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Riesaer stehen Schlange für Einblicke in die Stahlproduktion

Feralpi lädt zum Tag der offenen Tür. Die Aktion dient ehemaligen Mitarbeitern und Nachwuchswerbung gleichermaßen.

Von Stefan Lehmann
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Alt und Jung stehen am Freitag auf dem Feralpi-Gelände an. Vor allem die Werkführungen sind enorm gefragt.
Alt und Jung stehen am Freitag auf dem Feralpi-Gelände an. Vor allem die Werkführungen sind enorm gefragt. © Sebastian Schultz

Riesa. Die Schlange vorm Eingang wächst rasch am Freitagmittag. "Wir können immer nur 15 Leute auf eine Führung mitnehmen", erklärt Feralpi-Sprecherin Adriana Schneider. Schließlich muss beim Gang durch die Stahlproduktion auch die Sicherheit gewährleistet sein. In den ersten Stunden des Tags der offenen Tür aber scheint die Nachfrage die Kapazitäten bei Weitem zu übersteigen.

Es sind die ersten Werkführungen seit drei Jahren. Corona hatte 2020 und 2021 so eine Veranstaltung unmöglich gemacht. Um die Mittagszeit sind es noch vor allem ältere Semester, die am Eingang zum Werksgelände anstehen. Ehemalige Mitarbeiter, die das Stahlwerk teils noch von früher kennen – und jetzt schauen wollen, was sich verändert hat.

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Nur einige hundert Meter weiter sind genau diese Veränderungen Thema. Das Zelt für geladene Gäste ist gut gefüllt, als Feralpi-Geschäftsführer Giuseppe Pasini erzählt, was er vor 30 Jahren in Riesa vorfand: Rund 11.000 Menschen arbeiteten damals im Stahlwerk, doch die Zukunft war ungewiss. Heute sei Feralpi ein etabliertes Unternehmen, in Riesa hätten Fähigkeiten, Professionalität und Entschlossenheit zum Erfolg geführt.

Zum 30-Jährigen wird der Feralpi-Chef später noch eine Skulptur einweihen, den "Lebensbaum". Passend, findet Pasini, denn "Stahl ist Leben": Schließlich wird in Riesa Schrott erneut zu brauchbarem Stahl für die Bauindustrie verarbeitet. Das Werk wird immer effizienter, rund 180 Millionen Euro werden in den nächsten Jahren in Riesa investiert.

Von 11.000 auf 800 Mitarbeiter

Nach der Wende allerdings hatte das Gelände deutlich verkleinert, ebenso wie die Belegschaft. Rund 800 Mitarbeiter zählt Feralpi am Standort Riesa heute. Tendenz zuletzt wieder steigend: Das neue Walzwerk etwa soll bis zu 100 neue Arbeitsplätze bringen. Zählt man die Drahtwerke in Tschechien und Ungarn dazu, "dann kratzen wir schon demnächst an den 1.000 Mitarbeitern in den nächsten Jahren", sagt Werksdirektor Uwe Reinecke.

Die Frage ist, wie diese Stellen in Zukunft zu besetzen sein werden. Die Nachwuchsgewinnung ist eine der Herausforderungen, denen sich Feralpi wie alle Industriebetriebe in der Region stellen muss, zusätzlich zu Energiekrise und den Investitionsvorhaben.

Den "Lebensbaum" auf dem Feralpi-Gelände hat der Riesaer Künstler Matthias Seifert geschaffen.
Den "Lebensbaum" auf dem Feralpi-Gelände hat der Riesaer Künstler Matthias Seifert geschaffen. © Sebastian Schultz

Erst kürzlich hat Uwe Reinecke die neuen Azubis bei Feralpi begrüßt. "18 haben wir gesucht, sechs konnten wir begrüßen. Das ist natürlich schon bedrohlich geworden", sagt Reinecke. Man müsse jetzt mehr tun, um präsenter zu werden, damit im kommenden Jahr wenigstens wieder zwölf junge Männer und Frauen ihre Ausbildung im Stahlwerk anfangen.

Gründe für die Flaute gibt es verschiedene, glaubt der Werksdirektor. Problematisch ist weniger die Konkurrenz, da dürften große Unternehmen wie Feralpi und Wacker Chemie noch ganz gut dastehen. Aber es gebe generell zu wenig junge Leute, die in die "Old Economy" wollen, also in einen klassischen Industrieberuf.

Mehr als nur Leitstand

Dazu kommt noch der Faktor der Corona-Pause: Nicht nur die Werkführungen konnten seit 2019 nicht mehr stattfinden. Auch Jobbörsen, Praktika oder Besuche an Schulen waren nicht möglich. Selbst ein großer Arbeitgeber wie Feralpi hat es da offenbar nicht leicht, bei Schülern wahrgenommen zu werden.

Uwe Reinecke erzählt, weshalb Azubis zuletzt ihre Stelle beim Riesaer Stahlproduzenten angetreten haben. "Was man hört: Es ist ein großer Arbeitgeber, er ist nicht weit von meinem Wohnort." Oder aber, es gebe schon Verwandte, die in der Stahlindustrie arbeiten. "Aber das Image der Berufe, die wir hier abbilden können, das müssen wir rüberbringen. Es ist nicht nur im Leitstand stehen. Es ist der Elektroniker, der IT-Spezialist, der Anlagenführer und Mechatroniker." Diese Vielseitigkeit sei vielen jungen Menschen noch nicht so recht bewusst.

Auch beim Thema duales Studium und an den Universitäten wolle man präsenter werden, so Uwe Reinecke. Mehr Studenten, die ihr Praktikum in Riesa machen oder ihre Abschlussarbeit schreiben, vielleicht auch als Trainees ins Stahlwerk kommen, das sei das Ziel. Und über den Sport, etwa das Sponsoring bei Stahl Riesa, versucht ebenso, die Jugend auf sich aufmerksam zu machen.

Dazu kommen eben noch die Führungen durchs Werk, zu denen sich am Freitag auch Schüler angemeldet haben. Am Sonnabend lädt Feralpi noch zu einem Familientag ins Werk. Vielleicht lässt sich auch dabei noch manches Kind begeistern, den Eltern nachzueifern.