden. Er erlag seinen Verletzungen am Sonntagnachmittag. Das teilten die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, das Polizeipräsidium Mannheim und das Landeskriminalamt mit. Der Angreifer habe dem 29 Jahre alten Beamten mehrmals in den Kopfbereich gestochen. Das Motiv des 25-jährigen Täters ist indes noch immer unklar. Bisher war der in Afghanistan geborene Mann, der 2014 als Jugendlicher nach Deutschland kam, nicht vernehmungsfähig - er war in den Minuten nach der Attacke ebenfalls verletzt worden.

Gegen den Angreifer ist inzwischen Haftbefehl erlassen worden. Ihm wird versuchter Mord zur Last gelegt, wie die Staatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg am Wochenende mitteilten. Der mutmaßliche Täter lebe seit 2014 in Deutschland. Er sei verheiratet, habe zwei Kinder und sei zuletzt im hessischen Heppenheim wohnhaft gewesen. Die Wohnung des in Afghanistan geborenen Mannes sei am Freitagabend durchsucht worden. Dabei wurden auch elektronische Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Bislang sei der Mann polizeilich nicht in Erscheinung getreten, hieß es.

Bei dem Angriff hatte der Mann am Freitagvormittag auf dem Marktplatz in der Innenstadt mehrere Menschen verletzt, darunter auch den Polizisten.

Bei den weiteren verletzten Personen handelt es sich den Angaben zufolge um fünf Männer im Alter von 25 bis 59 Jahren. Unter ihnen befinden sich ein deutsch-kasachischer sowie ein irakischer Staatsbürger, die übrigen drei Personen haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Der 25-Jährige konnte das Krankenhaus zwischenzeitlich wieder verlassen, die anderen Opfer befinden sich weiterhin in stationärer Behandlung. Ein 54-Jähriger wurde bei der Attacke lebensbedrohlich verletzt, befindet sich zwischenzeitlich jedoch außer Lebensgefahr.

Mitarbeiter der Spurensicherung stehen auf dem Marktplatz hinter einem zertrümmerten Stand.
Mitarbeiter der Spurensicherung stehen auf dem Marktplatz hinter einem zertrümmerten Stand. © Uwe Anspach/dpa

Verletzter schreibt aus Klinik

Einer der Verletzten, BPE-Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger, hat sich aus dem Krankenhaus zu Wort gemeldet. "Es war richtig knapp gestern", schrieb der 59-Jährige am Wochenende in einer Nachricht mit Foto auf der Plattform Telegram. Er habe mehrere Stichverletzungen erlitten, eine davon im Oberschenkel habe "erheblichen Blutverlust" verursacht. Auch im Gesicht sei er verletzt worden. Nach Darstellung der BPE-Schatzmeisterin Stefanie Kizina ist die Attacke gezielt gegen Stürzenberger gerichtet gewesen, der zu den führenden Köpfen des Vereins mit Sitz in Krefeld zählt.

Schon kurz nach dem Angriff kursierte ein Video von der Tat im Internet: Darauf ist zu sehen, wie der Angreifer auf mehrere Menschen einsticht und Umstehende rufen: "Das Messer weg!" Zu sehen ist auch, wie ein Beamter auf den Angreifer schießt. Mehrere Polizisten fixieren den Mann danach auf dem Boden. Nach Angaben von Polizei, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt wurde nur ein Schuss abgegeben.

Wie lief der Angriff ab?

Auf der Plattform X kursiert mittlerweile ein zweites Video des Angriffs. Die Bilder zeigen einen anderen Ablauf als den, den die Ermittler zunächst geschildert hatten. Anders als von den Ermittlern behauptet, sieht man in der Szene nicht, wie der Polizist einen Verletzten aus dem Gefahrenbereich bringt. Das Video zeigt, dass zwei Männer den Täter bereits am Boden festhielten. Dann kommt ein weiterer Mann mit blauer Jacke hinzu und fängt an, auf einen dieser beiden Männer einzuschlagen. Auf diesen prügelnden Mann mit blauer Jacke stürzt sich dann der Polizist. Dadurch konnte sich der Täter befreien und auf den Polizisten einstechen.

Auch nach der Messerattacke in Mannheim will die BPE bei weiteren Veranstaltungen öffentlich auftreten. Am kommenden Samstag (8.6.) sei ein Stand in der Dortmunder Innenstadt geplant, sagte Schatzmeisterin Kizina am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Sie gehe davon aus, dass die Polizei "sicher die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen wird".

Noch keine offiziellen Angaben zum Motiv

Inzwischen versuchen die Ermittler weiter zu klären, wie es zu der Bluttat kommen konnte. "Was uns am meisten umtreibt, ist die Frage nach dem Motiv", hieß es aus dem Landeskriminalamt. Zur Identität des Täters machten die Ermittler bislang keine Angaben. Zahlreiche Fragen seien noch ungeklärt und Gegenstand der Ermittlungen - so zum Beispiel die Herkunft der Tatwaffe. Über die Antworten darauf wolle man auch herausfinden, ob der Festgenommene die Tat geplant oder ob es sich um einen spontanen Angriff gehandelt habe.

"Unsere Gedanken sind bei allen, die durch den Messerangriff verletzt worden sind, meine Gedanken als Innenminister natürlich auch vor allem bei dem verletzten Polizeikollegen", sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) der "Bild"-Zeitung. Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz zeigten sich erschüttert.

Die BPE beschreibt sich auf ihrer Website als "Menschenrechtsorganisation", die "über Wesen und Ziele des Politischen Islam" aufkläre. Dabei macht die BPE keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus - beiden schreibt sie unter anderem "aggressive Verachtung und Intoleranz" zu. Der Politikwissenschaftler Stürzenberger war zeitweise Pressesprecher der CSU in München. Später stieg er bei der islamkritischen Partei Die Freiheit ein, die 2016 aufgelöst wurde. Sowohl Stürzenberger als auch der BPE-Landesverband Bayern werden vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet.

Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen

Derweil hat die oberste deutsche Anklagebehörde in Karlsruhe mitgeteilt die Ermittlungen zu übernehmen. Die Bundesanwaltschaft begründete dies am Montag mit der "besonderen Bedeutung des Falls". "Wir gehen von einer religiösen Motivation der Tat aus", sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Zuerst hatte der "Spiegel" darüber berichtet. Die Sprecherin führte aus, man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte. (dpa)