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Warum die Gleise am Riesaer Bahnhof zugeschüttet werden

Die Abrissarbeiten an der Blechbrücke gehen in die nächste Phase. Dafür laufen jetzt Vorbereitungen am Boden.

Von Stefan Lehmann
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Verschwunden sind die Gleise unterhalb der Fußgängerbrücke am Riesaer Bahnhof. Hier wird demnächst ein Schwerlastkran aufgebaut.
Verschwunden sind die Gleise unterhalb der Fußgängerbrücke am Riesaer Bahnhof. Hier wird demnächst ein Schwerlastkran aufgebaut. © LKW

Riesa. Die mit Schüttgut beladenen Lastwagen rollen am Donnerstag die Ladestraße am Riesaer Bahnhof herunter. Rückwärts geht es in Richtung Gleisbett, dann wird die Fracht auf einer ausgelegten Folie abgekippt und per Planierraupe verteilt.

Auf gut 20 Meter Länge verschwinden auf diese Weise die Gleise direkt neben der Riesaer Fußgängerbrücke. Es sind die nächsten Schritte für den Abriss der Querung. Seit Januar läuft die Baustelle schon. Im Juni verschwanden die ersten Teilstücke aus der Brücke. Seitdem ist auf den ersten Blick nicht viel passiert.

"Die Planung ist so umfangreich, dass es dazwischen auch Stillstand gibt", sagt Roland Senger. Er ist einer der beiden Geschäftsführer der Ora GmbH. Das Unternehmen aus dem Grimmaer Ortsteil Ostrau hat sich auf Abrisse spezialisiert. "Wir machen viel im Zusammenhang mit der Deutschen Bahn", sagt Senger. Darauf komme es bei Aufträgen wie dem in Riesa an. "Das ist schon ein Kosmos für sich, mit einem eigenen Regelwerk."

Bauingenieur Michael Wehner (l.) und Ora-Chef Roland Senger unter der Blechbrücke am Riesaer Bahnhof.
Bauingenieur Michael Wehner (l.) und Ora-Chef Roland Senger unter der Blechbrücke am Riesaer Bahnhof. © LKW

Anhand der Planzeichnung im Baucontainer erklärt Roland Senger, was die beteiligten Firmen in den nächsten Monaten noch vor sich haben. "Seit 6. Dezember läuft der zweite Bauabschnitt, der dauert bis März. Momentan wird die Aufstellfläche für den Kran gebaut." Dafür schüttet die Firma derzeit die Gleise neben der Fußgängerbrücke zu.

Damit die Auswirkungen des Abrisses auf den Bahnverkehr so gering wie möglich ausfallen, wird die Brücke ausgehoben – in drei Teilstücken. Etwa 300 Tonnen wiegt eins der Baufelder. "Dafür brauchen wir einen 1.800-Tonnen-Kran", so Roland Senger. Das schwere Gerät kommt in seine teils tonnenschweren Einzelteile zerlegt von Belgien nach Riesa – verteilt auf 56 Sattelzüge. Allein der Aufbau wird eine Woche in Anspruch nehmen. Um das teure Gerät vor Diebstahl und Vandalismus zu sichern, wird ein Wachschutz rund um die Uhr vor Ort sein, sagt der Ora-Chef.

Das abgeschnittene Ende der Brücke. Die Spannglieder heben sich in der Schnittkante als Kreise ab.
Das abgeschnittene Ende der Brücke. Die Spannglieder heben sich in der Schnittkante als Kreise ab. © LKW

Der eigentliche Abbruch der verbliebenen Brückenteile erfolgt genau in umgekehrter Reihenfolge, in der sie Ende der 1960er-Jahre auch gebaut wurde. Damals wurde die Konstruktion aus Spannbeton aus Richtung Bahnhofstraße Segment für Segment Richtung Stahlwerk errichtet, erklärt Michael Wehner von der Ingenieurgesellschaft Kempa. Die Dresdner hatten den Abbruch geplant. Eine herausfordernde Aufgabe sei das gewesen, sagt Wehner. Er war es auch, der vor mehr als fünf Jahren die schweren Schäden im Bauwerk festgestellt hatte, die zunächst zur mehrjährigen Sperrung geführt hatten. "Es waren wirklich sehr, sehr große Risse", erinnert er sich. In den Folgejahren nahm deren Zahl und Größe noch weiter zu. Zeitweise gab es Sorgen, die Brücke könnte gar zur akuten Bedrohung für den darunter verlaufenden Bahnverkehr werden. Sicherheitshalber veranlasste die Stadt ein regelmäßiges Monitoring.

Dass die 2015 von den Stadträten gefasste Entscheidung für den Abriss teils bis heute kontrovers diskutiert wird, kann er ein Stück weit nachvollziehen: Eine solche Querung über die Gleise bekomme man heute so schnell nicht mehr genehmigt. Seines Wissens war in den vergangenen Jahrzehnten aber die Bedeutung der Brücke zurückgegangen. Die meisten Stahlwerker, für die das Bauwerk ja einmal angelegt worden war, kämen doch heute mit dem Auto zur Arbeit.

Wenn Mitte Januar der Kran steht, beginnt für Roland Senger und die anderen am Abriss Beteiligten der wohl spannendste Teil des Auftrags. Dann werden per Seilsäge die Schnitte durch den Beton gemacht – genau an den sogenannten Koppelstellen, an denen die Brückenelemente beim Bau miteinander verbunden wurden. Pro Schnitt rechnen Michael Wehner und Roland Senger mit fünf bis sechs Stunden. Genaue Zeitangaben seien schwierig, weil sich die Säge durchaus auch einmal verhaken kann. Allzu große Verzögerungen dürfen in dieser Phase allerdings nicht passieren: Bis zum Ende der zweiwöchigen Sperrpause muss die Brücke abgerissen sein.

Für die ausgehobenen Brückenfelder wurde schon eine Art Lagerfläche nördlich der Gleise vorbereitet. Dort legt der Kran dann die Teile ab. "Sie werden vor Ort zerkleinert und dann zu TS Bau abgefahren", erklärt Roland Senger. Auch das wird noch einmal einige Wochen dauern: Der Ora-Geschäftsführer rechnet damit, dass sich die Abrissarbeiten bis April 2022 hinziehen werden.