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Riesa: Kochen im Kollektiv

Im Stadtteilhaus in Gröba treffen sich Leute im fortgeschrittenen Alter regelmäßig, um Rezepte auszuprobieren. Die SZ hat vorbeigeschaut.

Von Eric Weser
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Im Stadtteilhaus in Gröba wird derzeit regelmäßig zusammen gekocht und gegessen.
Im Stadtteilhaus in Gröba wird derzeit regelmäßig zusammen gekocht und gegessen. © Foto: SZ/Eric Weser

Riesa. Die einen würfeln Zwiebeln, die anderen putzen Feldsalat. Und die nächsten kümmern sich darum, die Kartoffeln und Pastinaken zu schälen. Es geht geschäftig zu an jenem Vormittag im Stadtteilhaus in Gröba an der Hafenstraße. Aber nicht hektisch. Die acht Frauen und Männer, die hier mit Küchenmessern, Pfannen und Schalen hantieren, sind alle in einem Alter, in dem man die Dinge etwas ruhiger angeht – oder es zumindest kann, wenn man möchte.

Zum zweiten Mal trifft sich die Gruppe aus der Generation 60 plus, um gemeinsam unter Anleitung zu kochen. Die Stimmung ist gut, es wird gewitzelt und gelacht. Aber wenn nötig, auch konzentriert geschnippelt, gewürzt oder abgeschmeckt. Es soll heute Kartoffel-Pastinaken-Stampf geben, mit Linsen-Frikadellen sowie Feldsalat mit Waldnüssen.

Sandra Sagawe ist staatlich anerkannte Diätassistentin und Ernährungsberaterin. Sie leitet den Kochkurs im Stadtteilhaus in Gröba an und bringt auch die Zutaten mit.
Sandra Sagawe ist staatlich anerkannte Diätassistentin und Ernährungsberaterin. Sie leitet den Kochkurs im Stadtteilhaus in Gröba an und bringt auch die Zutaten mit. © Foto: SZ/Eric Weser

Eine Rezeptidee, die auf einem Hinweis der Ehefrau von Bernd Lehmann beruht. Ausgerechnet sie ist aber nicht da, um mitzukochen: Sie muss den Junior betreuen, erzählt ihr Mann, der gerade die Masse vorbereitet, aus der in wenigen Minuten die Linsen-Frikadellen geformt werden sollen.

An diese Masse sollen noch ein paar Hefeflocken, rät Sandra Sagawe. Die Ernährungsberaterin aus Riesa hält bei dem Senioren-Kochkurs die Fäden in der Hand und ist so etwas wie die gute Seele im Hintergrund. Die Ernährungsexpertin bespricht die Rezeptideen mit den Teilnehmern, kauft Zutaten ein oder bereitet Aufwendiges vor, damit die Kurszeit im Rahmen bleibt. Während des Zubereitens gibt sie hier und da Verfeinerungstipps.

Beim Kochkurs sind längst nicht nur Frauen wie Gudrun Springer (l.) dabei. Auch ihr Gatte Günter Springer (im roten Pulli) oder Bernd Lehmann (im karierten Hemd) kochen mit.
Beim Kochkurs sind längst nicht nur Frauen wie Gudrun Springer (l.) dabei. Auch ihr Gatte Günter Springer (im roten Pulli) oder Bernd Lehmann (im karierten Hemd) kochen mit. © Foto: SZ/Eric Weser

Das Kochen grundsätzlich erklären muss Sandra Sagawe niemandem in der Runde: Die Frauen als auch die Männer wissen, wie es geht. Oft aus jahrzehntelanger Erfahrung: „Das erste Spiegelei habe ich mit acht oder neun Jahren gemacht, das weiß ich noch“, erzählt Bernd Lehmann. Die Eltern seien in der Landwirtschaft gewesen, da habe er als Sprössling beim Essenmachen mit rangemusst, so der 67-Jährige. Bis heute kochen er und seine Frau, erzählt der ehemalige Bahn-Mitarbeiter, der einst als Schichtleiter im Stellwerk die Züge durch Riesas Bahnhof leitete. Auch die erwachsenen Söhne hätten sie fürs Kochen gewinnen können, erzählt der Riesaer, während er einige Bratlinge mit den behandschuhten Händen formt. Von dem Kochkurs für die ältere Generation habe er gelesen und seine Frau animiert, mitzukommen.

Ausrichtungsort zeigt sich offen

In der Zeitung war der schnell ausgebuchte, von einer Krankenkasse finanzierte und für die Teilnehmer daher kostenfreie Kurs unter Motto „Alte Rezepte bewahren“ angekündigt gewesen. Die Teilnehmer waren sich bei der Auftaktveranstaltung Anfang Februar jedoch recht schnell einig, dass man lieber ein wenig experimentieren und ein paar modernere Rezepte probieren möchte. Für Sandra Sagawe kein Problem. Zumal die Gruppe großes Interesse an regionalen und saisonalen Zutaten habe. So wie an der Pastinake, dem „Märzgemüse“ – das trotz seiner Regionalität doch nicht jeder im Kurs gekannt hat, wie Teilnehmerin Ramona Stockinger zugibt, die zusammen mit einer Kollegin da ist.

Das Stadtteilhaus in Gröba liegt direkt an der Hafenbrücke (links, nicht im Bild).
Das Stadtteilhaus in Gröba liegt direkt an der Hafenbrücke (links, nicht im Bild). © Sebastian Schultz

Neben dem reinen Zubereiten einer warmen Mittagsmahlzeit hat das Treffen in der nagelneu eingebauten Küche im Erdgeschoss des Stadtteilhauses aber auch einen gewollt sozialen Aspekt. Denn viele ältere Menschen leben allein. So wie ein Mann aus der Runde, der sich als ehemaliger Mitarbeiter aus dem Chemiewerk vorstellt und im Kurs eine willkommene Unterhaltung und Beschäftigung sieht. Ihm gefalle auch, dass der Kurs kein Unterricht sei, in dem man belehrt werde, sagt er. Das gemeinsame Kochen soll die Menschen zusammenführen, unterstreicht auch Kathrin Schanze vom Projekt „Zukunftswerkstatt Kommune“, das bei der Riesaer Stadtverwaltung angesiedelt ist. Gemeinsam mit Katja Bergner vom Projekt „Gesund und selbstbestimmt im Alter“ des Kreisgesundheitsamts gehört sie zu den Organisatoren des Kochkurses.

Das gemeinsame Essen am Ende des Kochkurses gehört zu jedem Treffen dazu.
Das gemeinsame Essen am Ende des Kochkurses gehört zu jedem Treffen dazu. © Foto: SZ/Eric Weser

Die Macherinnen hoffen, dass die Koch-Treffen von den Teilnehmern einmal fortgeführt werden, wenn der Projekt-Überbau und die Anleitung durch die Ernährungsberaterin enden. So weit wird es schon recht bald sein, denn es stehen nur noch zwei Kurstermine an: einer Mitte und ein letzter Ende März. Einfach im Stadtteilhaus mit den Treffen weiterzumachen wäre problemlos möglich, sagt Sandra Käseberg vom Verein Sprungbrett, der das Haus betreibt. Über weiteres Leben im gerade umgebauten Objekt, in dem auch Kreativ- und Sprachkurse stattfinden, würde sich der Verein sogar sehr freuen.

Unterdessen verspeisen die Frauen und Männer aus dem Kochkurs ihre Kreation des Tages. Man ist durchaus zufrieden, könnte sich aber an mancher Stelle noch eine Prise anderer Würze vorstellen. Das nächste Mal soll es eine Knoblauchsuppe geben, mit Rote-Beete-Carpaccio, einigt sich die Gruppe mit Ernährungsberaterin Sandra Sagawe, während Messer und Gabel auf den sich leerenden Tellern klappern. Nach dem Aufräumen heißt es schließlich Tschüss, bis in zwei Wochen. Das Rezept von heute wollen einige der Frauen und Männer nachkochen, sagen sie.