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Hirschhausen in Dresden: Der Klima-Kleber der Herzen

Keiner vermittelt seine Wut über die Dummheit des Menschen charmanter als Eckart von Hirschhausen. In Dresden zieht er zum Abschluss seiner Bühnenkarriere alle Register.

Von Henry Berndt
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Beim womöglich vorletzten Auftritt seiner Bühnenkarriere schwor Eckart von Hirschhausen sein Dresdner Publikum auf den Kampf gegen die Klimakrise ein.
Beim womöglich vorletzten Auftritt seiner Bühnenkarriere schwor Eckart von Hirschhausen sein Dresdner Publikum auf den Kampf gegen die Klimakrise ein. © dpa

Es darf gelacht werden, verspricht Eckart von Hirschhausen. Zur Erheiterung am Montagabend sind schließlich all die Menschen in den ausverkauften Dresdner Kulturpalast gekommen. Allerdings macht der Kabarettist unter den Ärzten auch von der ersten Minute an klar: Lasst euch gern von mir unterhalten, aber hört mir auch zu, denn ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen. Der Abend in Dresden ist Hirschhausens vorletzte Show.

Nach fast 30 Jahren auf der Bühne macht der 55-Jährige Schluss (diverse Comebacks natürlich nicht ausgeschlossen). Künftig will er sich über seine Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ seinem neuen Lebensthema widmen: der Klimakrise und dem schwierigen Weg heraus. Dabei betont er gern, dass nicht das Klima gerettet werden müsse, sondern die Menschheit selbst. „Wenn jemand nach einem schweren Unfall in die Notaufnahme kommt, schaut man auch erst mal nach Herz-Kreislauf und Hirn, nicht nach Fußpilz. Und wir haben gerade einen planetaren Notfall“, sagt er.

Nach Glück, Liebe und Wundern widmet sich der Doktor der Nation dem vielleicht größten Thema unserer Zeit: der Zeit selbst. Bei seiner Abschiedsvorstellung steht die Vergänglichkeit des Lebens im Großen und im Kleinen im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. „Endlich!“, heißt der Titel, verbunden mit der Frage: „Wenn das Leben endlich ist, wann fangen wir endlich an zu leben?“ Und das im besten Fall noch im Einklang mit Mutter Natur.

"Leute, ihr zerstört euer eigenes Wohnzimmer"

Wie von ihm gewohnt, verzichtet Hirschhausen auf humoristischen Frontalunterricht und bezieht sein Publikum ausgiebig in seine Gedanken ein. Die Besucher dürfen singen, summen und ihren Beckenboden trainieren. Das macht Spaß und wird musikalisch vom großartigen Christoph Reuter am Klavier begleitet. Nicht jede Nummer folgt einem roten Faden, aber Hirschhausen will noch mal all seine Facetten offenbaren. So mag er zwar nicht der beste Sänger sein, aber wenn er von Weinbergschnecken singen möchte, dann macht er es einfach. Ein bisschen wie am letzten Arbeitstag in der alten Firma.

Freundlich verpackt, aber oftmals vollkommen unironisch knöpft er sich dann sein Publikum vor: Leute, ihr zerstört gerade euer eigenes Wohnzimmer. Mehr noch: euren einzigen Lebensraum. Euer ökologischer Fußabdruck macht eine Tier- und Pflanzenart nach der anderen platt. In euren Schottergärten des Grauens stirbt Biene Maja. Wie er es trotzdem schafft, dass seine Besucher nach all dem nach drei Stunden zur Garderobe schlendern und sich sagen: „War doch wieder nett bei Hirschhausen“, bleibt sein Geheimnis.

Womöglich ist er inzwischen so etwas wie der Klima-Kleber der Herzen, wobei er sich dafür nirgendwo auf die Straße setzen muss. Sein Kleber sind Botschaften, die er seinen Zuhörern so lange sanft ins Ohr säuselt, bis wenigstens einige von ihnen den Ernst der Lage verstehen. Im Gegenzug gibt es das Versprechen, am Ende jedem Gast wenigstens einen positives Gedanken mit nach Hause zu geben.

Dafür zieht Hirschhausen in Dresden alle Register: Eine leuchtend blaue Erdkugel, ein Lagerfeuer und sogar eine Wunderkerze kommen zum Einsatz. Viel anmutiger könnte die Schönheit der Welt nicht in Szene gesetzt werden. Aber auch nicht viel kitschiger. Fehlt nur, dass er am Ende noch „What a Wonderful World“ von Louis Armstrong anstimmt. Und schon greift Hirschhausen zum Mikrofon: „I see trees of green…“