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Rockt‘s noch einmal, Jungs

Starke Spieler, starker Sound: In „So viel Zeit“ mit Jan Josef Liefers wollen es fünf ergrauende Musiker noch mal wissen.

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Hohe ehren: Steffi (Laura Tonke) und Rainer (Jan Josef Liefers) bekommen sogar eine Gitarre von den Scorpions.
Hohe ehren: Steffi (Laura Tonke) und Rainer (Jan Josef Liefers) bekommen sogar eine Gitarre von den Scorpions. © Universum

Von Matthias von Viereck

Gerade erst ist mit „25 km/h“ ein Film gestartet, in dem zwei Männer, die sich 30 Jahre nicht gesehen haben, es noch mal so richtig krachen lassen. Auch in

„So viel Zeit“ sind drei Jahrzehnte verstrichen, es geht um eine Rockband und fünf Männer, die es noch mal wissen wollen. Die Kerle, das sind Jan Josef Liefers, Armin Rohde, Jürgen Vogel, Matthias Bundschuh und Richy Müller. Inszeniert nach Motiven aus dem gleichnamigen Roman von Frank Goosen erzählt Regisseur Philipp Kadelbach davon, dass es nie zu spät dafür ist, angestaubte Gitarren, angebrochene Drumsticks und verrostete Mikrofone wieder hervorzuholen. Flankiert werden die Fünf von Darstellern wie André M. Hennicke, Laura Tonke und Alwara Höfels. Die Hannoveraner Kultrocker Scorpions haben im Film einen Gastauftritt.

Drei Dekaden liegt das Zerwürfnis zurück. Das große Ende einer großen Rock-Hoffnung: Bochums Steine, das waren fünf langhaarige Jungen, selbstbewusst und hübsch. Und dann hat Rainer (Liefers) alles ruiniert, und zwar auf offener Bühne. Heute ist er völlig desillusioniert, die Frau weg; sein Geld macht Rainer mit Gitarrenunterricht, nicht mal der Sohnemann scheint viel von ihm zu halten.

Besser sehen aber auch die anderen Ex-Mitglieder der Steine nicht aus: Bulle, der Zahnarzt mit dem Pferdeschwanz (herrlich gegen den Strich besetzt: Rohde), Konni (Bundschuh), der sich Zuhause ebenso drangsalieren lässt wie im Lehrer-Job, Thomas (Müller), der noch immer den Playboy, eigentlich aber nur eine lächerliche Gestalt abgibt, schließlich Ole (Vogel), von dem keiner so recht weiß, was er in Berlin treibt. Rainer verfällt auf eine wilde Idee, als er von einem 80er-Jahre-Revival-Konzert hört: Dort, genau dort, will er Bochums Steine noch mal auf die Bühne bringen. Wenn da nur nicht diese beschissene Diagnose wäre: Hirntumor!

Selten im deutschen Film hat man eine männliche Truppe erlebt, bei der die Chemie so sehr stimmt: Liefers, Vogel, Bundschuh, Rohde und Müller erweisen sich als gleichsam ideale Besetzung. Ausgerechnet der im Filmkontext bisher weniger in Erscheinung getretene Matthias Bundschuh ist es, dessen Performance am meisten beeindruckt: Während etwa die Schwergewichte Armin Rohde und Richy Müller mit körperlicher Präsenz protzen, überzeugt Bundschuh mit feinem, fast schüchtern zu nennenden Spiel.

Wüsste man nicht um die Geburtsjahrgänge der Akteure (zwischen 1955 und 1968), wären nicht so viele Falten und Bäuche zu sehen, man wäre geneigt, „So viel Zeit“ einen Jungs-Film zu nennen. Bei so viel geballter Männlichkeit jedenfalls haben es die Frauen nicht leicht. Dass es Laura Tonke gleichwohl gelingt, mit ihrem Charme zu punkten, ist bemerkenswert.

Foto: Universum
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Der Film, der auch wegen der fast völligen Abwesenheit von digitaler Technik wie eine Hommage an die 80er anmutet, steckt voller Ruhrpottromantik. In Großaufnahmen sind immer wieder rauchende Schlote zu sehen; die Sonne glänzt durch Abwesenheit. Rainer gibt sich mit Blick übers Ruhrgebiet seinem Weltschmerz hin, betrinkt sich mit Dosenbier. Ein paar Szenen nur wurden in Berlin und Köln eingefangen, alle anderen Schauplätze fand das Filmteam in Bochum und Umgebung.

„So viel Zeit“ ist ein Herbstfilm und passt wunderbar in den November, die Zeit des Kinostarts. Auch im übertragenen Sinne spielt die Jahreszeit eine große Rolle. Denn auch wenn sich die fünf Protagonisten vielleicht noch nicht sämtlich im Herbst ihres Lebens befinden: Ihren Lebens-Sommer, den haben sie alle ganz bestimmt längst hinter sich.

Nicht zuletzt ist es Rockmusik, die diesen melancholischen Film prägt. Während die Band in der Buchvorlage Stücke der 70er-Jahre covert, dürfen die Steine in der filmischen Umsetzung eigene Stücke spielen: Zwar sind es nur zwei, die Songs „3 Affen“ und „Zu laut“ aber haben es in sich. Was freilich auch an der Bühnenpräsenz der Hauptdarsteller liegt: Die Chemie stimmt eben auch on stage.

Auch bekannte Rock-Stücke sind zu hören: Die vielleicht eindringlichste Sequenz des gesamten Films ist mit Dire Straits‘ famosem „Brothers in Arms“ unterlegt. Scorpions-Fans indes müssen darben: Die Szenen, in denen die Rocklegenden auftreten, sind denkbar kurz. Und irgendwie ist auch das konsequent: In „So viel Zeit“ schließlich, diesem angenehm altmodischen Film, soll’s um eine andere, wenn auch fiktive Rock-Combo gehen: Bochums Steine.

Der Film läuft im Dresdner Ufa-Palast