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Hörsaalbesetzung: Unis sollen Klimabewusstsein lehren

Klimaaktivisten besetzen in Leipzig den größten Hörsaal. Im Interview erklärt der Vertreter der sächsischen Studierendenschaft, was an den Hochschulen schiefläuft.

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Chemie-Student Roman Behrends unterstützt die Hörsaal-Besetzung an der Uni Leipzig für mehr Klimaschutz. Im Interview erklärt er, warum die Hochschule Greenwashing betreibe
Chemie-Student Roman Behrends unterstützt die Hörsaal-Besetzung an der Uni Leipzig für mehr Klimaschutz. Im Interview erklärt er, warum die Hochschule Greenwashing betreibe © Anja Jungnickel

Der 22-jährige Chemiestudent Roman Behrends ist gewählter Vertreter der Konferenz Sächsischer Studierendenschaft, die mehr als 105.000 Studierende in Sachsen vertritt. Bereits seit 2020 fordern sie die Hochschulen auf, klimafreundlicher zu werden. Angesichts der aktuellen Hörsaalbesetzungen in Leipzig gibt Roman Behrends ein Interview dazu. Er besetzt zwar nicht den Hörsaal mit, unterstützt die Aktion aber.

Roman, wieso sprecht ihr von Greenwashing an den Hochschulen?

Zuletzt haben die Rektoren der sächsischen Hochschulen ein Positionspapier zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit rausgebracht. Wir finden das gut, aber was darin steht ist absolut nichtssagend. Es fehlt an konkreten Maßnahmen und Selbstverpflichtungen.

Was fehlt euch?

Zentral ist, dass sich die Hochschulen ein konkretes Ziel setzen: zum Beispiel, dass bis 2030 die Universität klimaneutral werden soll oder auch eine jährliche Reduktion der CO2-Emissionen um 10 Prozent. Dass sollte jede Hochschule selbst oder sachsenweit beschlossen werden. Und dann fordern wir die Hochschulen auf, eine Strategie zu formulieren, damit jeder nachvollziehen kann, wie sie das Ziel erreichen wollen. Und als drittes Instrument sollte es einen jährlich erscheinenden unabhängigen Nachhaltigkeitsbericht geben, also mit knallharten Zahlen.

Was fordert ihr noch?

Wir als Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) vertreten 105.000 Studierende, bereits 2020 haben wir einen klimapolitischen Forderungskatalog für alle sächsischen Hochschulen beschlossen. Darin fordern wir unter anderem, einen verkehrsberuhigten, grünen und lebenswerten Campus zu schaffen. Dafür wünschen wir uns konkret große Grün- und Wasserflächen auf den Campus, insekten- und vogelfreundliche Hochschulen, mehr Baum- und Grünpflanzungen sowie Fassadenbegrünung. Wir fordern außerdem, den Ökostromanteil der Hochschulen auf 100 Prozent zu erhöhen. Dort sind wir sehr erfreut, dass ab 2023 das Sächsische Immobilien- und Baumanagement (SIB) dieser Forderung nachkommt. Aber auch, dass jeden Tag mindestens ein veganes Hauptgericht in den Mensen angeboten werden soll.

Wieso? Schlägt das nicht zu sehr aufs Individuum?

Das ist immer die Frage, inwieweit man hierbei Studierende bevormundet. Es geht ja nur darum, ein veganes Gericht als Alternative anzubieten. Auch um zu zeigen: Man muss nicht jeden Tag Fleisch essen.

Im Audimax der Leipziger Uni findet seit Montag ein Klimaprotest statt: Demonstranten wollen mehrere Tage dort bleiben. Ihnen geht der Klimaschutz nicht schnell genug. Sie fordern unter anderem, dass die Uni bis 2030 klimaneutral werden soll.
Im Audimax der Leipziger Uni findet seit Montag ein Klimaprotest statt: Demonstranten wollen mehrere Tage dort bleiben. Ihnen geht der Klimaschutz nicht schnell genug. Sie fordern unter anderem, dass die Uni bis 2030 klimaneutral werden soll. © xcitepress/Benedict Bartsch

Ihr fordert die Hochschulen auf, die Klimakrise als Fluchtursache anzuerkennen. Warum ist euch das ein Anliegen?

Die Klimakrise ist global. Wir in der westlichen Welt produzieren pro Kopf mit am meisten Kohlenstoffdioxid. Aber im globalen Süden hat der Klimawandel viel stärkere Auswirkungen auf die Regionen, durch Dürren und Meeresspiegelanstieg könnte es Millionen Klimaflüchtende geben. Wir wollen auch ins Zentrum rücken, woher unser Wohlstand kommt: Nämlich daher, dass wir Rohstoffe aus dem globalen Süden beziehen, was so nicht weitergehen kann.

Und wie soll das eine Uni verändern?

Wir hoffen, dass wenn die Uni Stellung bezieht, das Thema auch mehr in der Gesellschaft eine Rolle spielt. Sie kann dazu beitragen, bewusst zu machen, woher unser Wohlstand kommt und welche Folgen dieser in anderen Regionen der Welt hat.

Ihr schreibt, dass sich die Universitätsleitungen bekennen sollen, dass die ökologische Krise eindeutig auch ein Produkt der kapitalistischen Wirtschaftsweise ist. Was bedeutet das denn für eine Hochschule, die Manager, oder Ingenieure ausbildet?

Wie wir ja derzeit sehen, ist unser Wirtschaftssystem klimaschädlich. Wir fordern deshalb von der Uni, sich vermehrt in der Forschung und Lehre damit zu beschäftigen, wie unsere Gesellschaft nachhaltig funktionieren kann. Wie kann eine Wirtschaft aussehen, dass sie nicht Natur und Mensch ausbeutet.

Du studierst Chemie. War Klimaschutz Thema in deinem Studium?

Im Grundstudium wurde es mal erwähnt, aber es spielte kaum eine Rolle. Was mir fehlt, ist ein verpflichtendes Modul in jedem Studiengang, sich damit innerhalb und außerhalb der Disziplin mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen.

Warum spielt für dich die Hochschule eine wichtige Rolle beim Klimaschutz?

Wenn man studiert, arbeitet man später in verschiedenen Gesellschaftsbereichen und ist in Positionen wo man Entscheidungen zu treffen hat. Sei das in der Führungsetage von Unternehmen oder in Gremien anderen Zusammenschlüssen. Und hierbei sollte uns die Uni auch darin ausbilden, Nachhaltigkeit immer mitzudenken. Auch die Forschung sollte vielmehr fokussieren, wie nachhaltige Erfindungen und klimagerechte Gesellschaften aussehen könnten.

Bereits vor drei Jahren gab es Uni-Besetzungen für mehr Klimaschutz. Was hat sich seitdem getan?

Es hat sich eher wenig getan, auch weil die Pandemie dazwischen kam. Und das hat das Momentum der Nachhaltigkeitsbewegung, wie auch bei Fridays for Future zu sehen war, gestoppt. Bei uns an der Uni Leipzig wurde das Thema sehr ausgebremst. Auch bei der TU Chemnitz sehen wir kaum Fortschritte, die TU Dresden hat dagegen schon vieles erreicht. Allerdings kann man von der TU Chemnitz und der Uni Leipzig nicht behaupten, dass es zu wenig Initiative aus der Hochschulgesellschaft gibt. Wir begrüßen aber, dass mit dem Entwurf für das Sächsische Hochschulgesetz Nachhaltigkeit als essenzielles Aufgabenfeld der Hochschulen festgelegt wurde.

Auch jetzt wird wieder der Hörsaal in Leipzig besetzt. Vor der TU Dresden gab es Protestaktionen. Die Klimaaktivisten stehen auch im Zusammenhang mit der Letzten Generation, die sich auf die Straße kleben. Findest du das legitim?

Ja, ich habe nichts gegen zivilen Ungehorsam, zumindest wenn er wirklich auf die Themen aufmerksam macht. Ich habe manchmal das Problem, das zu sehr die Protestform an sich im Vordergrund steht und nicht die Forderungen. Manchmal diskutiert man dann nur, was es jetzt mit dem Kartoffelbrei auf sich hat und nicht, was dahintersteckt. In Anbetracht der bisherigen Ignoranz, konkrete Maßnahmen anzugehen, kann ich das radikale Vorgehen einiger Klimaaktivist*innen sehr gut verstehen.

Das Gespräch führte Luisa Zenker.