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Die Stadt Radebeul trennt sich vom Gasthof Serkowitz, das Lügenmuseum aber bleibt

Radebeuls Stadtrat stimmte für den Verkauf des denkmalgeschützten Gebäudes. Der neue Eigentümer kommt aus Berlin und hat Pläne.

Von Silvio Kuhnert
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Seit elf Jahren ist Reinhard Zabka mit seinem  Lügenmuseum im ehemaligen Gasthof Serkowitz zu Hause. Weil die Stadt das Gebäude verkaufen will, bangte er, seine Ausstellungsräume zu verlieren.
Seit elf Jahren ist Reinhard Zabka mit seinem Lügenmuseum im ehemaligen Gasthof Serkowitz zu Hause. Weil die Stadt das Gebäude verkaufen will, bangte er, seine Ausstellungsräume zu verlieren. © Arvid Müller

Radebeul. Die Hängepartie um das Lügenmuseum in Radebeul ist beendet. Sein Domizil, den Gasthof Serkowitz, wird die Stadt zwar verkaufen. Doch Objektkünstler Reinhard Zabka kann mit seiner Sammlung kurioser Gegenstände in dem Gebäude verbleiben.

Dreimal hat die Verwaltung den ältesten Gasthof der Lößnitz zum Verkauf angeboten. Jedes Mal traf nur ein Gebot im Rathaus ein. Es stammt vom Berliner Autor und Kunstmäzen Wilhelm Ruprecht Frieling. Er ist bereit, den Mindestkaufpreis von 310.000 Euro auf das Konto der Stadt zu überweisen. "Ziel des Erwerbs ist, das Gebäude als Zentrum für freie Künstler und Kunst zu erhalten sowie dem derzeit dort befindlichen Lügenmuseum einen Fortbestand zu ermöglichen", schreibt Frieling. Hierzu möchte er eine Stiftung gründen.

Keine Sanierungsverpflichtung

Mit 18 Für- und drei Gegenstimmen sowie zehn Enthaltungen votierten die Stadträte für den Verkauf. Gleichzeitig stellen sie zwei Bedingungen auf. So wird im Grundbuch ein Vorkaufsrecht zugunsten der Stadt festgeschrieben. Das heißt, sollte Frieling oder die zu gründende Stiftung den Gasthof weiterverkaufen, kann die Stadt zuerst zugreifen. Außerdem schließen die Räte jegliche Zuschüsse aus dem Stadtsäckel für bauliche Erhaltungs-, Sanierungs- oder Instandsetzungsvorhaben aus. Die Sanierungskosten werden auf rund 3,5 Millionen Euro geschätzt. Eine Sanierungsverpflichtung geht Frieling nicht ein. Diese hatte die Stadt bei den ersten beiden Ausschreibungen noch gefordert, bei der dritten im Sommer dieses Jahres dann aber auf diese verzichtet.

Seit 2008 ist das Gebäude an der Ecke Kötzschenbrodaer Straße, Altserkowitz im Eigentum der Stadt. "Wir wollten damals den Zugriff auf das Objekt durch Dritte verhindern", erinnerte Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos). Das Rathaus hatte davon erfahren, dass angeblich Rechte den Gasthof erwerben und zum Versammlungsort machen wollten. Dem sollte vorgebeugt werden. Wendsche stellte noch einmal klar, dass nie die Absicht bestand, das Gebäude mit einer über 700 Jahre alten Geschichte dauerhaft im Eigentum der Stadt zu belassen oder dieses gar zu sanieren. Der Gasthof wurde im Jahr 1337 erstmals urkundlich erwähnt.

Chance oder Verfall?

Die Stadtratsfraktion Bürgerforum/Grüne/SPD begrüßt den Verkauf an Frieling. "Wir sehen hier eine große Chance für die Stadt", sagte deren Chefin Eva Oehmichen. Von dem Gebäude aus könnten Radebeuler und Künstler aus dem Umfeld wirken. Der Ort solle auf mehreren Standbeinen stehen, nicht nur als Lügenmuseum, so Oehmichen. Frieling möchte im Rahmen einer Stiftung den Gasthof zu einer Art Kulturpalast entwickeln. Laut seinem Konzept ist die Liegenschaft als Ort für nationale und internationale Ausstellungen, als Stätte für Lesungen, Sprech- und Musiktheater vorstellbar.

Der Großteil der CDU-Stadträte enthielt sich der Stimme. Wegen der ausbleibenden Sanierungsverpflichtung haben sie die Sorge, dass dem Gebäude das gleiche Schicksal ereilt wie dem Bahnhof in Radebeul-West, informierte Peter Müller. Das Bahnhofsgebäude verfällt zusehends.

Auch die AFD-Stadtratsfraktion stimmte mit Enthaltung. "Wir hätten uns eine Nutzung als Gaststätte gewünscht", sagte deren Chef René Hein und führte fort: "Man kann niemanden zwingen zu kaufen und zu sanieren."

Kein Museumsstatus

Das Kuriositätenkabinett von Reinhard Zabka ist nicht unumstritten. An den dort ausgestellten Objekten scheiden sich die Geister. Vor fünf Jahren erkannte das Dresdner Verwaltungsgericht Zabka den Museumsstatus für seine Ausstellung nicht an. Dieses folgte damit der Argumentation der Landesstelle für Museumswesen. Die Chemnitzer Behörde hält Zabkas Einrichtung zwar für ein Gesamtkunstwerk. Aber sein Musentempel erfülle nicht die gleichen kulturellen Aufgaben wie öffentliche Museen und Kunstsammlungen. Konkret sehen die Richter das Kriterium des Bewahrens, sprich Kunst für die Nachwelt gezielt zu sammeln und zu erhalten, nicht erfüllt. So mangelt es dem Lügenmuseum an der Gleichwertigkeit einer staatlichen oder kommunalen Kunstsammlung, die im öffentlichen Interesse Kunstwerke für die Allgemeinheit aufkauft und bewahrt.

"Zabka kann nicht jeden überzeugen", meint daher auch Uwe Wittig. Er erinnerte an die langen Diskussionen im Stadtrat, was mit dem Gasthof und dem Lügenmuseum passiert. Seit 2012 ist es in Radebeul beheimatet. Wittig verwies ausdrücklich auf eine Formulierung in der Beschlussvorlage, in der das Lügenmuseum "als mittlerweile kulturelle Institution" bezeichnet wird. Die Freien Wähler stimmten für den Verkauf. So auch die Fraktionen FDP und Linke, die Frieling und seinem Projekt viel Erfolg wünschten.

Seine heutige Gestalt erhielt der ehemalige Gasthof Serkowitz im 19. Jahrhundert. 1862 erwarb Friedrich August Huhle das Anwesen, ließ in der Folge die alten Gebäude abbrechen und das jetzige Gasthaus in massiver Bauweise neu errichten (Schlussstein von 1869). 1877 erfolgte der Anbau des großen Saals, der 1899 noch vergrößert wurde. Das Objekt steht unter Denkmalschutz. Für den Verbleib des Lügenmuseums kämpfte Zabka und startete im vorigen Jahr eine Online-Petition, die 1.433 Unterstützer fand, davon 276 in Radebeul. Zur Unterstützung hatte der Radebeuler Kulturverein einen Offenen Brief initiiert, den 366 Personen unterzeichneten.