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Auf Pirsch in den Elbauen

Reh, Wildschwein, Waschbär, Fuchs sind schon vor unseren Haustüren in Radebeul, Coswig und bis Meißen – und der Wolf ist auch nicht weit.

Von Peter Redlich
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In der Morgendämmerung lässt sich am Fluss viel entdecken. Bodo Pietsch ist Jagdpächter und sorgt mit weiteren Kollegen für weidmännische Ordnung. Was er ganz nah unserer Siedlungen in sehr frühen Stunden entdeckt, haben viele noch nicht gesehen.
In der Morgendämmerung lässt sich am Fluss viel entdecken. Bodo Pietsch ist Jagdpächter und sorgt mit weiteren Kollegen für weidmännische Ordnung. Was er ganz nah unserer Siedlungen in sehr frühen Stunden entdeckt, haben viele noch nicht gesehen. © Matthias Schumann

Radebeul/Coswig/Meißen. Die Fotos häufen sich in letzter Zeit. Fuchs im Garten und auf dem Anger, direkt am Wohnhaus in Altkötzschenbroda. Waschbärfallen, die beinahe täglich gefüllt sind. Wildschweine und Rehe unmittelbar an den Stadtsiedlungen. Die SZ war mit Jagdpächter Bodo Pietsch in den Elbauen auf Pirsch.

Ein normaler Wochentag. Es wird spät hell und früh dunkel. Jetzt im Winter in den dunklen Stunden Futter, um bei Kräften zu bleiben. Bodo Pietsch ist gemeinsam mit Ernst-Günther Gradl, Jens Opitz und Reinhard Nerger Jagdpächter in Radebeul. Sie haben sich das gesamte Stadtgebiet aufgeteilt und schauen freilich auch beim Nachbarn nach dem Rechten. „Starre Grenzen gibt es in der Wirklichkeit nicht“, sagt Pietsch, dessen Revier das Elbegebiet im südlichen Radebeul ist.

Marschiert bis in die Vorgärten der Anwohner in Radebeul. Füchse haben sich deutlich vermehrt.
Marschiert bis in die Vorgärten der Anwohner in Radebeul. Füchse haben sich deutlich vermehrt. © SZ Peter Redlich

Der Kötzschenbrodaer ist zweimal am Tag unterwegs. Morgens mitunter schon ab 3.30 Uhr. Dann schlafen die meisten noch. Das Wild fühlt sich ungestört auf der Futtersuche. Begleitet wird Bodo Pietsch von seinen zwei Hunden, einem großen Pudelpointer und einem kleinen Parson Russell Terrier. Letzteren hat es unlängst böse erwischt, als der in einem Gebüsch wühlte. „Er kam in hohem Bogen aus den Sträuchern geflogen. Eine Sau hat ihm einen deftigen Schlag versetzt. Gebrochener Kiefer. Eine dreistellige Summe beim Tierarzt“, sagt der Jagdpächter und streichelt seinen Weiß-Braunen, dem es inzwischen wieder gut geht.

Pietsch zeigt auf Wildschweinspuren in einem kleinen Wäldchen in den Elbauen vor dem Gewerbegebiet Fabrikstraße in Radebeul-West. Ringsum in den Wiesen bis Richtung Coswig sind Feinschmecker unterwegs. Rehe finden hier ihre gesuchten Gräser und Sprosse. Allerdings seit einigen Monaten auch immer wieder den Unfalltod auf der Brückenstraße.

Bodo Pietsch appelliert an die Stadt Radebeul, den Zaun an der Bienenwiese, westlich der Brückenzufahrt wieder zu errichten. Nachdem dort die Sträucher und jungen Bäume hochgewachsen waren und das Wild nicht mehr daran knabberte, ist die Drahtbarriere weggenommen worden. Die Rehe nutzen wieder ihre alten Wildwechsel und wollen über die Straße. „Auf die Züge der parallel führenden Bahnbrücke hatten sie sich eingestellt, aber auf die Autos, das schaffen sie nicht“, sagt Pietsch.

Die Hunde zerren und schnuppern auf Fährten. Das nächste gut besiedelte Wildgebiet ist ein eigentlich unscheinbarer Wildwuchs direkt vor der neuen Flutmauer südlich der Verzinkerei an der Fabrikstraße. In das hohe Gras und die wild-wuchernden Sträucher mit Nüssen, wilden Äpfeln und Mäusen wagt sich kaum ein Hund. Drinnen sind die Waschbären und Füchse zu Hause. Jede Menge Tiertrampelpfade, die rein- und rausführen, sind hier auszumachen. Typische Stellen, wie es sie auch nahe Meißen und Riesa gibt.

Beide Populationen haben besonders in den letzten zwei Jahren enorm zugenommen. „An manchem Morgen begegne ich bis zu acht Füchsen.“ Zwei Radebeulern, die hier in ihren Gärten Hühner halten, hat der Fuchs die Eierleger totgebissen. Waschbären sind dem Jagdpächter, allein in den letzten Wochen, Dutzende in die Fallen gegangen. Ein Fuchs ist an einem Nachmittag sogar auf den Dorfanger in Kötzschenbroda marschiert und hat die Passanten angeknurrt. Waschbären schmeißen Mülltonnen um, um an Futter zu gelangen. Manche Exemplare haben bis zu zehn Kilo Körpergewicht.

Bodo Pietsch ist wie an diesem Tag nahezu täglich in der „Wildnis“ vor unseren Haustüren unterwegs. Seit dem letzten Hochwasser 2013 gibt es keine Hasen mehr. Dafür haben sich vor allem die Waschbären explosionsartig ausgebreitet. Gerade im Elbtal. Gärtnern und Weinbauern werden sie zur Plage. Pietsch: „Sie pflücken die Trauben nicht, sondern reißen die Rebstöcke regelrecht kaputt. Bei manchem war es die halbe Ernte.“ Die Allesfresser plündern Vogelnester und fressen sich auf Komposthaufen durch. Faule Obstreste, Kürbisse, welche im Garten abgelagert werden, locken. Am schlimmsten seien Essensreste, die von Bürgern achtlos weggeworfen und vom Waschbären bis aus Papierkörben geholt werden.

Wie dem Herr werden? Pietsch zuckt die Schultern. „Wir können nur alles tun, sie nicht noch weiter in die Grundstücke zu locken.“ Die gefangenen Tiere töten die Jagdpächter waidgerecht mit dem Kleinkalibergewehr. Wer im Garten eine Falle aufgestellt hat, sollte den Jäger rufen und keinesfalls selber handeln. Das Waschbär-Entsorgen in Lenz kostet zwischen 10 und 25 Euro. Und der Wolf? Der ist schon ganz in der Nähe. Die Jäger haben die Spuren auf der linken Elbseite im Saubachtal gesehen. An einem Vormittag ist er dem Wirt der Neudeckmühle begegnet, so Pietsch. Und in Friedewald war er auch schon.