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Acht Monate für Opel-Stunt bei Riesa

Ein Lommatzscher legt bei einer Trunkenheitsfahrt das Auto auf den Rücken – das Gericht würdigt die Leistung mit einer Freiheitsstrafe.

Von Manfred Müller
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Im Dorf Heyda bei Riesa gilt nicht ohne Grund Tempo 30 - die Straße ist kurvig und unübersichtlich. Ausgerechnet dort musste sich ein Betrunkener ein Rennen mit der Polizei liefern.
Im Dorf Heyda bei Riesa gilt nicht ohne Grund Tempo 30 - die Straße ist kurvig und unübersichtlich. Ausgerechnet dort musste sich ein Betrunkener ein Rennen mit der Polizei liefern. © Sebastian Schultz

Riesa/Hirschstein. Richterin Ingeborg Schäfer kann sich einer spöttischen Bemerkung nicht enthalten. Eigentlich sei ein Opel Agila nur eine Art motorisierter Einkaufswagen, sagt sie. Da müsse der Angeklagte das Gaspedal schon ordentlich durchgetreten haben, um sich mit dem Gefährt zu überschlagen.

Der Fall war im Oktober 2020 bereits durch die Presse gegangen: Einer Polizeistreife fiel an einem Mittwoch gegen 21 Uhr am Riesaer Ortsausgang besagter Agila auf, weil der Fahrer vom Anblick des Dienstautos einen solchen Schreck bekam, dass er einen wilden Schlenker produzierte. Die Beamten nahmen sofort die Verfolgung auf, gaben Stopp-Signale und schalteten schließlich auch das Blaulicht und das Martinshorn ein.

Aber es half nichts – der Opel, in dem zwei Personen saßen, fuhr immer schneller. Das seien mit Sicherheit mehr als hundert Stundenkilometer gewesen, sagt eine beteiligte Polizistin im Zeugenstand. Die Flüchtigen rasten ins kurvenreiche Heyda hinein – ihre Verfolger bremsten hinter ihnen ab, um niemanden zu gefährden. Als die Beamten den Opel das nächste Mal zu Gesicht bekamen, lag er auf dem Rücken. Er war mit einem Bordstein kollidiert, auf die andere Straßenseite geschleudert und umgekippt. Die beiden Insassen überstanden den Unfall mit leichten Blessuren.

Der Fahrer sitzt nun auf der Anklagebank des Riesaer Amtsgerichts und hört zu, wie der Staatsanwalt eine lange Liste von Vergehen vorliest. Bernd R. (Name geändert) war nicht nur vor der Polizei geflüchtet und hatte mit überhöhter Geschwindigkeit einen Unfall verursacht. Dem 39-Jährigen wird auch vorgeworfen, nicht im Besitz eines Führerscheins gewesen zu sein. Und er stand während der Fahrt unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol. 2,3 Promille wurden nach dem Unfall beim Bluttest gemessen. Nicht einmal das Auto gehörte dem Delinquenten. Es hatte den Schlüssel für den Opel Agila aus der Jackentasche seines Vaters entwendet und war ohne dessen Einverständnis von Lommatzsch nach Riesa gefahren.

Bernd R. zeigt sich vor Gericht geständig. Leugnen hätte auch keinen Zweck gehabt, war er doch auf frischer Tat ertappt und gestellt worden. An Details will sich der Angeklagte allerdings nicht erinnern, obwohl er bei der ärztlichen Untersuchung im Krankenhaus keinen völlig betrunkenen Eindruck gemacht hatte. Nein, sagt der Lommatzscher, seine Erinnerung setze erst ein, als er bereits im Polizeiwagen gesessen habe. Aber eigentlich ist die Sachlage auch durch die Zeugenaussagen der Polizistin und seines Mitfahrers klar. Mit letzterem hatte Bernd R. bereits seit dem Nachmittag Bier und Schnaps getrunken, bevor die beiden auf die Idee kamen, noch einmal in den Riesaer Kaufland-Markt zu fahren. Auf dem Rückweg nach Lommatzsch kam es dann zu den geschilderten Vorfällen.

Es ist nicht nur die Fülle von Vergehen an diesem Oktobertag, die Bernd R. belasten. Er hat auch schon des Öfteren mit der Justiz Bekanntschaft gemacht. Neben Diebstahl und Sachbeschädigung stehen Fahren ohne Fahrerlaubnis und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort zu Buche. Und seit seinem letzten Vergehen ist die Bewährungszeit noch nicht abgelaufen.

Nun gibt er vor Gericht zwar den reuigen Sünder, aber R. war bisher nicht bereit, etwas gegen seine Alkohol- und Drogensucht zu unternehmen. Dreimal hatte er bereits Termine bei der Suchtberatung, aber der Lommatzscher ging einfach nicht hin. Sein 70-jähriger Vater, der im Zeugenstand aussagt, hat in Bezug auf den Sohn bereits alle Hoffnung aufgegeben. „Ich dachte, er sei schlauer geworden“, entfährt es dem alten Herrn. „Aber wenn er besoffen ist, hakt es bei ihm aus.“

Da Bernd R. – obwohl er mehrere Ausbildungen erfolgreich absolviert hat – auch keiner geregelten Arbeit nachgeht, sieht Richterin Schäfer keinen Grund, eine Freiheitsstrafe nochmals zur Bewährung auszusetzen. Sie schickt den Delinquenten für acht Monate hinter Gitter. Er könne ja gern Berufung gegen das Urteil einlegen, sagt sie, und das Landgericht davon überzeugen, dass er ab sofort bereit sei, alles ganz anders zu machen.