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Riesa: Ungewöhnliches Paar will Retro-Kleidung am Boulevard verkaufen

Eine Riesa-Rückkehrerin und ein Stahlwerker beleben ein bekanntes Ladenlokal an der Hauptstraße neu – mit einer Modemanufaktur.

Von Eric Weser
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Cornelia "Conny" Brühl und Peter Schaefer in ihrem Geschäft C&P Modemanufaktur. In dem Geschäft an der Hauptstraße soll künftig besondere Kleidung nicht nur verkauft, sondern auch produziert werden.
Cornelia "Conny" Brühl und Peter Schaefer in ihrem Geschäft C&P Modemanufaktur. In dem Geschäft an der Hauptstraße soll künftig besondere Kleidung nicht nur verkauft, sondern auch produziert werden. © Sebastian Schultz

Riesa. Das Ladenlokal Hauptstraße 9 in Riesa war schon vieles: Die wohl längste Zeit eine Fleischerei, vor einigen Jahren mal ein CDU-Wahlkreisbüro, zuletzt ein Fachgeschäft für Hanfprodukte.

Nun bekommt das Geschäft mit der markanten Jugendstil-Glasdecke eine neue, ganz andere Nutzung: Es wird zum Modeladen – zur "C&P Modemanufaktur".

Hinter dem Kürzel verbergen sich Cornelia "Conny" Brühl und ihr Partner Peter Schaefer. Ein ungewöhnliches Duo: Conny Brühl stammt aus Riesa, lebte aber zuletzt mehr als 30 Jahre in Thüringen, ehe sie vor Kurzem wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrte.

Peter Schaefer indes kommt aus Niedersachsen und gelangte über Bayern nach Riesa. Conny Brühl und er und haben sich übers Internet kennengelernt. "Ganz traditionell über Facebook", wie Conny Brühl mit ironischem Lächeln anmerkt.

Wobei traditionell ein gutes Stichwort ist. Neben der Zuneigung für einander verbindet das Paar auch eine Leidenschaft für Altmodisches, Klassisches, Traditionelles. Besonders die 1920er bis 40er-Jahre haben es Conny Brühl und Peter Schaefer angetan. Beide begeistern sich für das Lebensgefühl aus dieser Zeit, deren Musik – und auch die damalige Mode, die beide deutlich schicker finden als das, was heute vielfach als modern gilt. "Vintage" nennt sich diese Anlehnung an vergangene Zeiten, die oft nicht streng passiert, sondern durchaus mit einem Augenzwinkern.

Bis Montag verhüllte Malerfolie noch den Blick in das Geschäft an der Hauptstraße ...
Bis Montag verhüllte Malerfolie noch den Blick in das Geschäft an der Hauptstraße ... © Sebastian Schultz
... inzwischen ist der Blick ins Innere des Ladens frei. Bis zur offiziellen Eröffnung sind es aber noch ein paar Tage.
... inzwischen ist der Blick ins Innere des Ladens frei. Bis zur offiziellen Eröffnung sind es aber noch ein paar Tage. © Sebastian Schultz

Der Gedanke, am Riesaer Boulevard einen Modeladen für Vintage-Kleidung aufzumachen, sei vor wenigen Monaten entstanden, erzählen Peter Schaefer und Conny Brühl. Die gelernte Textilnäherin hatte da gerade einen Job in der Pflege infolge der Impfpflicht aufgegeben. Wie ihr Partner hat sie sich gegen die Corona-Impfung entschieden. "Da war die Überlegung, was machst du jetzt?"

Den Traum von einem eigenen Geschäft mit selbst geschneiderten Sachen im Retro-Stil hatte die Riesaerin, die ihre Ausbildung einst beim Oschatzer Eko (VEB Erstlings- und Kinderbekleidungswerk) absolviert hatte, schon lange. Gepasst hatte es aber für die heute 54-Jährige, die schon seit ihrer Jugend zu Nadel und Faden greift, allerdings nie. Bis jetzt.

Glück und Zufall sei es gewesen, dass im Frühjahr der Hanfprodukte-Laden "Purple Canamo" aus der Hauptstraße 9 ausgezogen sei, erzählt Peter Schaefer. "Da haben wir nicht lang überlegt und gesagt: Jetzt wird's gemacht."

Alte Möbel treffen Industriedesign und Art déco: Im Ladenlokal an der Hauptstraße gibt es ein ganz spezielles Flair.
Alte Möbel treffen Industriedesign und Art déco: Im Ladenlokal an der Hauptstraße gibt es ein ganz spezielles Flair. © Sebastian Schultz

Das Geschäft mit dem altmodischen Charme im eher ruhigen Teil der Hauptstraße habe gut zu den Anforderungen des Paares gepasst. "Wir wollten einen alten Laden haben – etwas Traditionelles, was im Grunde schon immer da war." Auch für das ehemalige Optik-Geschäft Nathan hätten sie sich interessiert, erzählen die beiden Vintage-Anhänger. Doch das sei nicht möglich gewesen.

In mehreren Wochen Arbeit hat nun vor allem Peter Schaefer nach Feierabend das Ladenlokal in der Hauptstraße 9 nach den Vorstellungen des Paares gestaltet: Die Wände ziert eine Art-déco-Tapete mit Pfauenmuster. Von der Glasdecke hängen Lampen im Retro-Stil. Einige wenige Möbelstücke, darunter eine alte, dunkelbraune Schrankwand und ein mindestens genauso betagter Tisch mit eingelassenem Schachbrettmuster verschaffen dem Raum eine Atmosphäre von aufgeräumter Gemütlichkeit – alles wirkt beinahe wie ein Wohnzimmer.

Was der Laden anzubieten hat, hängt fein säuberlich gereiht an Kleiderbügeln: Es sind Stücke für Frauen aber auch für Männer, die künftig zu Preisen zwischen 70 und 180 Euro zu haben sein sollen: Darunter Herrenwesten mit oder ohne Fliege, Charleston-Kleider, Damenjacken mit Fellkragen. Jedes Teil handgeschneidert von Conny Brühl, deren Nähmaschinen und -utensilien in einem hinteren Bereich des Ladens untergebracht sind.

Fliegen sind nur ein Accessoire, das es künftig im Geschäft geben soll.
Fliegen sind nur ein Accessoire, das es künftig im Geschäft geben soll. © Sebastian Schultz

Für viele der Sachen ist es ein zweites Leben. Denn oft waren die Stücke schon einmal Jacketts oder Jacken, wie Conny Brühl erzählt. Nicht selten seien die Teile aber wenig getragen worden – und zu schade, um sie wegzuwerfen. Deshalb trennt die Riesaerin die Stücke und entfernt Versteifungen und Verstärkungen – etwa Schulterpolster. Dann ändert sie den Schnitt etwas, näht je nach Teil Ärmel aus Baumwolle an oder ein Volant an. Schon ist aus dem betagten Sakko eine lockere Vintage-Jacke entstanden oder aus dem Jeanshemd ein Charleston-Kleid.

Dass jedes von Conny Brühl gefertigte Stück ein Unikat ist, dafür kann sich Peter Schaefer begeistern. Wie den 51-Jährigen überhaupt das Nähen begeistert, bei dem er seiner Lebensgefährtin gern über die Schulter schaut. Dabei belassen will er es nicht. "Ich möchte das auch lernen", sagt der gelernte Bäcker. Künftig will er sich in der Modemanufaktur um Männersachen kümmern, vielleicht Schiefermützen nähen.

Ein erster Versuch sei zwar nicht so recht geglückt. Doch Peter Schaefer, der auch schon bei Volkswagen, in der Landwirtschaft, und auch Garten- und Landschaftsbau gearbeitet hat, ehe er vor etwa zwei Jahren als Quereinsteiger in der Mechanischen Werkstatt beim Riesaer Stahlunternehmen Feralpi anfing, lässt sich auf neue Herausforderungen ein. Und traut sich Dinge zu.

Eine Nähmaschine und der Schriftzug C&P – so sieht das Logo der Riesaer Modemanufaktur aus. Ein schnörkelloser Name sollte es sein, sagt Conny Brühl.
Eine Nähmaschine und der Schriftzug C&P – so sieht das Logo der Riesaer Modemanufaktur aus. Ein schnörkelloser Name sollte es sein, sagt Conny Brühl. © Sebastian Schultz

Ihren neuen Laden offiziell eröffnen wollen Conny Brühl und Peter Schaefer am 1. Juli, wenn in Riesa Stadtfest ist. Für die nähere Zukunft haben die Riesaer einen Online-Shop in Planung. Erste mögliche Partner haben sich schon gemeldet, um Accessoires wie Portmonee-Ketten im Laden ausstellen zu dürfen. Kooperationen kann sich die Manufaktur auch mit weiteren lokalen Geschäften vorstellen. Ideen hat das Paar noch einige in petto, macht Peter Schaefer deutlich.

In Riesa hat das neue Geschäft bereits Neugier geweckt. Schon jetzt seien einige Leute da gewesen und hätten viel Glück gewünscht, sagen die beiden Modemanufaktur-Macher, die diese Woche die Malerfolie im Schaufenster abgenommen und damit den Blick in den Laden freigegeben haben. Peter Schaefer hat ein gutes Gefühl, dass die Sache klappen wird. So oder so könnten er und Conny Brühl mit ihrer Modemanufaktur nur gewinnen, findet er.

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