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Landwirt aus Coswig: Warum Agrarsubvention der falsche Begriff ist

Für den Biobauern Michael Görnitz sind nicht die Agrarförderungen klimaschädlich, sondern der geringe Selbstversorgungsgrad in Deutschland.

Von Martin Skurt
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Biobauer Michael Görnitz präsentiert seine regional produzierten Äpfel und erklärt, warum er den Begriff Subvention falsch findet.
Biobauer Michael Görnitz präsentiert seine regional produzierten Äpfel und erklärt, warum er den Begriff Subvention falsch findet. © Matthias Schumann

Coswig. Am Montag waren Tausende Bauern in Berlin, um gegen die Einsparungen der Bundesregierung im Agrarsektor zu demonstrieren. Dabei geht es darum, dass die Agrardiesel- und Kfz-Steuer-Subventionen gestrichen werden sollten. Eins von beiden ist mittlerweile vom Tisch, doch die Agrardiesel-Förderung soll bis 2026 abgeschafft werden, erklärt die Bundesregierung. Der Deutsche Bauernverband wiederum setzt sich auch weiterhin dafür ein und hat seine Mitglieder mobilisiert. Michael Görnitz von Bioobst Görnitz aus Neusörnewitz, einem Ortsteil von Coswig, befürwortet die Proteste.

Bauernproteste als Ventil für allgemeine Unzufriedenheit

Die Bauernproteste gehen über landwirtschaftliche Belange hinaus. Sie werden von allen Gewerken getragen, die produktiv tätig seien oder eine Dienstleistung anbieten, sagt Michael Görnitz. Dieser ganzheitliche Ansatz verdeutlicht, dass die Landwirte nicht nur für eigene Interessen auf die Straße gehen. Er stand auch am Montag vergangene Woche ab 4 Uhr mit seinen Mitarbeitern und drei Treckern auf der Altstadtbrücke in Meißen. Die Passanten wären zu 100 Prozent solidarisch gewesen. "Es ist sogar eine ältere Dame mit ihrem Rollator zu uns gekommen und hat uns Plätzchen gegeben. Sie sagte: Haltet durch."

Daneben sei der Protest auch ein Aufschrei von: "Wir wollen uns nichts mehr von Leuten vorschreiben lassen, die nicht sachkundig sind." Natürlich weiß Michael Görnitz, dass Landwirte fast nichts zum Bruttosozialprodukt beisteuern. "Aber wir erfüllen den ländlichen Raum mit Leben. Es würden sonst viele dörfliche Regionen versauern." Landwirtschaftsbetriebe sind ein großer Arbeitgeber in Deutschland. Jeder zehnte Arbeitsplatz ist der Landwirtschaft zu verdanken, wenn man vor- und nachgelagerte Bereiche dazuzählt, dem Agrarbericht der Bundesregierung zufolge.

Außerdem prägen Bauern Landschaftsbilder. Etwa die Hälfte aller Flächen in Deutschland beackert die Landwirtschaft. "Wir sind nicht nur Nahrungsmittelproduzent, sondern schaffen auch blühende Landschaften", sagt Görnitz. Er bräuchte gar keinen Obstbau zu betreiben, sondern könnte auch von Eintritten auf seinen grünen Flächen in Coswig leben.

Bauern arbeiten in prekären Verhältnissen

Zunächst sorgten die gestiegenen Lebensmittelpreise für höhere Gewinne in den Jahren 2022 und 2023. Laut Bauernverband waren das pro Betrieb und Jahr durchschnittlich 115.000 Euro. Subventionen schon eingerechnet. Trotzdem ist die wirtschaftliche Lage der Bauern prekär. Laut Bundesinformationsdienst Landwirtschaft verdienten Ackerbaubetriebe in den Jahren 2021 und 2022 rund 55.000 Euro brutto pro hauptberuflich Beschäftigten, Milchviehbetriebe knapp 52.000 Euro und Gemischtbetriebe rund 42.000 Euro. Ausreißer nach unten und oben gibt es ebenso.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Preise so schlecht wie noch nie zuvor seien, so Görnitz. Und die Förderpolitik habe sich geändert. "Die Anträge sind viel zu kompliziert." Deswegen hätten das auch nur wenige Bauern verfolgt. Somit fehlen je nach Betriebsgröße ein paar Tausend Euro. Wenn dann noch die Agrardiesel-Subvention und Kfz-Steuerbefreiung wegfalle, geht es an die Existenz von Betrieben, nach Aussagen von Michael Görnitz. Er frage sich zudem, ob Landwirtschaft in Deutschland überhaupt noch gewollt sei. Schon heute liegt in Deutschland die Selbstversorgerquote mit Obst nur bei 20 Prozent, Zahlen des Bundeszentrums für Ernährung zufolge.

Agrarsubventionen sind nicht klimaschädlich

Gerade die Förderungen für Agrardiesel sind für Biobauern besonders wichtig. "Wir sind viel öfter auf unseren Feldern und Flächen unterwegs, weil der Ökolandbau einen größeren Anteil an Hand- und Maschinenarbeit hat, der Wegfall der staatlichen Unterstützungen trifft uns also härter als konventionell arbeitende Bauern", so Michael Görnitz. Er könne nicht einfach Glyphosat auf die Felder spritzen. Also der Wegfall der Subvention torpediert praktisch das, was die Bundesregierung will: Den Bioanbau zu erweitern, meint der Biobauer.

Dabei muss er mit Vorurteilen kämpfen, dass er doch als Biobetrieb höhere Preise aufrufen könne. Das wäre zutreffend, wenn er diese selbst bestimmen könnte, sagt Michael Görnitz. Denn diese sind im hohen Maße vom Weltmarkt abhängig. Um konkurrenzfähig zu sein, müssen Bauern günstige Lebensmittel produzieren. Auch deswegen sind die Subventionen so existenziell. Wenn in Deutschland diese eingestellt werden, gehen Betriebe pleite und es muss mehr importiert werden. Das schädige nach seiner Meinung das Klima noch vielmehr.

Zudem seien die Subventionen ein "logischer Steuerkompromiss" der vergangenen Jahre, sagt der Firmenchef. Denn jeder, der ein Auto oder Traktor zulasse, bezahlt eine Steuer dafür, die Straße nutzen zu dürfen. "Also, wer viel fährt, muss viel Steuern bezahlen. Die Traktoren, wenn sie nicht gerade demonstrieren, sind immer auf dem Feld", betont Michael Görnitz. Er vermutet, dass 90 Prozent der Zeit die Bauern auf dem Feld fahren. Jedes Jahr entrichten Landwirte die Steuer in vollem Maße und erhalten im Folgejahr die Hälfte davon zurück. "Das ist unsere Steuerrückvergütung und keine Subvention."