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Interkultureller Garten in Coswig: Ein Rückzugsort für bedrohte Käfer

Coswig bereitet sich diese Woche auf den Bau des Grünen Westrings und des Bikeparks vor. Dabei muss ein Verein Flächen abgeben, die er zuvor genutzt hatte.

Von Martin Skurt
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Die Mitglieder des Vereins Interkultureller Garten bereiten die Fläche auf den Bau des Grünen Westrings vor. Auf der linken Seite sieht man noch den Geräteschuppen, der am Dienstag umgesetzt wurde.
Die Mitglieder des Vereins Interkultureller Garten bereiten die Fläche auf den Bau des Grünen Westrings vor. Auf der linken Seite sieht man noch den Geräteschuppen, der am Dienstag umgesetzt wurde. © Norbert Millauer

Coswig. Im Februar beginnt das Projekt "Grüner Westring" sowie "Bikepark" in Coswig nach mehreren Verzögerungen. Der Garten- und Landschaftsbau Pomoses aus Dresden ist seit Dienstag im Interkulturellen Garten in Coswig aktiv, um den Bau vorzubereiten und artenschutzrechtliche Vorgaben umzusetzen. Am Dienstag wurden die entsprechenden Bäume markiert und am Mittwoch sollen die Rodungen auf dem Gelände der Grünfläche starten. Diese wird seit 2008 von einem Verein ehrenamtlich bewirtschaftet und ökologisch aufgewertet. Etwa 5.000 Quadratmeter werden nun für den kommenden Rad- und Gehweg benötigt.

Der Coswiger Stadtrat beschloss vor einem Jahr das Projekt Grüner Westring. Ende September 2023 erhielt die Stadt dafür einen Fördermittelbescheid von über 600.000 Euro aus dem Bundesprogramm "MEI-eFAIR". Das gesamte Projekt kostet fast 800.000 Euro. Ziel ist es, die Verkehrswende durch klimaneutrale Verkehrsmittel zu unterstützen. Im Fall von Coswig bedeutet das den Bau eines Radwegs inklusive Beschilderung und einer elektronisch betriebenen Elbfähre in Coswig-Kötitz.

Der Grüne Westring stößt jedoch auf Kritik von Anwohnern und Unterstützern des Interkulturellen Gartens. Sie befürchten ökologische Verluste und Gefahren für die dort lebenden Eidechsen und Insekten durch den Radweg. Dr. Eberhard Bröhl, sachkundiger Einwohner im Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsausschuss der Fraktion Bündnis für ein nachhaltiges Coswig, äußert diese Bedenken öffentlich. Die Stadt Coswig hingegen sieht den Weg als wichtige verkehrssichere Verbindung abseits der Weinböhlaer Straße, der im Herbst 2025 befahrbar sein soll.

Garten ist wichtiger Lebensraum für geschützte Käfer

Die Vereinsmitglieder bereiten nun seit Tagen die Grünflächen vor, damit die Fällarbeiten der Dresdner Firma durchgeführt werden können. Sie mussten ihr Gerätehaus umsetzen und verschiedene Sträucher ausgraben, darunter auch mehrere Weinreben. Bei den Ausgrabungen fällt auf, dass der Boden humusreich ist. Er ist locker, krümelig und dunkelbraun bis schwarz und damit fruchtbar. Vereinsvorsitzende Cornelia Obst bedauert deshalb den Verlust dieser Fläche, ist aber froh, dass der Interkulturelle Garten weiterhin bestehen bleibt. Denn die Fläche gehört der Stadt Coswig und der Verein ist Pächter. Cornelia Obst muss sich aber keine Sorgen machen, dass ihr gekündigt wird. Oberbürgermeister Thomas Schubert (parteilos) betont bei vielen Gelegenheiten, dass er das Projekt unterstützt.

Der Garten bietet dabei nicht nur Pflanzen und Tieren einen Platz, sondern auch den Menschen. Viele Schulklassen aus Coswig und Dresden kommen regelmäßig vorbei, um Schmetterlinge und Zauneidechsen zu beobachten oder um Umweltbildung direkt zu erleben. Der Verein bietet auch verschiedene Workshops in Naturschutzbund in Sachsen, Osterbasteln und verschiedene Feste in Zusammenarbeit mit dem Verein Coswig Ort der Vielfalt an. Es gibt auch Fachvorträge zu verschiedenen Themen, wie zum Beispiel Ende Februar zu den Käfern im Garten.

Dr. Jörg Lorenz, Käfer- und Holzexperte, hat im letzten Jahr das Käfervorkommen im Interkulturellen Garten beobachtet und wissenschaftlich dokumentiert. In Sachsen gibt es über 4.200 Käferarten, von denen etwa 900 im Holz vorkommen. Im Coswiger Garten wurden 448 Käferarten gefunden, darunter neun gesetzlich besonders geschützte Arten und 39 Arten, die in Deutschland gefährdet sind. Der Garten ist ein wichtiger Lebensraum für geschützte und ökologisch wertvolle Käferarten. Maßnahmen wie das Belassen von "Restnatur" und die Anlage von Kleingewässern haben positive Auswirkungen. Der Garten hat nicht nur für Coswig, sondern auch überregional eine Bedeutung als Rückzugsort für seltene, gefährdete und geschützte Käferarten inmitten der städtischen Umgebung.

Forderung: Grünflächen in Stadtplanung nicht vergessen

Dieser Brutbaum im Interkulturellen Garten in Coswig sollen im Zuge des Grünen-Westring-Baus umgesetzt werden. Im Hohlraum gibt es einige Hinterlassenschaften des Rosenkäfers.
Dieser Brutbaum im Interkulturellen Garten in Coswig sollen im Zuge des Grünen-Westring-Baus umgesetzt werden. Im Hohlraum gibt es einige Hinterlassenschaften des Rosenkäfers. © Norbert Millauer

Einer von vier Apfelbäumen auf der ausgewiesenen Baufläche dient derzeit als gesicherte Brutstätte des Gemeinen Rosenkäfers, einer besonders geschützten Art. Die anderen Bäume könnten als Totholz-Pyramide an einem neuen Standort stehen. Der Lebensraum wäre dann für die nächsten zwei Jahrzehnte gesichert. Cornelia Obst ist froh über diese Maßnahme, gibt aber zu bedenken, dass es in Zukunft möglicherweise keine Flächen mehr gibt.

Grünflächen in Städten erfüllen neben dem Schutz von Käfern auch wichtige Aufgaben, die durch den Klimawandel immer wichtiger werden. Sie können das Klima regulieren, die Luftqualität verbessern und Lebensraum für geschützte Arten wie Zauneidechsen und Käfer bieten. Cornelia Obst möchte vermeiden, dass nachfolgende Generationen nicht mehr wissen, wie Käfer aussehen. Deshalb sollten Flächen wie der Interkulturelle Garten Coswig einen noch höheren Schutzstatus erhalten und verpflichtend mit Bauland geplant werden. "Wichtig ist, dass sie nicht vergessen werden", sagt die Vereinsvorsitzende. Deshalb setzt sie sich auch weiterhin als Stadträtin dafür ein, ökologische wertvolle Grünflächen künftig stärker in der Stadtplanung einzubeziehen.

  • Das gesamte Gutachten von Dr. Jörg Lorenz können Sie online selbst nachlesen.