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Polizistenmorde: Polizei gibt neue Details bekannt

Zwei Verdächtige sitzen nach den Todesschüssen auf Polizisten in U-Haft. Die Polizei gibt indes weitere Ermittlungsergebnisse bekannt - und erklärt, warum die Verstärkung so lange brauchte.

Von Erik-Holm Langhof
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Blumen und Kerzen stehen am Tatort, an dem zwei Polizeibeamte bei einer Verkehrskontrolle erschossen wurden. Mittlerweile werden neue Details zur Tat und den mutmaßlichen Tätern bekannt.
Blumen und Kerzen stehen am Tatort, an dem zwei Polizeibeamte bei einer Verkehrskontrolle erschossen wurden. Mittlerweile werden neue Details zur Tat und den mutmaßlichen Tätern bekannt. © Sebastian Gollnow/dpa

Das Wichtigste in Kürze:

  • Getötete Polizisten observierten vor Schießerei eine Person
  • 38-jähriger Verdächtiger hatte bis 2020 Jagderlaubnis im Saarland
  • Zwei Tatverdächtige wegen gemeinschaftlicher Tötung in Untersuchungshaft
  • Nach ersten Erkenntnissen wollten sie illegale Wilderei bei der Kontrolle vertuschen
  • 24-jährige Polizeianwärterin und 29-jähriger Polizeioberkommissar wurden durch Kopfschüsse getötet, der Polizeibeamte schoss 14 Mal in Richtung der Täter
  • Mehrere Waffen bei Hausdurchsuchungen der Verdächtigen gefunden, zwei passen zu den Tatwaffen

Kusel. Der Inspekteur der rheinland-pfälzischen Polizei, Jürgen Schmitt, hat im Innenausschuss des Landtags Details zu dem Einsatz nach den tödlichen Schüssen auf zwei Polizisten in der Westpfalz erklärt.

Er berichtete am Dienstag unter anderem, warum es zwölf Minuten dauerte, bis andere Streifen am Tatort waren, obwohl die später getöteten Beamten gemeinsam mit den Besatzungen zwei weiterer Fahrzeuge unterwegs waren.

Getötete Polizisten observierten eine Person

Schmitt sagte, wenn Streifen an einen Tatort geschickt würden und bekannt sei, dass dort geschossen worden sei, seien sie angehalten, zunächst zu stoppen und Schutzausrüstung anzulegen. Dazu gehörten schwere Schutzhelme und Westen sowie eine Maschinenpistole. "Das führt zu einer gewissen Zeitverzögerung", erklärte der Inspekteur.

Die beiden am frühen Morgen des 31. Januar getöteten Polizisten hatten um 4.20 Uhr an einer Kreisstraße bei Kusel ein Fahrzeug kontrolliert, zunächst über Funk von "dubiosen Personen" berichtet, die zahlreiche tote Wildtiere dabei hätten. Sie forderten Verstärkung an und riefen schließlich um Hilfe mit den Worten "Komm schnell, die schießen, die schießen".

Mehrere schwer bewaffnete Polizeibeamte waren am Montag vor Ort, um den Tatort abzusichern.
Mehrere schwer bewaffnete Polizeibeamte waren am Montag vor Ort, um den Tatort abzusichern. © Sebastian Gollnow/dpa
Polizeibeamte stehen an einer Absperrung an der Kreisstraße 22, rund einen Kilometer von dem Tatort entfernt, an dem zwei Polizeibeamte durch Schüsse getötet wurden. Sie sperrten die Straße am Montag für den Verkehr.
Polizeibeamte stehen an einer Absperrung an der Kreisstraße 22, rund einen Kilometer von dem Tatort entfernt, an dem zwei Polizeibeamte durch Schüsse getötet wurden. Sie sperrten die Straße am Montag für den Verkehr. © Sebastian Gollnow/dpa
Blumen und Kerzen stehen neben der Kreisstraße 22 zwischen den Orten Mayweilerhof und Ulmet (Rheinland-Pfalz) an der Stelle, wo am Montagmorgen zwei Polizeibeamte erschossen worden.
Blumen und Kerzen stehen neben der Kreisstraße 22 zwischen den Orten Mayweilerhof und Ulmet (Rheinland-Pfalz) an der Stelle, wo am Montagmorgen zwei Polizeibeamte erschossen worden. © Harald Tittel/dpa
Auch vor der Polizeiinspektion Kusel wurden Blumen und Kerzen im Gedenken an die getöteten Polizeibeamten niedergelegt.
Auch vor der Polizeiinspektion Kusel wurden Blumen und Kerzen im Gedenken an die getöteten Polizeibeamten niedergelegt. © Harald Tittel/dpa
Polizeibeamte sind in der Innenstadt von Sulzbach/Saar im Einsatz. Nach tödlichen Schüssen auf zwei Polizisten in der Pfalz wurden dort zwei Tatverdächtige festgenommen.
Polizeibeamte sind in der Innenstadt von Sulzbach/Saar im Einsatz. Nach tödlichen Schüssen auf zwei Polizisten in der Pfalz wurden dort zwei Tatverdächtige festgenommen. © Thomas Frey/dpa

Inspekteur Schmitt zufolge waren an dem Morgen nach der Kontrolle mit tödlichem Ausgang andere Streifen um 4.32 Uhr am Tatort. Beide Opfer, ein 29-jähriger Oberkommissar und seine 24 Jahre alte Kollegin, seien zu dem Zeitpunkt bereits tot gewesen, hätten massive Verletzungen am Kopf aufgewiesen.

Die zwei Beamten waren demnach uniformiert in einem zivilen Polizeiauto unterwegs, Schmitt zufolge observierten sie mit den Besatzungen zwei weiterer Polizeiwagen eine Person. Nach früheren Angaben der Polizei ging es darum, eine Serie von Eigentumsdelikten aufzuklären.

38-Jähriger hatte keine Waffenerlaubnis zur Tatzeit

Unterdessen gab das saarländische Umweltministerium bekannt, dass der mutmaßliche 38-jährige Polizistenmörder von Kusel bis Ende März 2020 legal im saarländischen Staatswald gejagt habe. Er hatte in verschiedenen Revieren seit 2017 Jagderlaubnisscheine für zunächst drei Pirschbezirke gehabt, teilte das Umweltministerium in Saarbrücken mit.

Zwei Pirschbezirke seien im Juni 2019 vorzeitig gekündigt worden, da es wiederholt zu Verstößen gegen die Kirr-Ordnung gekommen sei. Statt mit Getreide und heimischen Früchten sei Wild dort mit Backwaren angelockt ("angekirrt") worden.

Nach einer weiteren ähnlichen Feststellung wurde dem 38-Jährigen der dritte Jagdbezirk zum 31. März 2020 gekündigt, teilte eine Sprecherin mit. Beim Ministerium ist die Oberste Jagdbehörde angedockt.

Die Pirschbezirke lagen in den Forstrevieren Furpach und St. Ingbert Nord. Wegen des Verdachts der Jagdwilderei, auch im Revier Ingbert Nord, habe der Saar-Forst mehrfach Anzeige gegen Unbekannt gestellt.

Polizisten bringen einen der Tatverdächtigen (im weißen Overall) nach dem Haftprüfungstermin am Landgericht Kaiserslautern aus dem Justizgebäude. Nach Medienberichten wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen.
Polizisten bringen einen der Tatverdächtigen (im weißen Overall) nach dem Haftprüfungstermin am Landgericht Kaiserslautern aus dem Justizgebäude. Nach Medienberichten wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen. © Harald Tittel/dpa

Am 31. Januar waren nahe Kusel in der Westpfalz bei einer Verkehrskontrolle eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Oberkommissar erschossen worden. Als Tatverdächtige sitzen der 38-Jährige und ein 32-Jähriger wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Mordes und der gewerbsmäßigen Jagdwilderei in Untersuchungshaft.

Im Wagen, mit dem die beiden wohl unterwegs waren, wurden zahlreiche erlegte Wildtiere entdeckt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Verdächtigen mit den Morden die vorherige Wilderei verdecken wollten.

Der Tatverdächtige habe bis 2019 einen zugelassenen Wildverarbeitungsbetrieb in Neunkirchen gehabt - dieser Betrieb wurde auch mehrfach vom Landesamt für Verbraucherschutz kontrolliert. Neben selbst erlegtem Wild sei dort vor allem zugekauftes Wild verarbeitet worden. Zwischen 2017 und 2019 habe der 38-Jährige beim SaarForst Landesbetrieb insgesamt 442 Stück Reh- und Schwarzwild erworben.

In Sulzbach wurde von dem Mann bis zuletzt offenbar eine registrierte Wildkammer eines anderen Jägers genutzt, hieß es. Nach dpa-Informationen recherchieren Behörden derzeit die Vertriebswege des Wildhandels - und mögliche eingebundene Metzgereien. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hatte der 38-jährige zum Zeitpunkt der Tat keine Erlaubnis zum Besitz von Waffen gehabt und keinen Jagdschein besessen.

Bundesweite Schweigeminute für getötete Beamten

Beide Tatverdächtige sitzen wegen des Verdachts auf gemeinschaftlichen Mord und Wilderei in Untersuchungshaft. Der Ältere habe sich bisher nicht zur Sache geäußert, der Jüngere habe die Wilderei eingeräumt sowie die Polizeikontrolle und Schüsse geschildert, hieß es. Er hat der Staatsanwaltschaft zufolge bestritten, selbst geschossen zu haben.

Die Ermittler gehen davon aus, dass mindestens zwei Waffen verwendet wurden - und diese von beiden Beschuldigten genutzt wurden. Hinweise auf eine politisch motivierte Tat oder etwa Verbindungen in die sogenannte Reichsbürgerszene gebe es nicht.

Die Tatverdächtigen sind nicht vorbestraft. Der 38-Jährige sei der Polizei aber bereits wegen Jagdwilderei und Verkehrsunfallflucht aufgefallen, der 32-Jährige wegen Betrugsdelikten, hieß es. Der Staatsanwaltschaft zufolge droht den Männern nun lebenslange Haft.

Mitarbeiter der Polizei nahmen vor der Polizeidirektion Dresden an einer Schweigeminute für die in Rheinland-Pfalz getöteten Polizisten teil.
Mitarbeiter der Polizei nahmen vor der Polizeidirektion Dresden an einer Schweigeminute für die in Rheinland-Pfalz getöteten Polizisten teil. © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Bundesweit haben Polizisten, Politiker und Bürger eine Schweigeminute für die getöteten Polizisten abgehalten. Auch die Polizei Sachsen hat sich daran beteiligt. Die Polizeistiftung Rheinland-Pfalz richtete für die Familien der beiden Getöteten das Spendenkonto "Kusel - Zwei von uns" ein.

Die Spenden sollen auch allen Kolleginnen und Kollegen bei der Trauerbewältigung helfen, die unmittelbar in das Geschehen eingebunden waren - oder mit der Kollegin und dem Kollegen im Alltag Dienst verrichtet haben, wie die Stiftung mitteilte.

In der Woche nach der Tötung sind indes laut Polizei 399 Fälle von Hass und Hetze im Internet im Zusammenhang mit der Tat festgestellt worden. Eine Sonderermittlergruppe "Hate Speech" kümmert sich vor allem um die strafrechtlich relevanten Kommentare. (mit dpa)

Was wir bisher wissen - Ermittlungsstand der Behörden:

  • Gegen zwei Tatverdächtige (38, 32) wurden Haftbefehle wegen gemeinschaftlicher Tötung erlassen. Beiden sitzen laut Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Aufgrund einer hohen Fluchtgefahr sei die Inhaftierung begründet. Beide Männer hätten finanziell und sozial schwache Verhältnisse, so die Staatsanwaltschaft.
  • Der 38-Jährige und der 32-Jährige seien Bekannte und nicht verwandt miteinander. Sie hielten sich während des Zugriffs in Sulzbach in der Nähe zueinander auf. Die Beamten seien über Hinweise und Ermittlungen auf die Wohnhäuser im Saarland gekommen.

  • Der 38-jährige verdächtige Saarländer soll bis 2020 legal im Saarland gejagt haben. Das gab das Umweltamt in Saarbrücken mit. In diesem Zusammenhang hatte er auch Jagderlaubnisscheine.
  • Beiden Tatverdächtigen sollen als Wilderer in die Polizeikontrolle geraten sein. Im Laderaum ihres Kastenwagens hätten sich zahlreiche getötete Wildtiere befunden haben, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen. Diese Tat hätten sie verdecken wollen.
  • Die Ermittler gehen davon aus, dass jeder der beiden Festgenommenen Schüsse abgefeuert hat. Bei den Ermittlungen seien eine Schrotflinte und ein Jagdgewehr sichergestellt worden, die zu den tödlichen Kugeln passen. Der männliche Beamte sei viermal getroffen worden, seine Kollegin einmal. In beiden Fällen hätten Kopfschüsse zum Tod geführt. Der Polizeioberkommissar konnte selbst noch 14 Mal schießen. Einige Kugeln trafen das Fluchtauto.

  • Beide Tatverdächtigen waren laut Staatsanwaltschaft nicht rechtskräftig vorbestraft. Der 38-Jährige sei der Polizei aber früher bereits wegen Jagdwilderei und Verkehrsunfallflucht aufgefallen, sagte Kriminaldirektor Frank Gautsche. Der 32-Jährige war der Polizei wegen Betrugsdelikten bekannt.

  • Der 32 Jahre alte Tatverdächtige hat nach Darstellung der Staatsanwaltschaft die Wilderei eingeräumt und die Polizeikontrolle sowie die Schüsse geschildert. Er habe aber bestritten, selbst geschossen zu haben, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen. Die Ermittler gehen nach jetzigem Stand allerdings davon aus, dass beide Verdächtige geschossen haben. Der 38-Jährige macht bislang keine Angaben.

  • Die Ermittler fanden vor Ort den Führerschein und den Personalausweis des 38-Jährigen, weshalb anschließend Fahndungsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland aufgenommen wurden. Es seien mehrere Objekte durchsucht worden. Dabei hätten die Polizisten nach eigenen Angaben auch zahlreiche Waffen sichergestellt.

  • Im Fall der getöteten Polizisten gibt es keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat. Es gebe beispielsweise keine Hinweise, dass die Verdächtigen Verbindungen in die sogenannte Reichsbürgerszene gehabt hätten, teilten die Ermittler mit.

  • Die in der Pfalz getötete Polizeianwärterin stand nach Angaben der Ermittler kurz vor dem Ende ihrer Ausbildungszeit. Sie habe alle Ausbildungs- und Trainingseinheiten absolviert, teilten die Ermittler am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Kaiserslautern mit. Ein Zivilfahrzeug, mit dem sie und ihr Kollege unterwegs gewesen seinen, werde üblicherweise nicht für Verkehrskontrollen eingesetzt.

Dieser Beitrag wurde am 31. Januar erstellt und am 8. Februar erneut aktualisiert.