Riesa: Was die Vorsorgevollmacht regelt – und was nicht

Riesa. So voll ist der Verhandlungssaal im Riesaer Amtsgericht selten. Die Besucherplätze sind bis auf den letzten belegt. Statt Staatsanwalt, Verteidigern und Angeklagten nehmen an diesem Tag Senioren vor der Richterbank Platz. Dort sitzt Herbert Zapf und freut sich: "Ich bin ganz überrascht, welch großes Interesse das Thema hervorgerufen hat", sagt der Direktor des Amtsgerichts.
Die Seniorenunion Meißen hatte zu einer Info-Veranstaltung rund um das Thema Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung geladen – und offenbar einen Nerv getroffen. Mehr als 30 Leuten habe man absagen müssen, erklärt der Vorsitzende, Geert Mackenroth (CDU). "Ich habe so eine Veranstaltung schon einmal vor Jahren angeboten; damals war es schon ordentlich besucht, jetzt sind es noch mal mehr Anmeldungen." Die Themen würden häufig tabuisiert, "dabei ist das für die Leute existenziell". Geplant ist eine zweite Veranstaltung am 8. März. Sächsische.de beantwortet einige der Fragen, die während des Info-Nachmittags erläutert wurden.

Was regeln Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung?
Drei Säulen der Vorsorge werden am Info-Nachmittag besprochen: Die Vorsorgevollmacht befasst sich dabei mit administrativen Angelegenheiten. Wer über sie verfügt, dem wird stellvertretend der Zugriff etwa auf Bankkonten oder Immobilienbesitz gestattet. Die Betreuungsverfügung dagegen regelt, wer einmal die Betreuung übernehmen könnte. Ein Gericht würde dann diesen vorgeschlagenen Betreuer bestätigen. Die Patientenverfügung wiederum regelt medizinische Fragen – bis hin zur Frage, ob und unter welchen Umständen bestimmte lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt werden sollen. Mit dem Erbe haben die Dokumente nichts zu tun. "Testament und Vorsorgevollmacht sind unterschiedliche Dinge, die sich nicht ersetzen, sondern ergänzen", so der Riesaer Notar Pascal Salomon.
Was passiert ohne Vorsorgevollmacht?
Laut Geert Mackenroth hält sich der Irrglaube, dass im Falle von Unfällen oder Krankheit automatisch der Ehepartner bestimmte Dinge erledigen kann. "Weit gefehlt", sagt er. Schon der Zugriff aufs Bankkonto könne da Probleme bereiten. "Die Heiratsurkunde reicht nicht, die Sparkassen sind da unerbittlich." Bislang sah das Gesetz vor, dass zwingend ein gerichtlicher Betreuer zu bestellen ist, wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Das Gericht in Riesa hat zurzeit rund 1.500 solcher Betreuungsverfahren am Laufen. Teils sind die Personen schon wegen einer angeborenen Behinderung in Betreuung, sagt Gerichtsdirektor Herbert Zapf. "Aber ein beträchtlicher Teil dieser Fälle hätte auch vermieden werden können, wenn vorher Regelungen getroffen worden wären." Corona hatte das Thema noch einmal stärker in den Fokus gerückt.
Sind medizinische Fragen geklärt, dann bestellt das Gericht einen Betreuer. Das kann unter Umständen ein Berufsbetreuer sein, wenn etwa in der Familie keine geeignete Person ersichtlich ist. "Das heißt, die Familien haben jemanden vor sich, den sie nicht kennen und der Einblick erhält in Versicherung, Konten und andere Unterlagen", erklärt Vica Stehr, Betreuungsrichterin in Riesa. Keine einfache Situation: Fast zwei Drittel der Betreuer berichten, dass sie regelmäßig Streit mit Angehörigen haben. Vor allem aber ist so ein Betreuungsverfahren teuer, denn die Betreuer müssen bezahlt werden.
Was regelt die Gesetzesnovelle?
Mittlerweile hat der Gesetzgeber ein wenig nachgeholfen: Das Ehegattennotvertretungsrecht regelt zumindest unmittelbare medizinische Fragen, erklärt Herbert Zapf. "Es ist aber nicht geeignet für Alltagsfragen." Da stoße auch die neue Regelung an ihre Grenzen.
Wie lässt sich eine Vollmacht ausstellen?
Notar Pascal Salomon rät dazu, alle drei Dokumente in einer Urkunde zusammenzufassen. Dazu würden bei Notaren entsprechende Vorgespräche stattfinden. Es gibt aber auch Vordrucke im Internet. "Da gibt es gute und schlechte", sagt Salomon. Aus Sicht des Notars stoßen sie an ihre Grenzen, weil die Echtheit weniger leicht zu bezeugen ist als bei einer notariell beglaubigten. Betreuungsrichterin Stehr sieht solche privatschriftlichen Vollmachten etwas weniger kritisch. Voraussetzung dafür, so eine Vollmacht auszustellen, ist die Geschäftsfähigkeit. "Machen Sie das, solange Sie bei klarem Verstand sind", betont deshalb Geert Mackenroth.
Was kostet das?
Die Gebühren beim Notar richten sich nach dem Vermögen und sind gesetzlich festgelegt. "Wer beispielsweise über 100.000 Euro verfügt, wird einmalig 200 Euro bezahlen", erklärt Notar Salomon. Er und die Betreuungsrichterin raten auch dazu, eine Vollmacht im Vorsorgeregister vorzunehmen. Das erleichtert den Gerichten im Zweifel die Arbeit. "Wir haben schon oft erlebt, dass nur noch die richterliche Entscheidung ausstand, dann tauchte doch noch die Vollmacht auf", so Vica Stehr. Die ersten Kosten seien dann aber schon entstanden.
Wo sollte die Vorsorgevollmacht liegen?
Der Notar rät dazu, sie bei sich zu behalten – und dem Bevollmächtigten zu erklären, wo er sie im Notfall findet. Das Original einer notariell erstellten Vollmacht bleibt immer beim Notar. Die Ausfertigungen genügen, um damit Geschäfte zu tätigen.
Wie lässt sich die Vollmacht widerrufen?
Wer das Vertrauen zum Bevollmächtigten verliert und ihm die Ausfertigungen bereits gegeben hat, hat womöglich ein Problem. Rein rechtlich muss der Bevollmächtigte sie zurückgeben, das lässt sich notfalls auch einklagen. "Im Zweifel würde ich in so einem Fall aber auch zu Banken und anderen Stellen gehen, wo derjenige theoretisch damit handeln könnte – und auf den Widerruf hinweisen."