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Traditionsbahner hoffen auf Karl-May-Fahrten in königlicher Holzklasse

Der Traditionsbahnverein musste die gespielten Zugüberfälle absagen, weil das Ballern mit Platzpatronen untersagt wurde. Zwischen Stadt und Kreis gibt es Gespräche. Diese stimmen optimistisch, auch für die Karl-May-Festtage.

Von Silvio Kuhnert
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Keinen Lage- , sondern einen Bauplan halten Traditionsbahner Lukas Kuntzsch, Uwe Schreiber und René Leder (v.l.) im alten E-Werk in der Hand. Dort bauen sie einen historischen Waggon wieder auf. 2024 soll er rollen, gern auf einer Karl-May-Fahrt.
Keinen Lage- , sondern einen Bauplan halten Traditionsbahner Lukas Kuntzsch, Uwe Schreiber und René Leder (v.l.) im alten E-Werk in der Hand. Dort bauen sie einen historischen Waggon wieder auf. 2024 soll er rollen, gern auf einer Karl-May-Fahrt. © Arvid Müller

Radebeul. Der Schock saß tief im vorigen Sommer bei den Traditionsbahnern in Radebeul, als der gespielte Zugüberfall auf die beliebte Karl-May-Fahrt durch das Kreisordnungsamt untersagt wurde. Die Behörde des Landratsamtes in Meißen pochte darauf, dass der Gebrauch von Kartuschenmunition, Platzpatronen, außerhalb von Schießständen einer Genehmigung bedurfte. Außerdem kannte sie die Veranstaltung des Traditionsbahnvereins sowie der "Outlaws", unter anderem gespielt von Mitgliedern des Meißner Schützenvereins 1460, nicht als Theateraufführung an.

Die daraufhin notgedrungene Absage der beiden geplanten Karl-May-Fahrten verhagelt die Bilanz der Traditionsbahner für das Jahr 2022. Rund 15.000 Fahrgäste konnten sie in ihren historischen Waggons begrüßen, ein Zuspruch wie in den Vor-Corona-Jahren. "Mit den Karl-May-Fahrten wäre das Ergebnis noch besser gewesen", sagt deren Eisenbahnbetriebsleiter René Leder.

Seit 30 Jahren hat der Verein gemeinsam mit den "Outlaws", die auch die Zugüberfälle zu den Karl-May-Festtagen spielen, diese Sonderfahrten organisiert. Bei Bad Sonnenland auf Moritzburger Flur springen als Cowboys gekleidete Mitglieder von Schützenvereinen mit Pistolen und Gewehren hinter Gebüschen hervor. Es knallt und Pulverdampf steigt auf, wenn sie versuchen, den Zug auszurauben. Als im vorigen Juni eine Karl-May-Fahrt nach der pandemiebedingten Zwangspause anstand, schaltete sich kurz vorher das Kreisordnungsamt ein. Deren Mitarbeiter bemängelten, dass kein Antrag auf Erlaubnis des Schießens mit Platzpatronen vonseiten des Meißner Schützenvereins 1460 vorlag. Zudem verwiesen sie darauf, dass die Interessengemeinschaft der Outlaws weder Darsteller noch Schauspieler, sondern Sportschützen seien.

Gespräche zwischen Stadt und Landratsamt

Außerdem machten die Ordnungsamt-Mitarbeiter Sicherheitsbedenken beim Gebrauch von Platzpatronen geltend. Nach Auswertung von Videoaufzeichnungen nahmen sie ein wildes Herumgeballere wahr. Auch die dabei entstehende Lautstärke von bis zu 140 Dezibel machten sie als Problem aus und kritisierten, dass die Fahrgäste, insbesondere Kinder, keinen Gehörschutz trugen.

"In diesem Jahr verzichten wir auf die Karl-May-Fahrten", informiert Lukas Kuntzsch, dritter Vorsitzender des Traditionsbahnvereins. Doch die Hoffnung, dass die bei den Fahrgästen beliebten Sonderfahrten mit den Zugüberfällen 2024 wieder stattfinden können, lebt. Denn das Kulturamt der Stadt Radebeul hat sich des Themas angenommen, da auch die Überfälle bei den Karl-May-Festtagen von schärferen Restriktionen betroffen sind. Gespräche zwischen der Radebeuler Stadtverwaltung und dem Kreisordnungsamt laufen, wie die Tradition künftig fortgesetzt werden kann. Noch ist ein Ergebnis nicht spruchreif. Doch die Rauchzeichen stimmen die Traditionsbahner "vorsichtig optimistisch", wie Eisenbahnbetriebsleiter René Leder informiert.

Wenn alles gut läuft, könnten im nächsten Jahr die Fahrgäste in einem der ältesten noch erhaltenen Eisenbahnwagen Sachsens Platz nehmen. Das gute Stück mit 48 Sitzplätzen ist Baujahr 1914. "Es ist ein Vierte-Klasse-Waggon" berichtet Kuntzsch. Über viel Komfort verfügte er nicht. Die Sitzbänke sind einfach nur aus Holz, weshalb dieses Abteil auch Holzklasse genannt wurde. Bis 2016 war der Waggon im Dienst. Doch dessen Zustand war zuletzt nicht der Beste. Die Holzaufbauten waren verfault. Das Fahrgestell rostete.

Abschied von einer Lok

In der Halle des ehemaligen E-Werkes, wo der Traditionsbahnverein seine Geschäftsstelle hat, nimmt der Wagen wieder Gestalt an. Die 120 Vereinsmitglieder, davon 50 Aktive, sind dabei, den Waggon so herzurichten, wie er zu Zeiten von Sachsens letztem König Friedrich August III. durch die Lande fuhr. Corona hat das Vorhaben jedoch erheblich ausgebremst. Ursprünglich sollte der Wiederaufbau Ende 2020 abgeschlossen sein. Doch durch die Kontaktbeschränkungen war Monate lang an gemeinsamen Arbeitsstunden nicht zu denken. "Aber der Tischler hatte Zeit", so Kuntzsch. Nun nach dem Ende aller Einschränkungen könnten die Vereinsmitglieder beim Waggonbau richtig loslegen, doch die in einer Tischlerei gefertigten Holzteile lassen auf sich warten. Quasi das "Skelett" steht dennoch bereits auf dem Fahrgestell. Stützen und Balken lassen die Konturen des Aufbaus schon gut erkennen.

Mit 69 Zügen sind die Traditionsbahner im vorigen Jahr gefahren. Auf ihren Fahrten legten sie rund 900 Kilometer zurück. Die diesjährige Fahrsaison beginnt Ostern. An dem langen Wochenende vom 8. bis 10. April 2023 rollt der Traditionszug jeweils zweimal täglich von Radebeul-Ost nach Moritzburg zur Ostereierwiese. Anfang Mai folgt eine Abendfahrt. Sie ist am sechsten Tag des Monats als Alternative und Ersatz für die Karl-May-Fahrt gedacht. Der Traditionszug fährt von Radebeul bis Friedewald Bad. Am Roten Haus am Dippelsdorfer Teich erleben die Fahrgäste den Sonnenuntergang.

Tags darauf, 7. Mai 2023, bricht die Lok IV K Nr. 132 zu ihrer Abschiedsfahrt auf. Nach acht Jahren muss sie zur Revision, auch als Hauptuntersuchung bekannt. Bei dieser wird das Dampfross komplett auseinandergenommen. Aber keine Angst. Die Traditionsbahner verfügen über zwei Züge. Und während eine in der Werkstatt in Einzelteile zerlegt und wieder aufgebaut wird, dampft die andere durch den Lößnitzgrund. Dort ist sie während der Karl-May-Festtage sowie im Laufe des Jahres unter anderem zum Schmalspurbahnfestival im September, während des Fisch- und Waldfestes im Oktober sowie den Fahrten im Advent im Einsatz.

Kohle deutlich teurer

Im Schnitt rund 0,8 Tonnen werden auf Hin- und Rückfahrt von Radebeul-Ost nach Radeburg verheizt. Bei circa 40 Tonnen lag der Verbrauch im vorigen Jahr insgesamt. Die Kohle beziehen die Traditionsbahner über die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft. Und in diesem Jahr müssen sie deutlich tiefer in die Vereinskasse greifen. 700 Euro kostet jetzt eine Tonne. Durch die allgemeinen Preissteigerungen und der Kohlendioxid-Besteuerung hat sich der Beschaffungspreis verdreifacht.

Über die Fahrpreise werden diese Mehrkosten nicht zu den Passagieren durchgereicht. Die Ticketpreise bleiben stabil, wie Lukas Kuntzsch informiert. Diese Stabilität ist unter anderem der Förderung durch den Kulturraum sowie durch die Stadt Radebeul zu verdanken. Nur für die Charterzüge, beispielsweise zum Geburtstag oder zu einer Hochzeit, musste der Verein die Preise anheben.

Bereits jetzt kündigt sich ein großes Jubiläum an. Im Jahr 2024 feiert der Traditionsbahnverein sein 50-jähriges Bestehen.

www.traditionsbahn-radebeul.de