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Nach Messerattacke in Mannheim: Kretschmer will schneller abschieben

Die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hat eine Debatte über Abschiebungen von Straftätern ausgelöst. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer fordert Konsequenzen vom Kanzler.

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Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer fordert nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim Konsequenzen vom Kanzler Olaf Scholz.
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer fordert nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim Konsequenzen vom Kanzler Olaf Scholz. © dpa

Berlin. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim ein härteres Vorgehen bei Abschiebungen. "Wer schwerste Straftaten begeht, wer die Sicherheit unseres Landes gefährdet, hat jedes Recht verwirkt, hier zu bleiben", schrieb er am Donnerstag auf Facebook.

Schwerstkriminelle & terroristische Gefährder, auch jene aus Staaten wie Afghanistan und Syrien, gehörten selbstverständlich abgeschoben. Die Vorschläge für Rechtsverschärfungen aus den Bundesländern, auch aus Sachsen, gebe es schon länger. "Es ist längst überfällig, dass der Kanzler dieses wichtige Thema endlich zur Chefsache erklärt hat. Den Ankündigungen müssen nun aber auch Taten folgen."

Kretschmer reagierte damit auf eine Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz im Bundestag am Donnerstag. Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke will Scholz die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. "Solche Straftäter gehören abgeschoben - auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen", sagte der SPD-Politiker im Bundestag. "Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren."

Wie genau er das ermöglichen will, sagte der Kanzler in seiner Regierungserklärung nicht. Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch.

Man werde auch nicht länger dulden, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden. "Deshalb werden wir unsere Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Bildung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt", sagte der Kanzler. "Wer Terrorismus verherrlicht wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben."

Auch Verschärfung des Strafrechts geplant

Als weitere Konsequenz aus der Messerattacke kündigte Scholz eine Verschärfung des Strafrechts an. Wer Frauen und Männer, die helfen und Leben retten wollten, hinterrücks angreife oder in Hinterhalte locke, der müsse die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. "Dafür werden wir das Strafrecht gezielt schärfen und solche hinterlistigen Überfälle härter bestrafen." Es müsse auch konsequenter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Waffen- und Messerverbotszonen auszuweisen.

Ein Afghane hatte am vergangenen Freitag in Mannheim fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der Beamte erlag später seinen Verletzungen. Der Angriff hatte eine Debatte über eine Lockerung des Abschiebeverbots nach Afghanistan ausgelöst.

Seit der Machtübernahme durch die radikal-islamistischen Taliban in Kabul im August 2021 schickt Deutschland niemanden mehr nach Afghanistan zurück. Schon in der Zeit davor hatte man sich wegen der damals schon schwierigen Sicherheitslage darauf verständigt, nur Männer - und vor allem Straftäter und sogenannte Terror-Gefährder - unter Zwang nach Kabul zu bringen.

"Ausdruck menschenfeindlicher Ideologie"

Scholz will jetzt zu dieser Regelung zurückkehren. "Das tödliche Messer-Attentat auf einen jungen Polizisten ist Ausdruck einer menschenfeindlichen Ideologie, eines radikalen Islamismus", sagte er. "Dafür gibt es nur einen Begriff: Terror. Terror sagen wir den Kampf an."

Der Kanzler argumentierte, dass bei Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer wiege als das Schutzinteresse des Täters.

Die Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern hatte bereits im vergangenen Dezember bemängelt, dass schwere Straftäter und Gefährder aus Staaten wie Syrien und Afghanistan nicht in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben werden können. Sie bat das Bundesinnenministerium, bis zur IMK-Frühjahrssitzung am 19. Juni nach Auswegen zu suchen. Dann sollen Ergebnisse vorgelegt werden.

Für eine Abschiebung per Flugzeug wäre eine Zusammenarbeit mit den Taliban-Machthabern in Kabul oder der für schlimmste Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nötig. Wie Scholz in seiner Rede sagte, wird deswegen nun die Rückführung über Nachbarstaaten geprüft.

Mehr als 13.000 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland

Mit den Grünen ist aber einer der beiden Koalitionspartner der SPD skeptisch, ob die Abschiebungen wirklich möglich sind. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) befürchtet, dass abgeschobene Islamisten auch von dort aus Terroranschläge planen könnten. Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte in der Debatte zur Regierungserklärung zwar: "Menschen, die schwere Straftaten begehen, müssen nach Verbüßung der Strafe abgeschoben werden." Sie fügte aber hinzu, dass für alle Herkunftsländer kontinuierlich geprüft werden müsse, ob die Sicherheitslage Abschiebungen zulasse.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz verlangte von Scholz schnelles und entschlossenes Handeln. "Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei", sagte der CDU-Vorsitzende in seiner Antwort auf die Regierungserklärung. "Die Menschen erwarten, dass wir handeln. Sie erwarten Entscheidungen. Sie warten auf eine klare, unmissverständliche Antwort der Politik"

Ende April lebten laut Ausländerzentralregister 13.396 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland, allerdings besaßen 11.666 von ihnen eine sogenannte Duldung, konnten also kurzfristig nicht abgeschoben werden, etwa weil Papiere fehlten oder aus gesundheitlichen Gründen. Unter den 10.026 Syrern, die in dem Register als ausreisepflichtig gespeichert waren, waren 8.914 Geduldete. (dpa)