SZ + Radebeul
Merken

True-Crime in Weinböhla: "Auf der Spur des Bösen"

Axel Petermann, Profiler und früherer Leiter einer Mordkommission, berichtet im Zentralgasthof von seinen spektakulärsten Fällen. Ein Abend für Krimi-Fans.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Kriminalist und Bestseller-Autor Axel Petermann ist am Donnerstag zu Gast in Weinböhla. In seiner Lesung lässt der 70-Jährige das Publikum miterleben, wie er Mordfälle aufklärt.
Kriminalist und Bestseller-Autor Axel Petermann ist am Donnerstag zu Gast in Weinböhla. In seiner Lesung lässt der 70-Jährige das Publikum miterleben, wie er Mordfälle aufklärt. © Stefan Kuntner/Jörg Schubert/SZ-Montage

Herr Petermann, ich verstehe Ihre frühere Arbeit als Kriminalist eher so, dass Sie viel im Verborgenen tätig waren. Was treibt Sie seit Jahren in die Öffentlichkeit?

Ehrlich gesagt, war ich schon als Kriminalist oft in der Öffentlichkeit unterwegs, um Verbrechen aufzuklären. Denn die Recherchen fanden immer wieder außerhalb des Büros statt. Für meine Ermittlungen musste ich immer wieder durch Deutschland touren, um zum Beispiel Zeugen zu befragen. Das nannten wir in der Mordkommission "Klinken putzen" oder "Hacken schieflaufen". Natürlich arbeitete ich trotzdem eher zurückgezogen. Das änderte sich in dem Moment, als ich Leiter der Mordkommission war und in Pressekonferenzen Informationen an die Öffentlichkeit weitergeben musste, um Hinweise aus der Bevölkerung zur Aufklärung von Verbrechen zu erhalten. Ich arbeitete also auf der Spur.

Später als Fall-Analytiker beschäftigte ich mich mit der Spur hinter der Spur. Das bedeutet, dass die Motivationen und Beweggründe der Täter für ihre Verbrechen sich in den Vordergrund drängten. Als mir bewusst wurde, dass bei den Ermittlungen zunehmend die gefundenen DNA-Spuren einen höheren Stellenwert einnahmen als das kriminalistische Vorgehen, entschloss ich mich, die Methodik der Öffentlichkeit vorzustellen, um das Wissen zu bewahren, und zwar anhand meiner Fälle. Erst mit wissenschaftlichen Sachbüchern und danach mit meinem Buch "Auf der Spur des Bösen. Ein Profiler berichtet" aus dem Jahr 2010, das mehr als 20 Wochen auf der Bestseller-Liste des Spiegels stand.

Mittlerweile arbeiten Sie nicht mehr für die Polizei, sondern für Angehörige und Anwälte, um ungeklärte Todesfälle aufzuklären. Wie unterscheidet sich diese Tätigkeit zu Ihrer früheren?

Sie ist leider eingeschränkter. Mir fehlt der Zugang zu den offiziellen Akten, und ich führe keine Vernehmungen im klassischen Sinne mehr durch. Ich muss mich also zunächst darauf verlassen, was andere erstellt haben, um es dann durch meine Arbeit zu komplettieren. Deswegen übernehme ich solche Fälle auch nur, wenn ich mindestens einen Teil der Akte zur Verfügung habe. Es macht keinen Sinn, sich nur auf die Aussagen der Angehörigen zu verlassen. Ich benötige also einen soliden Grundstock an Informationen, um ein Tatgeschehen einordnen zu können. Dafür suche ich auch immer den Tatort auf, auch wenn ein Verbrechen viele Jahre zurückliegt. Im Prinzip tue ich dasselbe wie früher als Fall-Analytiker. Ich suche neue Ansätze, um einen Mord aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Also setze ich mich vor die Unterlagen, lese das Obduktionsprotokoll, die Gutachten, werte die Tatortfotos aus und beginne so nach und nach in das Geschehen einzutauchen.

Was war denn einer ihrer spektakulärsten Fälle?

Das ist klar der Parkhaus-Mord in München. Der begleitet mich nun schon seit 2016. Eine schwerreiche Frau wurde 2006 erschlagen in ihrem Apartment gefunden. Schnell wurde ein Täter ermittelt, der Lieblingsneffe der Toten. Er saß seit 2006 im Gefängnis. Der verurteilte Mann bestritt vehement die Tat, woraufhin mich die Familie kontaktierte. Meine Ermittlungen stellen das damalige Urteil. Mittlerweile ist der Verurteilte nach 17 Jahren Haft wieder frei, eher ungewöhnlich in so einem Fall, da er wegen Mordes bei besonderer Schwere der Schuld verurteilt wurde. Womöglich könnten meine Erkenntnisse also dazu führen, dass der Fall als Wiederaufnahmeverfahren erneut vor Gericht verhandelt wird. Die Verteidigung hat inzwischen den dritten Antrag auf Wiederaufnahme gestellt.

Sind Sie auch mal mit Ihren Ermittlungen gescheitert?

Ja, natürlich. Das sind meist auch die tragischsten Fälle. Es gibt einen Fall, in dem ich einen Mann zu Unrecht 20 Jahre lang verdächtigt habe, die Besitzerin eines Tante-Emma-Ladens missbraucht und erwürgt zu haben. Ich war mir sicher, aber habe mich leider geirrt und konnte dann doch den wahren Mörder finden. Ein anderes Beispiel ist ein Doppelmord in Bremen und Bremerhaven, als zwei Frauen mit der derselben Waffe erschossen wurden. Es gibt bislang keine Anhaltspunkte, in welchem Zusammenhang die beiden Frauen standen. Das macht mich auch heute noch nachdenklich: Habe ich damals genügend Beweise gesammelt? Habe ich den falschen Ansatz gewählt? Als ich noch aktiv im Dienst war, habe ich mir regelmäßige Freiräume geschaffen, um weiter an meinen ungelösten Fällen zu arbeiten. Trotzdem hat es leider nicht immer geklappt, sodass ich mit mir unzufrieden war. Seit meiner Pensionierung arbeite ich nicht mehr an der Aufklärung, und ich konzentriere mich auf die aktuellen Fälle.

True-Crime ist ein gesellschaftlicher Trend. Können Sie sich erklären, warum andere solche Morde unterhaltsam finden?

Das liegt zum einen am Reiz des Bösen. Oder die Menschen interessiert es, weil ein Mord in ihrer unmittelbaren Umgebung begangen wurde. Natürlich gibt es auch eine gewisse Faszination von dem, wozu wir Menschen fähig sind, hoffen aber, dass wir nie Opfer von Morden werden könnten. Also auf der einen Seite wollen die Menschen etwas über einen Mord wissen, ohne ihn zu nah an sich herankommen zu lassen, auf der anderen Seite werden die Menschen zu Beobachtern anderer Lebensweisen und Kulturen, die ihnen sonst verschlossen blieben.

Jetzt noch eine nicht ernstgemeinte Frage: Könnten Sie den perfekten Mord begehen?

Nein, da wäre ich zu schusselig. Ich würde wohl versuchen, alles perfekt hinzukriegen. Ich weiß aber aus meiner Arbeit: Der Täter mag alles mehrmals in seinem Kopf durchgespielt haben, trotzdem können Reaktionen des Opfers oder der Zufall seine Pläne für ihn höchst unangenehm durchkreuzen.

Was erwartet das Publikum wiederum im Zentralgasthof in Weinböhla?

Auf jeden Fall werde ich in der fast zweistündigen Veranstaltung eine Mischung aus Lesung, Erzählen und Fragen aus dem Publikum anbieten. Es wird um viele Fälle gehen, die ich selbst bearbeitet habe. Dazu gibt es Unterstützung durch verschiedene Medien. Sei es ein etwa dreiminütiges Video über meine Arbeit als Fall-Analytiker, Tatortfotos ohne Leichen, Ausschnitte aus einem Interview mit einem Serienmörder, das ich für das ZDF geführt habe und sogenannte Fantasiediagramme dieses Mörders, die er über seine Gefühle bei seinen Taten gezeichnet und mir zur Verfügung gestellt hatte. Ich denke, dass dies ein True-Crime-Abend werden wird, wie ihn das Publikum in dieser Authentizität noch nie erlebt hat, da ich nur über meine eigenen Erfahrungen und Täterkontakte berichte und nicht als Zeuge vom Hörensagen.

  • Das Interview führte Martin Skurt.
  • "Im Auftrag der Toten", eine Lesung von Axel Petermann am 11. Mai, 20 Uhr, Zentralgasthof Weinböhla. Tickets kosten 23 Euro, 18 Euro ermäßigt.