SZ + Radebeul
Merken

Knatsch um Kolbe-Villa geht weiter

Im Radebeuler Rathaus sind zwei Bauanträge für das Gebäude im Stil eines Renaissance-Schlosses eingetroffen. Der Stadtrat will Bauarbeiten verhindern.

Von Silvio Kuhnert
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jetzt im Winter ist der Blick auf die Prachtvilla frei. Im Sommer verdeckt Wildwuchs die Villa. Sie gleicht dann einem Dornröschenschloss.
Jetzt im Winter ist der Blick auf die Prachtvilla frei. Im Sommer verdeckt Wildwuchs die Villa. Sie gleicht dann einem Dornröschenschloss. © Arvid Müller

Radebeul. Das Tauziehen um die Entwicklung der immer mehr verfallenden Villa Kolbe geht in eine neue Runde. Die Stadt Radebeul möchte den Backsteinbau im Neorenaissance-Stil samt dem dazugehörigen Park an der Zinzendorfstraße in der jetzigen Form erhalten wissen, beides restauriert natürlich. Die Eigentümer wollen dagegen die Villa durch einen Anbau erweitern sowie auf dem Grundstück einen Neubau errichten. Nur so lasse sich das denkmalgeschützte Objekt in eine neue Nutzung bringen, über die sich die aufwendige Sanierung auch finanzieren lässt, argumentieren sie.

Den Streit, der bereits dicke Gerichtsordner füllt, scheint der jüngste Richterspruch nicht beschwichtigen zu können. Im Gegenteil: Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen. Der Stadtrat hat auf seiner jüngsten Sitzung über das große Eckgrundstück südlich der Meißner Straße zwischen Zinzendorfstraße und Rathenaustraße ein Bauverbot verhängt. Die sogenannte Veränderungssperre gilt zunächst für zwei Jahre beziehungsweise bis der Bebauungsplan (kurz: B-Plan) mit der Nummer 85 "Zinzendorfstraße 16" fertig ist.

Anbau und Mehrfamilienhaus

Der Geltungsbereich dieses B-Plans umfasst allein das Grundstück mit dem ehemaligen Landhaus des Chemikers Carl Kolbe, das 1890/91 nach Entwürfen des Berliner Architekten Otto March errichtet wurde. Die Villa umgab einst ein großzügiger englischer Garten. Dieser ist jedoch total verwildert. Stadtrat und Verwaltung wünschen sich, dass das einstige Schmuckstück im neuen Glanz erstrahlt, die stadtbildprägende denkmalgeschützte Villa und der umgebende Park in seiner jetzigen Struktur erhalten bleiben. Die Kolbe Villa samt Garten stehen als Kulturdenkmal auf der Denkmalschutzliste des Freistaats.

Anlass für das Bauverbot sind zwei Bauanträge. Der eine zielt auf einen Anbau an der Villa ab, der andere auf einen Neubau an der Rathenaustraße. "Sie beinhalten das Gleiche aus dem Vorbescheid", informiert Baubürgermeister Jörg Müller (parteilos). Vor allem der Neubau stößt im Rathaus auf Ablehnung, weil dadurch der Park arg in Mitleidenschaft gezogen werde.

Anfangs positive Signale

Bei den Eigentümern der Villa Kolbe handelt es sich um die Zinzendorfstraße 16 GbR. Die in München ansässige Eigentümergesellschaft plant, auf dem Areal eine Wohnanlage für Senioren zu errichten. Die stattliche Villa soll hierfür um einen Anbau mit einem Grundriss von 15 mal 15 Metern sowie vier Geschossen vergrößert werden. Zudem ist der Neubau eines Mehrfamilienhauses an der Rathenaustraße vorgesehen.

Anfangs standen Stadt und Denkmalschützer dem Ansinnen positiv gegenüber. Eine im Jahr 1999 eingereichte Bauvoranfrage erhielt ein positives Echo. So ein Bescheid hat jedoch ein Verfallsdatum. Wenn er nicht in einen Bauantrag und eine Realisierung mündet, muss der Bauvorbescheid alle drei Jahre verlängert werden. Die Eigentümer stellten entsprechende Anträge wiederholt, die auch mehrmals grünes Licht bekamen.

Erhalt des Kulturdenkmals ist oberstes Ziel

Allerdings setzten bei Verwaltung und Denkmalschützern ein Umdenken ein. Sie wollen den Park in seiner jetzigen Größe bewahren. Der Erhalt des Kulturdenkmals bekam Priorität. Der im Jahr 2014 eingereichte Verlängerungsantrag für den Bauvorbescheid wurde abgelehnt. Um dem Nachdruck zu verleihen, fiel im Stadtrat im Jahr darauf der Beschluss zum Aufstellen des bereits erwähnten Bebauungsplanes.

Diese Entscheidung schmeckt den Eigentümern nicht. Sie pochen auf eine Verlängerung des Bauvorbescheids und fordern auf dessen Grundlage eine Baugenehmigung ein. Sie zogen daher schon einmal vor den Kadi. Am Verwaltungsgericht bekamen sie Recht. Nach Ansicht der Verwaltungsrichter fügt sich der Neubau in die Umgebung ein und eine Baugenehmigung ist zu erteilen. Dieser Richterspruch fiel im Jahr 2019.

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts steht noch aus

Die Stadt ging in Widerspruch und zog vor das Oberverwaltungsgericht in Bautzen. Die obersten Verwaltungsrichter in Sachsen gaben ihr recht und kassierten das Dresdner Urteil. Die Oberverwaltungsrichter haben zwar den weiteren Klageweg nicht zugelassen. Aber die Eigentümer legten vor dem Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittel gegen das Urteil ein und haben einen Antrag auf Zulassung einer Revision gestellt. Eine Entscheidung hierzu sei noch nicht gefallen, informiert Baubürgermeister Müller.

Wegen des Rechtsstreits ruhte bislang das Bebauungsplanverfahren. Die Stadt ist zwar bereit, einen kleineren Anbau zuzulassen. Jedoch einen separaten Neubau lehnt sie auf dem Grundstück ab. Die Eigentümer sind jedoch der Auffassung, dass der Bauvorbescheid aus dem Jahr 1999 sowie das damalige Okay weiterhin Gültigkeit haben. Durch den erstinstanzlichen Sieg vor dem Dresdner Verwaltungsgericht fühlen sie sich darin bestätigt.

Unabhängig von der noch offenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts streben die Eigentümer offenbar ein neues Gerichtsverfahren an. Denn das Bauverbot werden sie nicht unwidersprochen hinnehmen.