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Radeberger nach Unfall gelähmt: Wie es ist, nach 17 Jahren wieder auf eigenen Beinen zu stehen

Der Radeberger René Topolla stürzte vor vielen Jahren auf Blitzeis so schwer, dass er seither halbseitig gelähmt ist. Wieso ein neuer Stehrollstuhl für viele Tränen sorgte und wie er das Leben des 42-Jährigen verändert hat.

Von Verena Belzer
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René Topolla ist seit einem Blitzeis-Unfall halbseitig gelähmt. Ein Stehrollstuhl eröffnet ihm nun ganz neue Möglichkeiten.
René Topolla ist seit einem Blitzeis-Unfall halbseitig gelähmt. Ein Stehrollstuhl eröffnet ihm nun ganz neue Möglichkeiten. © Marion Doering

Radeberg. Als er zum ersten Mal seit 17 Jahren wieder stand, flossen die Tränen. "Mein Leben hat sich seitdem um 180 Grad gedreht." Endlich wieder stehen - was das für jemanden wie René Topolla bedeutet, das kann man sich kaum ausmalen.

Denn René Topolla ist halbseitig gelähmt, ein schwerer Unfall hat sein Leben für immer verändert. Er war 25 Jahre alt, es war Winter und bitterkalt. Er wollte früh morgens aus seinem Elternhaus raus nach Großröhrsdorf. Der gelernte Tischler wollte dort einen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben. Doch dazu kam es nicht. Er rutschte auf dem glatten Weg aus - es hatte in der Nacht Blitzeis gegeben. "Dann bin ich mit dem Kopf auf eine Betonkante geklatscht", erzählt der heute 42-Jährige. "Leider."

Sein Vater fand ihn, rief den Notarzt. Er hatte Hirnblutungen, musste notoperiert werden. Es sah nicht gut aus. Doch René Topolla überlebte den schweren Sturz, über drei Monate lang lag er im Wachkoma in Kreischa in der Intensiv-Reha. Als er wieder zu sich kam, lautete die Diagnose: halbseitige Lähmung.

René Topalla musste vieles neu lernen

René Topolla kann seitdem nicht mehr laufen und einen Arm nicht bewegen. Eine Weile lebte er in einem Wohnheim in Dresden, "aber da habe ich mich nicht wohlgefühlt", erzählt er. "Das war zu weit weg von zu Hause." Und so kam er in die Tobiasmühle nach Radeberg, einem Wohnheim für Behinderte. "Da habe ich vieles wieder gelernt", erzählt er. "Wie ich mich mit einer Hand selbst anziehen kann, zum Beispiel."

Heute lebt René Topolla ganz alleine in einer eigenen Wohnung, macht sich morgens seinen Kaffee und isst ein Filinchen, rasiert sich, putzt sich die Zähne. "Das war mein Traum", sagte er. "Eine eigene Wohnung, in der ich abschalten und entspannen und einfach mal die Tür schließen kann."

Ein Fahrdienst fährt ihn dann ins Epilepsiezentrum Kleinwachau, wo er in der Holzwerkstatt arbeitet. Dort werden alle möglichen Gegenstände hergestellt: Schneidebretter, Vogelhäuschen, Grillzangen. "Der Duft alleine, der Geruch des Holzes. Das liebe ich", sagt er und strahlt.

Und doch konnte der gelernte Tischler bisher nicht alle Arbeiten erledigen, die er gerne gemacht hätte. In seinem Sitzrollstuhl wäre das an den Maschinen zu gefährlich gewesen. Und deshalb tat er alles dafür, dass ein weiterer Traum in Erfüllung gehen kann.

"Ich konnte auf einmal viel freier atmen"

"Herr Topolla ist eigenständig auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir einen Antrag auf einen Stehrollstuhl stellen können", berichtet Kathrin Greschke, Mitarbeiterin im Sozialdienst des Epilepsiezentrums. Also wurden Angebote eingeholt und der Kommunale Sozialverband angefragt. "Es geht dabei rein um ein Hilfsmittel im Arbeitsbereich", erklärt Kathrin Greschke. "Und der Antrag wurde überraschenderweise schnell genehmigt."

13.000 Euro hat der neue Stehrollstuhl gekostet - für René Topolla ändert sich mit ihm alles. "Wieder zu stehen, das war ein befreiendes Gefühl", berichtet er von dem Moment, als die Maschine ihn zum ersten Mal nach oben schob. "Ein ganz anderes Körpergefühl." Er habe auf einmal viel freier atmen können.

Und doch lief am Anfang nicht alles problemlos: "Ich hatte anfangs Probleme mit dem Kreislauf und konnte nicht länger als fünf Minuten im Stehrollstuhl stehen", erzählt er. Und auch die Knie und Muskel hätten sich an die neue Belastung erst gewöhnen müssen. "Ich musste mich da erst herantasten. Ich spüre schon den Druck in den Beinen, wenn ich stehe. Trotz der Lähmung."

Und doch war da immer dieser unbändige Wille, wieder stehen zu können, wenn auch nur mit Hilfsmittel. "Wieder ganz anders teilzuhaben am Leben, das ist ein Traum", so beschreibt es René Topolla. Man spürt es bei seinen Erzählungen sofort: Hier ist jemand, der dafür kämpft, sein Leben zu meistern. Trotz des Schicksalsschlags.

René Topolla im Maschinenraum der Werkstatt im Epilepsiezentrum Kleinwachau.
René Topolla im Maschinenraum der Werkstatt im Epilepsiezentrum Kleinwachau. © Marion Doering

"Ich nehme jeden Tag, wie er kommt"

"Ich bin zufrieden mit meinem Leben", sagt er. "Ich nehme jeden Tag, wie er kommt. Ich will das Beste daraus machen und keine Flappe ziehen." Und doch kamen dem 42-Jährigen die Tränen, als er endlich wieder stand. "Das war wie Weihnachten und Geburtstag zusammen."

Mit dem neuen Rollstuhl habe sich sein Leben um 180 Grad gedreht. Endlich könne er den Kollegen im Maschinenraum viel mehr helfen und ganz andere Arbeiten übernehmen. Meistens arbeitet er mit seinem Freund Guido Hirche zusammen, "ich habe mich auch sehr für René gefreut", sagt der. So wie alle anderen Kollegen auch.

Und was hat eigentlich seine Freundin gesagt, die auch im Epilepsiezentrum arbeitet und mit der René Topolla schon seit neun Jahren zusammen ist und mit der sich vor vielen Jahren im Urlaub am Gardasee verlobt hat? "'Fantastisch' hat sie gesagt. 'Endlich mal ein großer Mann.'"