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Kohlegelder für den A4-Ausbau: Sinnvoll oder eine Fehlinvestition?

Die Landräte aus Bautzen und Görlitz wollen 300 Millionen Euro aus den Kohlegeldern für A4-Ausbau und Bahn-Elektrifizierung einsetzen. Das stößt nicht nur auf Zustimmung.

Von Tim Ruben Weimer
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Auf der A4 führt vor allem das hohe Lkw-Aufkommen häufig zu Staus. Doch für einen regulären Ausbau reichen die Verkehrszahlen bislang nicht aus. Deshalb wollen die Landkreise Bautzen und Görlitz nun Kohlegeld in die Hand nehmen.
Auf der A4 führt vor allem das hohe Lkw-Aufkommen häufig zu Staus. Doch für einen regulären Ausbau reichen die Verkehrszahlen bislang nicht aus. Deshalb wollen die Landkreise Bautzen und Görlitz nun Kohlegeld in die Hand nehmen. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Die Landkreise Bautzen und Görlitz wollen insgesamt 300 Millionen Euro aus dem Strukturmittelfonds der Kommunen und des Freistaats Sachsen verwenden, um damit den Ausbau der A4 und die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz voranzutreiben. Das teilten die beiden Landräte Udo Witschas und Stephan Meyer (beide CDU) am Freitag, dem 23. Februar 2024, mit.

"Diese Mittel sind in der aktuellen Situation die einzige Möglichkeit für Kommunen, wesentliche Projekte umzusetzen und weiche Standortfaktoren für die Wirtschaft und die Bürger zu schaffen", heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Der Vorschlag solle in den kommenden Wochen mit den Bürgermeistern in den beiden Landkreisen besprochen werden.

Freistaat: Verwendung der Kohlgelder wäre "absurd"

Der Bund hatte im November 2023 in einem Schreiben an den Bundestagsabgeordneten Torsten Herbst (FDP) zugesichert, einen eigenen Beitrag für den A4-Ausbau dazuzugeben, sofern der Freistaat 300 Millionen Euro an Strukturwandelgeldern einsetzen würde. Dieser zeigt sich jedoch skeptisch: "Es wäre absurd, Strukturwandelgelder für explizite Aufgaben des Bundes zu missbrauchen", erklärt ein Sprecher des sächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums. "Es ist die explizite Aufgabe des Bundes als Eigentümer und Bauträger, seine Bundesautobahnen bedarfsgerecht auszubauen. Dies hat nichts mit dem Strukturwandel in der Lausitz und dem geplanten Ausstieg aus der Braunkohle zu tun." Ausgeschlossen hatte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) diese Option jedoch nicht.

Der Bund sieht über den regulären Weg der Aufnahme der A4 in den Bundesverkehrswegeplan keine realistische Chance für einen Ausbau der Autobahn östlich von Hermsdorf. Die Landräte der Landkreise Bautzen und Görlitz zeigen sich jedoch zuversichtlich, dass eine neue Verkehrsprognose, die im Jahr 2024 erwartet wird, zumindest den Ausbau des Standstreifens zwischen Hermsdorf und Bautzen-Ost über diesen Weg rechtfertigen würde.

Kritisch äußert sich dagegen der Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst: "Selbst wenn bei der neuen Verkehrsprognose für das Jahr 2040 überraschende Zahlen herauskommen, stellt sich die A4 hinter alle anderen Projekte an." Die vorgeschlagene Finanzierung über die Kohlegelder stelle daher eine sinnvolle Abkürzung dar.

Kohletopf wäre bereits zu zwei Dritteln leer

Im vom Bund zur Verfügung gestellten Strukturmittelfonds sind für die Landkreise Bautzen und Görlitz ab 2026 noch 1,1 Milliarden Euro enthalten, die bis 2038 eingesetzt werden müssen. 450 Millionen Euro davon sind bereits für das Bauforschungszentrum "Living Art of Building" verplant, das in Bautzen angesiedelt werden soll. Unter Einberechnung der 300 Millionen für A4-Ausbau und Bahn-Elektrifizierung wäre der Fonds damit zu zwei Dritteln leer. Auch die Kommunen bereiten weitere Anträge für Projekte vor, die mit den Strukturmittelgeldern finanziert werden sollen.

Mit einer Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz sei bis 2030 nicht zu rechnen, hatte die Bundesregierung Anfang Februar 2024 mitgeteilt. Andere Projekte wie die Neubaustrecke Dresden-Prag oder die Elektrifizierung der Strecke Cottbus-Görlitz, die durch Kohlegelder finanziert wird, seien bereits in Planung.

Landräte kritisieren Verkehrsprognose

Für den Ausbau des bislang sechsstreifigen Abschnitts der A4 zwischen Nossen und Hermsdorf auf acht Spuren hat die Autobahn GmbH des Bundes bereits die Planungen aufgenommen. Der Ausbau des östlichen Teils wird dagegen nicht von der aktuell noch gültigen Verkehrsprognose gedeckt. Demnach würden im Jahr 2035 auf der A4 bis Bautzen täglich 56.000 Fahrzeuge verkehren, zwischen Bautzen und Görlitz werden maximal 30.000 Fahrzeuge vorhergesagt.

An dieser Prognose äußern die beiden Landräte jedoch Kritik. Durch die Entscheidungen für einen Bundeswehr-Standort in Straßgräbchen, das Astrozentrum in Görlitz und das Bauforschungszentrum in Bautzen, die Ansiedlung der Mikrochipfabrik TSMC in Dresden und den bevorstehenden Wiederaufbau der Ukraine seien die Prognosen des Bundes nicht mehr haltbar. Der Bautzener Landrat Udo Witschas bezeichnet die beiden Infrastruktur-Projekte als "Fundament des Strukturwandels". Sein Görlitzer Amtskollege ergänzt: "Es geht um unsere Zukunft hier in der Oberlausitz, und dafür ist eine gute Anbindung auf Straßen und Schienen essenziell."

Auch der Bautzener Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU) teilt mit, er teile die Verkehrsprognose des Bundes nicht. "Wenn der Krieg in der Ukraine beendet ist, werden Transporte für den Wiederaufbau des Landes über die A4 weiter zunehmen. Dieser Tatsache kann man sich nach meinem Dafürhalten weder in Berlin, noch in Dresden ernsthaft verschließen."

A4-Ausbau bis zur Grenze nach Polen ist unrealistisch

Den Einsatz von Strukturmitteln infrage stellt dagegen der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos), da es sich dabei um eine reine Vorratsinvestition handle, wenn der Bedarf nicht festgestellt sei. Andere Projekte wie der Ausbau der B97 von Ottendorf bis Bernsdorf oder die Stabilisierung der Krankenhauslandschaft würden dann leer ausgehen.

Laut dem Bautzener Landtagsabgeordneten Marko Schiemann (CDU) hätten sich die Verkehrsprognosen des Bundes in den vergangenen zehn Jahren nicht bewahrheitet, Fachleute würden bereits von 60.000 Fahrzeugen pro Tag sprechen. Ein hinausgeschobener Ausbau würde nur zu größeren Verkehrseinschränkungen führen. Der ehemalige Verkehrs-Obmann der FDP im Bundestag, Torsten Herbst, zeigt sich optimistisch, dass zwischen Bund und Freistaat noch eine Lösung für den Ausbau gefunden wird. Eines sei jedoch klar: Der vollständige Ausbau der A4 bis zur Landesgrenze sei unrealistisch.