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"Mein Pflug ist der Regenwurm"

Viel Regen und viele Überlegungen zur Zukunft der Landwirtschaft - Besuch beim Brockwitzer Bauern Matthias Grosser.

Von Udo Lemke
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Landwirt Matthias Grosser prüft auf einem Feld bei Brockwitz an Maispflanzen das Wachstum. Bedingt durch die teils kühle Witterung im Frühjahr und nachfolgend den vielen Regen, verschiebt sich der Erntebeginn, dennoch erwartet er gute Erträge.
Landwirt Matthias Grosser prüft auf einem Feld bei Brockwitz an Maispflanzen das Wachstum. Bedingt durch die teils kühle Witterung im Frühjahr und nachfolgend den vielen Regen, verschiebt sich der Erntebeginn, dennoch erwartet er gute Erträge. © Arvid Müller

Kühle Witterung und der viele Regen würden den sächsischen Bauern die Ernte erschweren und die Erträge sinken lassen. Das schlechte Wetter führe dazu, dass die Bauern im Freistaat nur schleppend vorankämen und es auf matschigen Äckern ständig zu Verzögerungen komme, sagte ein Sprecher des Sächsischen Landesbauernverbands in Dresden kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Landesamtes reduzierten sich danach die Erträge beim Roggen im Vergleich zum besseren Erntejahr 2020 um 23 Prozent. Bei der Sommergerste seien es 14 Prozent weniger gewesen. Und mit sieben Prozent Rückgang erzielte der Raps demnach sogar das schlechteste Ergebnis seit zehn Jahren.

Auf Nachfrage bei Matthias Grosser, Landwirt im Coswiger Ortsteil Brockwitz, werden diese Aussagen nur teilweise bestätigt. Natürlich habe es in diesem Sommer deutlich mehr geregnet als im vergangenen Jahr, von den beiden vorangegangenen Sommern 2019 und 2018 einmal ganz zu schweigen. Auch der Deutsche Wetterdiensts vermeldete, dass es in Sachsen im Juli deutlich mehr geregnet habe, als für diesen Sommermonat üblich. Aber von Überschwemmungen auf seinen Feldern - Matthias Grosser bearbeitet rund 100 Hektar eigenen und gepachteten Landes - könne trotzdem nicht die Rede sein. Der Landwirt macht dafür die Lage der Flächen im Elbtal verantwortlich. „Bei uns gab es keinen Starkregen mit 60 oder 80 Litern in kurzer Zeit.“ Auch seien die Böden, bedingt durch die Trockenheit der Vorjahre, sehr aufnahmefähig. „Jetzt sind die oberen Schichten feucht, aber der Boden ist noch lange nicht übersättigt.“

Breite Reifen helfen

Dass man im Frühjahr wegen der Nässe mal ein paar Tage mit dem Traktor nicht aufs Feld könne, sei normal. Ansonsten behilft sich Matthias Grosser damit, dass er sowohl die Traktoren als auch die Hänger mit breiten Reifen fährt und bei den Zugmaschinen mit weniger Reifendruck. Denn generell gehe es darum, den Druck auf die Böden zu verringern, um eine übermäßige Verdichtung zu vermeiden. Und dann fügt der Landwirt an, dass er seine Böden seit 1993 pfluglos bearbeitet. Dadurch halte sich das Wasser besser als wenn die Erde umgebrochen und blank daliege, ganz abgesehen davon, dass die Bodenerosion verringert wird. „Als 2002 die große Elbeflut war, wäre viel mehr Erde verloren gegangen, wenn die Böden gepflügt gewesen wären.“

Allerdings müsse man bei der pfluglosen Bearbeitung darauf achten, dass sich keine Nässe staue und auch die Neusaat auf Böden, die nur gescheibt und gegrubbert sind, stelle einige Anforderungen. „Mein Pflug ist der Regenwurm“, erklärt Matthias Grosser. Aber auch der müsse gefüttert werden, dabei helfen Stroh oder Zwischenfrüchte, die den Würmern Nahrung bieten. „Als ich hier wegen des Baus der Erdgasleitung Archäologen da hatte, haben sie gesagt, dass sie noch nie so viele Regenwürmer in einer Fläche gesehen hätten.“

Mais steht gut

Und wie sieht es nun mit der Ernte in diesem Jahr aus? „Beim Weizen hätte ich aufgrund des Regens einen höheren Ertrag und eine bessere Qualität erwartet“, sagt der Landwirt. Der Mais hingegen stehe sehr gut, sei schon fast zu hoch gewachsen. Ansonsten sind Hopfenpflanzen die Spezialkultur von Matthias Grosser. Diese vermehrt er auf einer Fläche von zwei bis drei Hektar. Auch Deutsches Weidelgras, auch Ausdauernder Lolch (Lolium perenne) genannt, das sowohl für die Aussaat auf Weiden als auch Wiesen genutzt wird, baut er zur Vermehrung an.

Matthias Grosser schaut über die Grenzen seines Hofs hinaus und stellt nicht ohne Stolz fest: „Die Landwirtschaft hat auch in den schweren Corona-Zeiten funktioniert.“ Und auf die Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft, die auf Anregung von Bundeskanzlerin Angela Merkel 2019 eingerichtet worden war und Ende Juni ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, angesprochen, erklärt er: „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr darauf eingegangen wird, dass die Landwirtschaft immer stärker unter einer ausufernden Bürokratie leidet.“ Nach wie vor werde die Landwirtschaftspolitik zum Teil ideologisiert. „Bei der Landwirtschaft ist es wie beim Fußball, da weiß jeder, wie es besser gemacht werden müsste.“

Noch einmal Heu machen

Dass im Zusammenhang mit der Landwirtschaft im Bericht der Zukunftskommission von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben gesprochen werde, findet er richtig. „Wir erzeugen ja nicht nur Lebensmittel und Rohstoffe für die Industrie, sondern wir produzieren auch Sauerstoff, und unsere Böden binden Kohlenstoff.“ Oft würden die Landwirte nur als Subventionsempfänger gesehen, „aber, was wir an Subventionen erhalten, ist nicht vergleichbar mit denen, die die Industrie erhält“.

Derzeit sieht es so aus, als stelle sich ruhiges, trockenes Spätsommerwetter ein. Für Mattias Grosser eröffnet sich dadurch eine Möglichkeit, mit der er so kaum noch gerechnet hatte: „Ich werde noch einmal Heu machen.“