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Provokation zum Anziehen

Dresdner Mittelmeer-Seenotretter veralbern das Vokabular rechter Hetzer. Die Reaktion: Hasskommentare.

Von Stefan Becker
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Bordeauxroter Hoodie mit umstrittenem Motiv.
Bordeauxroter Hoodie mit umstrittenem Motiv. © Screenshot SZ

Die Idee entstand Ende des Sommers. An einem der heißen Abende setzten sich die Macher der Hilfsorganisation Mission Lifeline an einen Tisch und kreierten ein T-Shirt für ihren Kapitän. Claus-Peter Reisch steht seit Juli auf Malta vor Gericht, weil er mit seiner Crew im Mittelmeer 238 Schiffbrüchige vor dem Ertrinken rettete. Allerdings richtet sich die Anklage nicht direkt gegen Rettung der Menschen, sondern kapriziert sich auf das mutmaßlich illegale Führen der niederländischen Flagge am Heck des Schiffes.

Im Verlaufe des Prozesses, dessen Urteil frühestens im Januar erwartet wird, titulierten rechte Kritiker den Kapitän immer wieder als „Schlepperkönig“ und beweinten in den sozialen Medien ihr Furcht vor der vermeintlichen „Umvolkung“. Eben verursacht durch NGOs wie die Dresdner Mission Lifeline und deren Verbündete aus Berlin (Sea Watch) und Bayern (Sea Eye). Aus der Not der stetigen viralen Schmähung und einem verlorenen Berufungsprozess vor den Landgericht Dresden, machten die Seenotretter für sich eine Tugend.

Sie nahmen ein schwarzes T-Shirt und bedruckten es: Auf der Brust steht „Schlepperkönig“ mit dem Konterfei von Claus-Peter Reisch und den Rücken ziert die Lifeline auf See mit dem Zusatz „Team Umvolkung“. Die Unterstützer der privaten Seenotrettung im Mittelmeer feierten das Kleidungsstück als gelungene Ironie und kauften gleich die virtuellen Regale leer; die Gegner der NGOs zürnten über die textile Provokation und kommentierten entsprechend. Sogar der oberidentitäre Martin Sellner widmete der Aktion eine Ausgabe seines Video-Blogs, inszenierte sich und die Seinen als Demaskierer der vermeintlichen Schlepper und verurteilte deren „Beitrag am Bevölkerungsaustausch“.

Und den propagieren die Seenotretter weiter auf ihre Art. Nach dem Ausverkauf der originalen Auflage gibt es jetzt eine modifizierte Sonderedition. Wegen des anhaltenden Erregungs-Erfolges prangen ganz nach Vorliebe entweder „Team Umvolkung“ oder „Schlepperkönig“ auf der Front von T-Shirts und Hoodies für Kinder, Frauen und Männer. Der Vertrieb läuft über den Onlineshop Humanblood. Vom Kaufpreis der bedruckten Bio-Ware landen unterschiedliche Eurobeträge auf dem Spendenkonto der Seenotretter von Mission Lifeline.

Weitere Texte des Themenpakets:

Menschenrechtspreis für Lifeline-Kapitän

Vorsicht bei „Umvolkung“