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Das Geheimnis der bunten Hunde

In der russischen Stadt Dserschinsk tauchen Vierbeiner in Blau und Rosa auf. Die Fellverfärbung könnte eine ernste Ursache haben.

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Dieser Hund mit blau gefärbtem Fell wurde in Dscherschinsk eingefangen. Noch wird über die Ursache der Verfärbung gerätselt
Dieser Hund mit blau gefärbtem Fell wurde in Dscherschinsk eingefangen. Noch wird über die Ursache der Verfärbung gerätselt © www.imago-images.de

Von unserem Korrespondenten Klaus-Helge Donath, Moskau

Sie gehören in Dserschinsk in letzter Zeit zum Straßenbild. Blaue und gletscherblaue Hunde streunen seit Tagen durch die Stadt, auch ein rosafarbenes Exemplar wurde gesichtet. Die ungewöhnliche Fellfarbe rief lokale Tierärzte und die städtische Verwaltung auf den Plan. Die meisten Tiere konnten eingefangen werden. Untersuchungen, so meldet die Behörde, sollen weder Krankheiten noch andere Abweichungen ergeben haben. Kurzum, kerngesund, lautete die Entwarnung. Angeblich hätten sich auch schon neue Herrchen gefunden, die sich mit den ungewöhnlichen Fellen schmücken wollten.

Dserschinsk ist nach dem Gründer des sowjetischen Geheimdienstes, Felix Dserschinski, benannt worden. Die Stadt liegt 40 Kilometer vor den Toren Nischni Nowgorods und 360 Kilometer östlich von Moskau. Früher war die Stadt mit 240.000 Einwohnern für Ausländer nicht zugänglich. Dserschinsk war eine geschlossene Stadt, wo vor allem Munition und chemische Kampfstoffe produziert wurden. 2019 machte die Stadt auf sich aufmerksam, als bei einer Explosion in einer Munitionsfabrik 79 Menschen verletzt und 180 Häuser zerstört wurden. Tagelang zogen sich die Aufräumarbeiten hin.

Ursache ungeklärt

Doch was mag mit den streunenden Hunden passiert sein? Können sie in eine Wanne mit Kupfersulfat gefallen sein, wie der ehemalige Inhaber einer Plexiglasfabrik vermutete? Oder sollten sie durch das „Weiße Meer“ geschwommen sein, ein Schlammsee mit weißschaumigen chemischen Rückständen auf dem Territorium der Giftfabriken? Zwischen 1930 und 1998 wurden vermutlich 300.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe auf dem Gebiet unsachgemäß entsorgt.

Oder sollten die Tiere womöglich genbehandelt worden sein? Die „Blue Line“ ist bei französischen Bulldoggen oder Staffordshire Terriern besonders beliebt. Sie sehen edel und extravagant wegen der Fellfarbe aus. Ihnen wird das Verdünnungs- oder Dilute-Gen bewusst implantiert.

Der Vorsitzende des Umweltausschusses der Duma, Waldimir Burmatow, meinte gegenüber dem Radiosender „Goworit Moskwa“, die Staatsanwaltschaft sei bereits verständigt worden. Schließlich könnten die Veränderungen auf ernste Umweltprobleme hinweisen: „Wir müssen genau ermitteln, wo diese armen Kerle herumgeklettert sind.“ Auch bei Podolsk sei ein pinkfarbener Hund inzwischen aufgetaucht, meinte der Abgeordnete.

Die Umweltorganisation „Blacksmith Institute“ führte Dserschinsk unter den drei verseuchtesten Städten der Welt, nach einer Elektroschrottdeponie in Accra (Ghana) und dem Mündungsdelta des Flusses Citarum bei Jakarta (Indonesien).

Ob die tatsächlichen Ursachen für die Verfärbungen noch gefunden werden? Angeblich hatte die Stadtverwaltung zunächst Schwierigkeiten, vom Inhaber der Immobilie eine Erlaubnis zu erhalten, die Tiere einzufangen. 2015 war der Plexiglashersteller „Orgsteklo“ pleitegegangen.

Gefärbte Hunde sind unterdessen keine neue Erscheinung. Bereits 2017 tauchten farbenfrohe Hunde in einem Industrieviertel im indischen Mumbai auf. Damals wurde vermutet, ungeklärte Industrieabwässer hätten die Verfärbung hervorgerufen.