Von Michael Ahner
Röderau/Zwenkau. Es war ein verheerender Brand, der am 10. Januar 2015 die Kirche des kleines Ortes Tellschütz bei Zwenkau, südlich von Leipzig, heimsuchte. Dir Kirche brannte buchstäblich bis auf die Grundmauern nieder. Dabei hatten die Restauratoren nur wenige Jahre zuvor Kirche und Innenraum zu einem barocken Schmuckstück verwandelt.
Die Brandursache ist bis heute nicht vollständig geklärt, laut Polizei betrug der Schaden nach Angaben einer Versicherung fünf Millionen Euro am Gebäude, eine weitere Million Euro an der Innenausstattung. Den Brandursachenermittlern zufolge war der Brand im oberen Bereich des Glockenturmes ausgebrochen. Spuren eines gewaltsamen Eindringens in die Kirche hatten die Experten nicht finden können.
Der Kirchenvorstand des 150-Seelen-Dorfes entschied sich recht bald für den kompletten Wiederaufbau. Die finanziellen Mittel mussten gesichert werden und eine riesige Bauaufgabe geschultert werden. Bis auf die Grundmauern war nichts übriggeblieben, was in der neu zu errichtenden Kirche hätte verwendet werden können. Selbst die Glocken hatten den Brand nicht überstanden, um wieder geläutet werden zu können.
Und dann führte eine Spur nach Röderau: Die Sachverständigen der Landeskirche hatten ausfindig gemacht, dass nur noch in Röderau ein funktionsfähiges mechanisches Uhr-Läutewerk der Firma Zachariä/Leipzig steht. Ein Läutewerk dieser Firma hatte bis zum Brand auch die Tellschützer Kirche.
Weil nun die Tellschützer sich für ein mechanisches Läutewerk entschieden hatten, fragten sie die Röderauer Kirchgemeinde an, ob das gut erhaltene Uhrwerk aus dem Baujahr 1903 nicht als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt werden könnte.
Die Entscheidung fiel dem Röderauer Kirchenvorstand nicht leicht - und er votierte dann doch für die Übergabe an Tellschütz. In Röderau selbst werden Uhr und Läutewerk seit 1992 mit einer elektronischen Steuerung betrieben.
Das Läutewerk wurde in Röderau ausgebaut, überholt und tut nun seinen Dienst in der vor wenigen Wochen fertiggestellten Tellschützer Kirche. Ein willkommener Anlass für die Tellschützer Gemeinde, sich persönlich in Röderau für die Überlassung des historischen Uhrwerks zu bedanken.
An einem Oktobersonntag besuchten einige Tellschützer den Gottesdienst in Röderau. Jürgen Obenaus aus Röderau und Sandro Berthold aus Tellschütz berichteten über die Geschichte des Wiederaufbaus und die Leihgabe des Uhrwerks. Anschließend wurde eine Fotodokumentation überreicht und im Röderauer Kirchturm eine Gedenktafel angebracht.
Sie erinnert daran, dass an dieser Stelle einst das mechanische Uhrwerk der Kirche stand, das 1903 von den Familien Däweritz, Os. Kaul, Otto Kaul, Übigau und Kurze gestiftet worden war. Im Zweiten Weltkrieg waren in Röderau Turm und Uhrwerk beschädigt worden. Herr Hecht reparierte es in liebvoller Weise in seiner Freizeit. Maler Quaas gestaltete neue Ziffernblätter. So funktionierte das Uhrwerk bis 1992. Dann wurde es außer Betrieb genommen und durch eine moderne Funkuhr ersetzt.
Nun zeigt die Röderauer Uhr den Menschen in Tellschütz die Zeit - nach fast 28 Jahren Pause. (mit SZ/csf)