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Wieder ein Stück Gartenstadt weg

Am Körnerweg in Radebeul soll ein Park am Seniorenheim bebaut werden. Bürger protestieren und haben Unterschriften gesammelt.

Von Peter Redlich
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Dieses Mehrfamilienhaus soll in dem parkartigen Areal am Körnerweg gebaut werden. Die Möglichkeit der Heimbewohner zum Aufenthalt im Freien wird dann wesentlich beschnitten.
Dieses Mehrfamilienhaus soll in dem parkartigen Areal am Körnerweg gebaut werden. Die Möglichkeit der Heimbewohner zum Aufenthalt im Freien wird dann wesentlich beschnitten. © Arvid Müller

Radebeul. Der Garten ist richtig schön. Die Senioren, welche hier betreut werden, haben Bänke, ein Stückchen Wiese und große, schattenspendende Bäume. Ein Ort zum Wohlfühlen an der Ecke Körnerweg, Borstraße. Doch offenbar nicht mehr lange. Eine Bautafel hinter dem Zaun kündigt an, was hier gebaut, vor allem, was hier verschwinden soll.

Ein Mehrfamilienhaus, welches in etwa die Höhe der jetzigen Baumkronen erreichen wird. Alle Gebäude ringsum sind niedriger. Lediglich das benachbarte Seniorenheim erreicht diese Größe.

Anwohner aus der Gegend wollen das nicht hinnehmen. Sie haben gegen den geplanten Bau eine Unterschriftenaktion organisiert. Nahezu 100 haben dort unterzeichnet. Eine Anwohnerin schreibt: „Die Senioren haben dann gar nichts mehr für ihren Aufenthalt im Freien, können nur noch auf den Gängen sitzen.“

Marika und Jürgen Schäfer gehören zu den Bürgern, die sich gegen das Zubauen der Gartenstadt Radebeul engagieren. Gemeinsam mit den anderen Initiatoren haben sie eine Petition verfasst. Darin steht: „Wir, die Radebeuler Bewohner vom Körnerweg und der Borstraße, sowie weitere protestieren gegen das geplante Bauvorhaben im Park des denkmalgeschützten Grundstückes Körnerweg 5 und fordern die Untersagung der Baumaßnahme!“

In ihrer Begründung schreiben sie, dass das Denkmal Körnerweg erhalten werden sollte - mit Hauptgebäude, Remise und Park samt Einfriedung. Der Park sollte für die Heimbewohner bleiben, der alte Baumbestand von sieben geschützten Laubbäumen und fünf Nadelhölzern solle bleiben. Außerdem sei der Park ein Biotop für einheimische Kleintiere wie Vögel und Eichhörnchen.

„Wir finden es äußerst unverständlich, dass eine sogenannte Stadtvilla in diesem Areal überhaupt in Betracht gezogen wird, welche alle umliegenden Villen um mindestens ein Stockwerk übersteigt. Außerdem ist es für uns unerträglich, dass auf diesem denkmalgeschützten Grundstück eine derartige Bauverdichtung stattfinden soll.“ Mit der Petition wenden sich die Bürger an die Stadt Radebeul und bitten eindringlich um Prüfung des geplanten Bauvorhabens.

Stadträtin Eva Oehmichen (Bürgerforum/Grüne/SPD) hat das Schreiben mit den 93 Unterschriften an Baubürgermeister Jörg Müller (parteilos) im Stadtrat übergeben. Auf die Frage, wie denn das Bauvorhaben verhindert oder zumindest angepasster sein könnte, sagt sie: „Der Knackpunkt ist der Denkmalschutz. Er müsste eingreifen. Bei einem Streit vor Gericht urteilen die Richter in Sachsen eher zugunsten der Bauwilligen.“

Auch Stadtrat Jens Baumann (CDU), der zugleich Vorsitzender des Vereins Denkmalpflege und neues Bauen in Radebeul ist, sagt, dass er hier lediglich noch eine Einflussmöglichkeit über die Denkmalbehörde sieht. Auf dem Areal des Bussard-Weinberges in Niederlößnitz hätten die Denkmalschützer ja auch ihre Meinung geändert und sich gegen einen Hausbau im Weinberg gewandt. Baumann: „Die Stadt kann das lediglich mit einer Satzung, über ein bestimmtes Gebiet gelegt, ändern.“

So sieht es dort am Körnerweg jetzt noch aus: Wiese, Bänke, große Bäume. Anwohner aus der Nachbarschaft sind empört, dass für den Standort eine Baugenehmigung vergeben wurde. Der Baubürgermeister antwortet darauf.
So sieht es dort am Körnerweg jetzt noch aus: Wiese, Bänke, große Bäume. Anwohner aus der Nachbarschaft sind empört, dass für den Standort eine Baugenehmigung vergeben wurde. Der Baubürgermeister antwortet darauf. © privat

Baubürgermeister Jörg Müller (parteilos) schriebt zu dem Protest der Bürger auf Nachfrage der SZ: Der Antrag auf Vorbescheid datiert noch aus dem Jahr 2019. Ein erster Entwurf wurde seitens der Stadtplanung zurückgewiesen. Er habe nicht dem Bauparagrafen 34 entsprochen, das Gebäude sich nicht eingefügt.

Daraufhin wurde der Entwurf überarbeitet. Dieser sei anschließend genehmigungsfähig gewesen. Dieser Entwurf wurde im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Es gab eine zustimmende Stellungnahme der Denkmalschutzbehörde. Der Bauantrag wurde auf eben dieser Grundlage eingereicht und Ende September 2020 genehmigt.

Nur direkte Nachbarn werden einbezogen

Müller: „Zum wiederholten Male müssen wir klarstellen, dass lediglich die unmittelbar angrenzenden Nachbareigentümer (an das Baugrundstück direkt angrenzend) gemäß den Vorschriften der Sächsischen Bauordnung einbezogen werden. Diese können bei Verletzung nachbarschützender Interessen Widerspruch einlegen. Sofern der Widerspruch seitens der Ausgangsbehörde nicht abgeholfen wird, wird dieser zur Entscheidung der Landesdirektion Sachsen vorgelegt.“

Das Bauvorhaben entspreche nach Auffassung der Bauaufsichtsbehörde allen baurechtlich zu prüfenden Vorschriften und sei damit zwingend zu genehmigen. Eine Entziehung des Baurechts – auf welcher Grundlage auch immer – hätte schadenersatzrechtliche Forderungen ausgelöst, so die Antwort aus dem Radebeuler Baudezernat.

Dennoch hat die SZ erneut bei der Denkmalbehörde des Kreises nachgefragt. Von dort heißt es: Aus denkmalrechtlicher Sicht ist allein der Umgebungsschutz des ehemaligen Verwaltungsgebäudes des Elektrizitätswerkes betroffen (das Seniorenheim). Bei der ersten Anfrage zum Körnerweg 5 hat sich der Denkmalschutz auch mit der Frage beschäftigt, ob die als Park gestaltete Fläche zum Kulturdenkmal gehört. Allerdings ist der Bau eben als ehemaliges Verwaltungsgebäude geschützt, ein Park war damals nicht geplant und die Gestaltung des Gebäudes bezieht sich weder auf eine Grünfläche, noch ist sie von dieser bestimmt. Daher wurde festgestellt, dass die Fläche nicht als Kulturdenkmal zu schützen ist, sondern lediglich das Gebäude mit Hintergebäude, straßenseitiger Einfriedung und Zugangssituation.

Von den Mitarbeitern des Sachgebietes Denkmalschutz bleibe dann zu prüfen, ob der Neubau das Erscheinungsbild der denkmalgeschützten Gebäude erheblich beeinträchtigt. Eine erhebliche Beeinträchtigung muss an der Minderung des Denkmalwertes gemessen werden. Werde nun die Schmalseite des Verwaltungsgebäudes verstellt, die offenbar nicht als Ansichtsseite konzipiert war, eine schlichte Gestaltung ohne Höhepunkte aufweist, so können man darin keine erhebliche Minderung des Denkmalwertes erkennen, so die Fachleute aus dem Amt.

„Die Hauptfront zum Körnerweg, die mit den Risaliten und Giebeln eine aufwendige Gestaltung in der Art eines Schlossbaues erfuhr, wird in ihrer Erscheinung nicht beeinträchtigt. Der Neubau wird die Höhen des Verwaltungsgebäudes auch nicht übertreffen. Denkmalschutzrechtliche Gründe, die dem Neubau an dieser Stelle entgegenstehen würden, konnten wir somit nicht erkennen“, schreiben die Denkmalschützer. Die denkmalschutzrechtliche Zustimmung zum Vorhaben wurde bereits erteilt. Details der Gestaltung sind noch mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen.

Der Neubau wird in etwa die Höhe der Baumkronen erreichen, sagen die protestierenden Anwohner.
Der Neubau wird in etwa die Höhe der Baumkronen erreichen, sagen die protestierenden Anwohner. © privat