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So trotzen sächsische Unternehmen Corona

Statt angesichts trüber Aussichten den Kopf in den Sand zu stecken, setzt so manches Unternehmen auf neue Ideen - und sattelt kurzerhand auf Hygiene um.

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Jan Wabst, Geschäftsführer der Seiwo Technik GmbH, sitzt bei einer Präsentation in seinem flexiblen Corona-Schutzraum.
Jan Wabst, Geschäftsführer der Seiwo Technik GmbH, sitzt bei einer Präsentation in seinem flexiblen Corona-Schutzraum. © dpa/Sebastian Willnow

Dresden. Eine selbst desinfizierende Besuchsbox, Hygieneschutzwände auf Theken und Schreibtischen oder eine Desinfektionsmittelsäule aus gebürstetem Edelstahl: Mit neuen Produktideen versucht Sachsens Mittelstand die Krise zu bewältigen. Dabei beweist nicht nur die Textilbranche Flexibilität. So hat ein Museumsausstatter aus dem erzgebirgischen Scharfenstein sein Know-how in Sachen Vitrinenbau genutzt und eine modulare Büroeinheit entwickelt.

Den "Protect Cube" - so der Produktname - kann man sich wie einen Raum im Raum vorstellen, erläutert Unternehmer Jan Wabst, der mit seinem Team sonst Ausstellungsmöbel für renommierte Museen baut. Die Besucherkabine könnte Wabst zufolge unter anderem in Senioren- und Pflegeheimen genutzt werden und das auch über Corona hinaus, zum Beispiel während der nächsten Grippewelle. Das Besondere: Der Schutzraum desinfiziert sich von ganz allein. Sogenanntes UV-C-Licht macht es möglich.

Nach Verlassen des Raumes macht eine starke Dosis dieser ultravioletten Strahlung Keimen den Garaus. "Das passiert im Unterschied zur händischen Desinfektion innerhalb von zwei Minuten. Zudem braucht es keine Desinfektionsmittel", so Wabst. Die Technologie sei nicht neu und werde unter anderem in Krankenhäusern oder bei der Wasseraufbereitung genutzt. Ein Luftreinhaltesystem und antibakterielle Oberflächen sorgten in Kombination mit einer intelligenten Systemsteuerung für zusätzliche Sicherheit.

So sieht der Protect Cube aus
So sieht der Protect Cube aus © Sebastian Willnow/dpa

Der Museumsbauer hat zudem eine digital aufgerüstete Version entwickelt. Dank elektronisch gesteuertem Zugang, Bildschirm, Videokonferenzsystem, Scanner und Drucker könnte so mancher Behördengang in Zukunft komplett kontaktlos erfolgen. "Der Cube könnte vor der Behörde, am Rathaus oder irgendwo im Stadtteil stehen. Per Videochat spreche ich mit meinem Sachbearbeiter, der an seinem Schreibtisch sitzt. Ich kann direkt kommunizieren, Dokumente scannen oder drucken und mich auch ausweisen, ohne dass ich die Behörde betreten muss."

Lässt sich ein Kontakt wie beim Einkaufen nicht vermeiden, kommen zwei weitere findige Mittelständler aus Sachsen ins Spiel. Als Spezialist in Sachen Edelstahl fertigt etwa die Firma Friedrich aus Grünhain-Beierfeld seit Beginn der Corona-Krise eine Säule aus gebürstetem Edelstahl, die die vielerorts provisorisch aufgestellten Tischchen mit Desinfektionsmittel ersetzen soll. Durch einen Armhebel entfalle das Berühren mit den Händen. Im alltäglichen Leben habe das Thema Desinfektion auf längere Zeit einen festen Platz eingenommen, so der Mittelständler mit mehr als 60 Mitarbeitern.

Auch ein Unternehmen aus dem mittelsächsischen Augustusburg will mit ansprechender Gestaltung bei Hygieneschutzwänden punkten. Eigens entworfen von einer Designerin, hat sich Rosskopf + Partner coronabedingt auf das Thema Hygiene verlegt. Eigentlich ist das Unternehmen mit rund 200 Beschäftigten an zwei Standorten in Sachsen und Thüringen Spezialist für Oberflächen. Nun steht die Fertigung von Schutzwänden aus Acrylglas mit flexibel einsetzbaren Halterungen aus Mineralwerkstoff auf dem Programm. Zwar musste auch der Mittelständler vorübergehend Kurzarbeit anmelden. Inzwischen ist aber nach Angaben des Unternehmens ein Großteil der Belegschaft wieder an Bord.

Insgesamt ist die wirtschaftliche Lage aber weit entfernt von Normalität: Laut einer KfW-Studie hat der deutsche Mittelstand allein im März 75 Milliarden Euro eingebüßt, sagt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). Demnach verdüstert sich die Stimmung rapide. "In einer aktuellen Umfrage haben 77 Prozent der Unternehmen die Situation mit "schlecht" oder "schlechter geht es nicht" bewertet, vor einem Jahr waren es lediglich 3,2 Prozent." Darüber hinaus würden sich die coronabedingten Effekte in vielen Branchen erst mit zeitlicher Verzögerung zeigen. "Ich fürchte deshalb, wir steuern auf eine dramatische Insolvenzwelle im zweiten Halbjahr zu."

In Sachsen spielt der Mittelstand eine große Rolle: Knapp drei Viertel der Arbeitsplätze stellen Firmen mit bis zu 250 Mitarbeitern, erklärt die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW). Die Corona-Krise habe bis dato kerngesunde Unternehmen in ihrer Existenz getroffen, sagt Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner. Es sei daher vertretbar, dass der Staat sie unterstütze. Ziel aller Hilfspakete müsse es jedoch sein, die wirtschaftliche Grundlage des Gemeinwesens zu erhalten. "Das geht nur mit einer gut laufenden Wirtschaft und fleißiger Arbeit." (dpa)

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