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Hoflieferant der Queen: Kunstblumenmanufaktur aus Wallroda sucht Nachfolger

Sogar die verstorbene Queen Elizabeth II. war Kundin: Die Wallrodaer Kunstblumenmanufaktur Steyer ist weltweit bekannt. Ihre Besitzer wollten sich schon lange zur Ruhe setzen. Doch es findet sich kein Nachfolger.

Von Rainer Könen
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Beinahe hätten die Steyers die Queen persönlich getroffen. "Wir waren seinerzeit zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen, mussten aber leider wegen Lieferterminen absagen", bedauert Heide Steyer. Hier zeigt die 78-Jährige auf ein Foto der englischen Königin,
Beinahe hätten die Steyers die Queen persönlich getroffen. "Wir waren seinerzeit zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen, mussten aber leider wegen Lieferterminen absagen", bedauert Heide Steyer. Hier zeigt die 78-Jährige auf ein Foto der englischen Königin, © Rainer Könen

Wallroda. Heide Steyer könnte sicher ein Buch schreiben. Darüber, was sie in den vergangenen Jahren bei der Suche nach einem Nachfolger für ihr Unternehmen erlebt hat. So viel Überraschendes und Bemerkenswertes sei das gewesen, "dass ich wohl sagen kann, dass mich eigentlich nichts mehr überrascht", sagt die Frau, die gemeinsam mit ihrem 79 Jahre alten Mann Gerald seit 1998 die Kunstblumenmanufaktur im Arnsdorfer Ortsteil Wallroda leitet.

Zu den bekanntesten Kunden gehören europäische Königshäuser, darunter das englische. Vor allem die Beziehung zu den Windsors ist eine sehr intensive. So war die Queen zu Lebzeiten eine der treuesten Kunden des Wallrodaer Unternehmens. "Wir beliefern schon die dritte Generation von Hutmachern der Royals", erzählt die 78-Jährige.

Weltweit bekanntes Unternehmen

Dass sich die Suche nach einem geeigneten Nachfolger so schwierig gestalten würde, hätte das Ehepaar nicht gedacht. Ob es am Anforderungsprofil liegt? Die Herausforderung liegt ja nicht nur darin, dass der Nachfolger die Geschäfte der Kunstblumenmanufaktur führen, sondern auch den kreativen Part von Heide Steyer übernehmen müssen.

Denn sie ist in dem weltweit bekannten Unternehmen für die Blüten-Kreationen zuständig. Es reicht also nicht aus, wenn sich da jemand mit Betriebswirtschaft auskennt. Vor allem wird eine Menge Kreativität verlangt.

Sollte sich in der nächsten Zeit wider Erwarten niemand finden und Steyers den Betrieb schließen müssen, bliebe europaweit nur noch eine Manufaktur in Paris, die Kunstblumen herstelle, erzählt Heide Steyer.

Kunstblumen als Accessoires für Hüte und Kleider - unter anderem für James Bond

Die Geschichte der heutigen Kunstblumenmanufaktur begann 1970 in Berlin. Damals übernahm das Ehepaar Steyer die in West-Berlin ansässige Blumen- und Federnfabrik Curt Morgenstern. Nach der Wende bemühten sich die beiden Geschäftsleute darum, einen Teil der Produktion nach Sachsen, in den damaligen volkseigenen Kunstblumenbetrieb Sebnitz, zu verlagern. Was jedoch an der Treuhand scheiterte.

1995 erwarb das Ehepaar einen Vierseithof in Wallroda. Nach Umbau und Sanierung des Hofes startete 1998 die Produktion in der kleinen Ortschaft. Die Kunstblumen, die dort angefertigt werden, sind als Accessoires für Hüte und Kleider gedacht.

Bei der Herstellung kommen Materialien wie Seide, Federn, Leder, Samt und Kork zum Einsatz, die mit traditionellen Handwerkstechniken zu künstlichen Blüten verarbeitet werden.

Neben dem europäischen Adel gehören auch Modemarken wie Valentino oder Christian Dior zu den langjährigen Kunden der Steyers. Sogar im Kino kann man die Blumen des Ehepaars bewundern. Blüten "made in Wallroda" waren in Hollywoodfilmen wie Titanic oder diversen James-Bond-Filmen zu sehen.

Ein fast ausgestorbenes Handwerk

Heide Steyer sucht einen Nachfolger für ihr deutschlandweit einzigartiges Unternehmen - doch verscherbeln will sie ihr Lebenswerk auch nicht.
Heide Steyer sucht einen Nachfolger für ihr deutschlandweit einzigartiges Unternehmen - doch verscherbeln will sie ihr Lebenswerk auch nicht. © René Meinig

Einblicke in die Geschichte dieses fast ausgestorbenen Handwerks bekommt man in der Schauwerkstatt, die auf dem Hof untergebracht ist. Hier zeigen Schautafeln, wie die Kunstblumen hergestellt werden. Vom Stanzen, Färben, Formen über das Montieren und Garnieren. Fachkräfte sind in dieser Branche ziemlich rar - was daran liegt, dass der Ausbildungsberuf des Blütenmachers in der Bundesrepublik bereits 1972 abgeschafft wurde.

Die Steyersche Manufaktur hatte in den zurückliegenden Jahrzehnten immer einen kleinen Mitarbeiterstamm, der bei Bedarf vergrößert wurde. Derzeit wird das Ehepaar noch von zwei Mitarbeitern unterstützt.

Die Nachfolgesuche geht weiter

Angesichts dieses internationalen Rufes sollte es doch eigentlich kein Problem sein, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Oder? "Interessenten hat es in den zurückliegenden Jahren etliche gegeben", erzählt Heide Steyer. "Aber irgendwas hat immer gefehlt."

Entweder fehlte es am Verständnis für dieses Handwerk oder die Bewerber hatten nicht das nötige Geld, um zu investieren. Oft haperte es an der Sprache. Mehrsprachigkeit sei ja das Nonplusultra in dieser Branche, betont Heide Steyer. "Angesichts unserer internationalen Geschäftsverbindungen sind Englisch und Französisch ein Muss."

Wenn man auch noch über Spanisch- und Italienischkenntnisse verfüge, umso besser. Ebenfalls unerlässlich seien entsprechende Umgangsformen - wichtig vor allem bei Kunden aus den europäischen Königshäusern und der Modebranche.

Lässt sie die Suche nach einem Nachfolger manchmal verzweifeln? Nein, das nicht, meint die gebürtige Oldenburgerin. Aber sie könne ihr gemeinsames Lebenswerk nicht so einfach so verscherbeln - und letztlich sei das auch "ein Großteil unserer Altersversorgung". Der Vierseithof mit der Manufaktur und der Schauwerkstatt, das 5.000 Quadratmeter große Grundstück.

Doch solange kein Nachfolger gefunden ist, wollen und können die beiden Wallrodaer nicht aufhören. "Es braucht einfach jemanden, der das alles hier wertschätzen kann", so Heide Steyer weiter. Aber der oder die ist (noch) nicht in Sichtweite.

Wer sich mit der Kunstblumenmanufaktur Steyer aus Wallroda in Verbindung setzen will, kann dies per E-Mail an [email protected] oder telefonisch unter 035200/23950 tun. Im Internet findet man sie unter www.steyer.eu.