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Berufsmesse: Wie Rödertaler Firmen Fachkräfte gewinnen

Bei der größten regionalen Berufsorientierungsmesse in Ottendorf-Okrilla hat es einen Teilnahmerekord gegeben - selbst Sachsens Ministerpräsident war "sprachlos".

Von Siri Rokosch
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Ronja und Lea informieren sich bei der Ottendorfer Berufsmesse an einem Stand für Gesundheits- und Sozialberufe.
Ronja und Lea informieren sich bei der Ottendorfer Berufsmesse an einem Stand für Gesundheits- und Sozialberufe. © Marion Doering

Ottendorf-Okrilla. Für die Rödertaler Schüler scheint Geld nicht das Wichtigste zu sein - wichtiger sei ein nettes Arbeitsumfeld und Spaß an dem künftigen Job. Viele Firmen machen hingegen inzwischen Abstriche bei den Voraussetzungen für künftige Azubis. Fachkräftemangel ist ein großes Thema. Um dem entgegenzuwirken, kamen zur Berufsmesse in der Turnhalle der Oberschule Ottendorf-Okrilla an diesem Donnerstag erstmals über 100 Aussteller. Ein Rekord.

Schüler GmbH organisierte alles selbst

Bereits zum fünften Mal richtete die Oberschule Ottendorf-Okrilla eine Berufsorientierungsmesse aus. Der Zuspruch war enorm. Kamen zur ersten Messe vor fünf Jahren noch 33 ausstellende Firmen, waren es im Folgejahr 50, letztes Jahr 78, und nun über 100. Organisiert wurde die Messe von den Schülern selbst. Eigens dafür wurde eine Schüler-GmbH mit sieben Schülern gegründet. Sie organisierten den Aufbau, koordinierten die Anmeldungen und die Stellplätze für die Firmen, brachten Stühle und Tische in die Turnhalle, belegten Brötchen, buken Kuchen und waren mit Walkie Talkie und gelben Westen bei der Messe ausgestattet, um vor Ort Lösungen für mögliche Probleme zu finden. So fehlte für die Begrüßung der Politiker, Teilnehmer und Schüler anfangs das Mikrofon. Doch das war schnell besorgt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Bautzner Landrat Udo Witschas und der Ottendorfer Bürgermeister Rico Pfeiffer bei der Messe-Eröffnungsrede.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Bautzner Landrat Udo Witschas und der Ottendorfer Bürgermeister Rico Pfeiffer bei der Messe-Eröffnungsrede. © Marion Doering

Selbst für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) war diese Leistung herausragend, wie er in seiner Ansprache gegen 9.30 Uhr am Donnerstag sagte. "Ich bin der Einladung sehr gern gefolgt. Was hier auf die Beine gestellt wurde, hat mich sprachlos gemacht", lobte er. Die Schule sei Erziehung durch Eltern, die Gemeinde, die Vereine. Wenn dies stimmig sei, sei Erfolg das Resultat.

Fast alle Berufszweige waren vertreten

Die Schüler-GmbH mit dem Namen "Messegeister" hatte Busse gechartert, welche die Jugendlichen der Klassenstufen sieben und acht unter anderem aus der Radeberger Oberschule, der Pulsnitzer Oberschule sowie aus den drei weiterführenden Schulen Radebergs abholten und zurückbrachten. Andere Schüler aus Radebeul und Kamenz besuchten die Messe auch. Sie reisten eigenständig an.

Die Schüler konnten die Stände der Firmen binnen zweier Stunden erkunden. Im Schnitt liefen zwischen 100 und 150 Besucher gleichzeitig auf dem Messegelände, in der Turnhalle und in den Außenbereichen.

Auch Esther aus der achten Klassen der Oberschule Ottendorf-Okrilla machte sich auf die Suche nach Informationen zu ihren Lieblingsberufen: "Ich möchte entweder Kindergärtnerin werden oder etwas im Management machen", sagte sie. Sie wolle gern "Dinge organisieren, etwas gestalten, kreativ sein". "Aber auch mit Kindern zu arbeiten, macht mir große Freunde. Das Geld ist nicht so wichtig." Die Freude an der Arbeit stehe im Mittelpunkt, erklärte das Mädchen. Sie holte sich unter anderem ihre Infos am Stand der Fach- und Berufsfachschulen Donner und Kern.

Esther möchte vielleicht Erzieherin werden und Lars Jürkel (Mitarbeiter D & K Fach- und Berufsfachschulen) erklärte ihr, welche Inhalte diese Ausbildung hat.
Esther möchte vielleicht Erzieherin werden und Lars Jürkel (Mitarbeiter D & K Fach- und Berufsfachschulen) erklärte ihr, welche Inhalte diese Ausbildung hat. © Marion Doering

Ronja und Lea interessierten sich eher für eine Ausbildung im medizinischen Bereich. Beim Blutdruckmessen konnten sie erste Erfahrungen machen. Andere Schüler sammelten sich vor der Bäckerei Gnauck, wo der Chef Kostproben seiner Brote anbot. Das Epilepsiezentrum Kleinwachau warb mit einem 13. Gehalt und dem Kinderbonus um Azubis. Bei VPD konnten die Jugendlichen den Ausbildungsberuf des Zerspannungsmechanikers kennenlernen, auch dort sind Mädchen gern als künftige Azubis gesehen.

Unter den reichlich 100 ausstellenden Firmen war auch Infineon vertreten, die Polizei und die Bundeswehr, die Bavaria-Klinik ebenso wie der Ottendorfer Mühlenbäcker und der Caravan-Hersteller Capron aus Neustadt in Sachsen, das Transportunternehmen Unitrans sowie erstmals die Radeberger Exportbierbrauerei, welche den Jugendlichen ein Quizz und Preise auf Tischen aus leeren gestapelten Bierkästen anbot.

Kontakte knüpfen und diese auch halten

Die ausstellenden Firmen aus der Region bezahlten 40 Euro Standgebühr. Ministerpräsident Michael Kretschmer schaute sich viele Stände persönlich an, kam sowohl mit der Schüler-GmbH ins Gespräch als auch mit einigen Firmenvertretern. Er ließ es sich nicht nehmen, im "Hauptvogel-Lkw" die Hupe zu drücken.

Mit blauen Überziehern für die Schuhe, um den Turnhallenboden zu schonen, gingen Michael Kretschmer, der Bautzner Landrat Udo Witschas (CDU), der Ottendorfer Bürgermeister Rico Pfeiffer (parteilos) und der Vorstand des Gewerbevereins der Gemeinde Frank Bösemüller gemeinsam von Stand zu Stand durch die Turnhalle.

.Julia Rietscher näht Geldbeutel und Lesezeichen um den Kindern das Schneiderhandwerk näher zu bringen.
.Julia Rietscher näht Geldbeutel und Lesezeichen um den Kindern das Schneiderhandwerk näher zu bringen. © Marion Doering

Ziel für die meisten Firmen war es, Kontakte zu den Jugendlichen zu knüpfen und ihre Berufsfelder und damit auch die einzelnen Möglichkeiten einer Ausbildung anschaulich zu vermitteln. Viele lernen die künftigen Azubis bereits bei Schüler-Praktika und Ferienjobs an. Durch diese Kontakte entstehen künftig auch Lehrverträge - und die meisten Firmen wollen ihre Lehrlinge nach der Ausbildung auch übernehmen.

Bäcker Marlon Gnauck empfing die Jugendlichen mit bunten Broten.
Bäcker Marlon Gnauck empfing die Jugendlichen mit bunten Broten. © Marion Doering

Die nächste Berufsorientierungsmesse, auf die Beine gestellt von den "Messegeistern", wird im kommenden Jahr stattfinden - aber mehr als die 103 Aussteller passen beim besten Willen nicht auf das Gelände.