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Im Sommer wird im Kreis Meißen gegen häusliche Gewalt und Stalking plakatiert

Seit 20 Jahren besteht die Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking in Radebeul. Mit einer Aktion will sie auf sich und Gewaltformen aufmerksam machen. Denn es gibt mehr als physische Härte.

Von Silvio Kuhnert
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Sparkassenvorstand Rainer Schikatzki (l.) und Landrat Ralf Hänsel (r.) übergeben einen Spendenscheck an zwei Beraterinnen gegen häusliche Gewalt und Stalking für eine Plakataktion im Sommer.
Sparkassenvorstand Rainer Schikatzki (l.) und Landrat Ralf Hänsel (r.) übergeben einen Spendenscheck an zwei Beraterinnen gegen häusliche Gewalt und Stalking für eine Plakataktion im Sommer. © René Plaul

Radebeul. Ob Kühlschrank, Herd oder Spülmaschine - plötzlich kommt der Papa in die Wohnung und baut alle elektronischen Geräte ab. Seine zehn Jahre alte Tochter und die Mutter können jetzt keine warmen Speisen mehr machen. Und warum? Die Eltern des Mädchens leben in Trennung.

Andere Frauen werden von ihren Ehemännern ständig gedemütigt, bekommen ständig gesagt, sie seien nichts wert. Oder er droht ihnen, die Kinder wegzunehmen, oder er will dafür sorgen, dass ihr das Umgangsrecht durch einen Richter untersagt wird.

Gewalt an Frauen äußert sich nicht immer in physischer Form durch Schläge oder im schlimmsten Fall durch Totschlag oder Mord. Oft zeigt sie sich im Alltag auf psychologische Weise, beispielsweise durch ein ungesundes Abhängigkeitsverhältnis, in dem das Selbstwertgefühl der Frau permanent gebrochen wird. Von den unterschiedlichsten Arten häuslicher Gewalt bekommen die drei Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle in Radebeul zu hören.

Über 270 Betroffene im vorigen Jahr

Gewalt in der Familie betrifft alle gesellschaftlichen Schichten. Auch die Ehefrau eines Mediziners kann darunter sein, die trotz der erlebten Gewalt ihren Mann nicht verlässt. Denn er ist bei seinen Patienten, in der Nachbarschaft sowie dem sozialen Umfeld hoch angesehen. Seine Frau hat Angst, dass man ihr nicht glaubt, wenn sie von dessen zweiten Gesicht berichtet, das er nur in den privaten vier Wänden zu Hause zeigt.

Am Dienstag bekam die Beratungsstelle in Radebeul Besuch von Landrat Ralf Hänsel (CDU) und Rainer Schikatzki, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Meißen. Dabei hatten sie einen Spendencheck in Höhe von 4.000 Euro. Mit dem Geld unterstützen sie eine Plakataktion des Sozialdiensts katholischer Frauen, den Trägerverein der Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking.

Die Beraterinnen sind im Vereinshaus an der Ecke Bor-, Dr.-Külz-Straße anzutreffen und ihr Angebot besteht seit 20 Jahren. Im vergangenen Jahr halfen sie 273 Betroffenen, darunter 25 Kinder- und Jugendlichen, die Gewalt zwischen den Eltern miterlebten. Im Berichtsjahr 2022 verzeichnete die polizeiliche Kriminalstatistik 157.818 Opfer von Partnerschaftsgewalt in Deutschland, was einem Anstieg von fast zehn Prozent entspricht. Das sind die aktuellsten Zahlen, die dem Beraterteam in Radebeul vorliegen. Namentlich genannt möchten sie nicht werden. Auch sie erleben Bedrohungen und Beleidigungen wegen ihrer Beratungstätigkeit.

Gewalt getarnt als Liebe

Die Statistiken enthalten nur die Fälle, bei denen Frauen nach Hilfe suchen. Die Dunkelziffer ist weit höher. Deshalb möchte die Beratungsstelle für den Landkreis Meißen im 20. Jahr ihres Bestehens mit der Plakataktion neue Wege gehen. Gewalt in der Partnerschaft ist nach wie vor ein Tabuthema und stark von einer Dynamik des Schweigens und der Isolation geprägt.

Um dies zu ändern, werden im Juni insgesamt 37 Großflächenplakate und 31 sogenannte City-Light-Poster der Firma Ströer wahrnehmbar an Straßen und Plätzen im Landkreis Meißen aufgehängt. "Zum einen soll deutlich werden, dass es hier spezialisierte Hilfe gibt: eine Beratungsstelle, die bei jedem Schritt auf dem Weg in ein gewaltfreies Leben unterstützt", informiert das Beratungsteam. Andererseits soll für häusliche Gewalt in ihren subtilen Formen sensibilisiert werden.

"So wird auf den Plakaten nicht wie üblich körperliche Gewalt thematisiert, sondern andere Möglichkeiten, Macht und Kontrolle in einer Beziehung auszuüben", heißt es weiter. Denn oft werden die ersten Anzeichen einer gewalttätigen Beziehung nicht erkannt, weil Kontrolle als Liebe getarnt wird. Die Digitalisierung bietet mittlerweile vielfältige Möglichkeiten, den Partner oder die Partnerin zu orten oder auszuspionieren.

Indem psychische Gewalt klar als Grenzüberschreitung benannt wird, sollen sich auch Täter und Täterinnen von den Plakaten angesprochen fühlen. Zu oft bleibt häusliche Gewalt unentdeckt und für Täter und Täterinnen ohne Konsequenzen. Die Beratungsstelle plädiert dafür, diese in die Verantwortung zu nehmen, denn häusliche Gewalt sei keine Privatsache. Zu 80,1 Prozent sind die Betroffenen Frauen. Neben Radebeul haben die Beraterinnen noch eine Außenstelle in Riesa.

Die Beratungsstelle ist unter der Telefonnummer 0351 7955 2205 zu erreichen.