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Sinkt die Nachfrage nach Immobilien im Rödertal?

Steigende Energiepreise und höhere Kredite führen offensichtlich zu einem Nachfrage-Rückgang bei Immobilien. Drohen nun sogar Haus-Notverkäufe?

Von Frank-Uwe Michel & Siri Rokosch
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Werden die Menschen wegen steigender Kosten bald ihre Häuser verkaufen müssen?
Werden die Menschen wegen steigender Kosten bald ihre Häuser verkaufen müssen? © dpa-Zentralbild

Rödertal. Im Rödertal halten sich die Menschen offensichtlich jetzt beim Kauf eines Eigenheimes zurück. So bestätigt zum Beispiel Felix Nieder von der FN Grundstücksentwicklungs-GmbH & Co. KG: "Ja, die Nachfrage nach Baugrundstücken ist auch bei uns im Vergleich zum letzten Jahr zurückgegangen. Der Hype ist etwas verdampft."

Gibt es mehr freie Wohngrundstücke im Rödertal?

Seine Firma bereitet derzeit in Ottendorf-Okrilla am Farrenberg Grundstücke für Eigenheimbauer vor. Neben 27 Einfamilienhäusern sollen auf dem ehemaligen LPG-Gelände auch mehrere Familienwohnungen entstehen. Fünf Grundstücke für Eigenheimbauer seien noch frei. Der Kaufpreis liege bei 340 Euro pro Quadratmeter.

Das Gelände Am Farrenberg wird seit Ende April erschlossen. Ende Juli, kurz vor dem Start der Schule, soll die gesperrte Radeberger Straße in diesem Bereich wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Beim Investor Sven Frerichs von der Firma "Immolounge" sieht es ähnlich aus. Er bestätigt auf Anfrage von Sächsische.de: "Ja, beim Endverbraucher merken wir den Nachfragerückgang auch, vor allem wegen des höheren Zinssatzes." Sven Frerichs baut mit seiner Firma in Radeberg an der Pirnaer Straße ein Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen, von denen noch einige frei seien. Drei Grundstücke für Eigenheime in der Nähe der Töpfergasse seien aber bereits verkauft.

Was hat der Leitzins damit zu tun?

Nach elf Jahren Nullzins-Politik hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 0,5 Punkte angehoben. Dies ist nötig, um die Inflation abzuschwächen. Doch dieser Leitzins wird erfahrungsgemäß weiter angehoben werden müssen, da auch die US-Notenbank Federal Reserve (FED) ihren Leitzins kräftig um 0,75 Prozentpunkte angehoben hat. Nun liegt der Leitzins bei der FED in einer Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent. Bislang zog auch die EZB zeitnah nach.

Laut des Vergleichsportals Vergleich.de hat das Auswirkungen auf die Baufinanzierung. So seien im ersten Halbjahr 2022 die Zinsen für Baufinanzierung so schnell angestiegen, wie nie zuvor. Seit Ende 2021 hätten sie sich nahezu vervierfacht.

Andreas Rieger von der Ostsächsischen Sparkasse Dresden erklärt dazu, dass die Baufinanzierungen in Deutschland nicht unmittelbar an den Leitzins gekoppelt seien: "Da spielen vor allem die Laufzeiten mit rein. Bei uns liegen die Zinsen für Baukredite im Moment bei zwei bis drei Prozent. Kunden, die jetzt umschulden müssen und lange Laufzeiten von 15 oder 20 Jahren hatten, freuen sich sogar. Denn vor 15 Jahren lagen ihre Zinsen bei rund vier Prozent, vor 20 Jahren sogar bei bis zu 7,5 Prozent."

Auswirkungen hätten die nun höheren Bauzinsen nur auf kürzere Kredite, von zum Beispiel fünf Jahren. Damals zahlten Kunden zum Teil nur einen Zinssatz von 0,9 Prozent und müssten nun rund 2,5 Prozent tilgen. Aber auch bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden sei ein Rückgang an Nachfragen für Baukredite zu erkennen, sagt Rieger: "Noch vor einem halben Jahr gab es einen regelrechten Run. Jetzt sehen wir eine Abkühlung."

Wie spielen die Energiekosten in die Entwicklung rein?

Aber nicht nur höhere Bauzinsen, auch die immer weiter steigenden Energiekosten schrecken Häuslebauer offenbar vom Kauf einer durch die Bank finanzierten Immobilie ab.

Laut einer Heiz-Studie vom deutschlandweit agierenden Heizungsinstallateur "Thermondo" und dem inzwischen bei Verivox aufgegangenen Vergleichsportal TopTarif wird in 49 Prozent aller selbstgenutzten Immobilien mit Gas geheizt. Weitere 24 Prozent nutzen Öl.

Somit werden auch etwa die Hälfte der Eigenheime im Landkreis Bautzen von der aktuellen Preisexplosion beim Gas betroffen sein. Rudolf Limmer, Präsidiumsmitglied im Verband Wohneigentum (VWE) beziffert den Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit "mehr als 90 Prozent". Er beschreibt den Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses mit 7.500 bis 30.000 kWh. Im Durchschnitt gehe man von 23.000 kWh aus.

Mit dieser Annahme rechnet der VWE-Experte mit Mehrkosten von mindestens 1.600 Euro im Jahr. Bei Haus & Grund geht man von noch höheren Zusatzkosten aus: Alexander Wiech nimmt an, dass ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt in der selbstgenutzten Immobilie mit jährlich 2.500 Euro mehr belastet wird.

Annett Engel-Lindner vom IVD rechnet die zu erwartende Steigerung monatlich vor: Für 2022 werde es eine mittlere Erhöhung der Monatsrechnung von 117,58 auf 229,43 Euro geben. Dies sei eine Erhöhung um 95 Prozent. Und ihr Ausblick verheißt nichts Gutes: Es sei wahrscheinlich, dass die Großhandelspreise im dritten und vierten Quartal 2022 noch höher liegen. Bei Gasknappheit müsse deshalb durchaus mit weiteren Preisspitzen gerechnet werden.

Schließlich kommt auch noch die vom Staat festgelegte Umlage darauf. Seit Montag ist deren Höhe bekannt. Das Vergleichsportal Verivox hat für einen Vier-Personen-Haushalt mit 20.000 kWh Jahresverbrauch im Einfamilienhaus eine Nettosumme von 484 Euro errechnet. Käme die Mehrwertsteuer noch dazu, wären 576 Euro jährlich zu zahlen.

Platzt jetzt die Immobilienblase?

Akut sieht keiner der Fachleute aus der Finanz- und Immobilienbranche aufgrund der gaspreisbedingten Kostenexplosion eine Welle von Notverkäufen durchs Land fegen. Allerdings müsse die Entwicklung abgewartet werden. "Sollten die Belastungen noch höher werden, kann dies im Einzelfall natürlich zu einer Verkaufsentscheidung führen", vermutet Rudolf Limmer vom Verband Wohneigentum.

Ein "Platzen der Immobilienblase" sei derzeit nicht zu erkennen, sagt auch Elina Vorobjeva, Pressesprecherin der McMakler GmbH in Berlin: "Unsere Daten zeigen, dass durch die erstmals fallenden Immobilienpreise der Markt auf diese Entwicklungen reagiert und aktuell ein Umbruch am Immobilienmarkt zu beobachten ist. Verkäufer sind gezwungen, in Nachverhandlungen zu gehen und niedrigere Preisvorstellungen aufzurufen. Zudem ist das Zinsniveau seit Ende Juni nach mehreren Monaten mit einem steilen Anstieg wieder gesunken. Diese Faktoren sorgen für eine leichte Stabilisierung des Marktes, sodass Menschen sich auch weiterhin Immobilien leisten können."

Was die Preisentwicklung im gesamten Bundesland angeht, "könne man von einer Preis-Stagnation sprechen". Im Vergleich zum 1. Quartal sind die Quadratmeterpreise im gesamten Bundesland auf demselben Niveau geblieben. "Allerdings sieht die Entwicklung anders aus, wenn man in die einzelnen Städte guckt", sagt Elina Vorobjeva: In Dresden gibt es einen Immobilienpreisrückgang von minus 3,7 Prozent, in Radeberg ebenfalls um 3,7 Prozent. Da sind die Preise im 2. Quartal im Vergleich zum Vorquartal am stärksten gefallen.

Dagegen sei das Angebot der zu erwerbenden Immobilien deutlich gestiegen. Über das gesamte Bundesland ist ein Anstieg von 14 Prozent zu verzeichnen. Den größten Anstieg gibt es in Dresden mit 23 Prozent. Ein Angebotsrückgang ist dagegen in Bautzen zu beobachten mit minus 14 Prozent.