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Warum nicht Solar-Module bauen?!

Bei der Barbarafeier der Leag in Schwarze Pumpe deutet ein Vorstand des Unternehmens große Möglichkeiten an.

Von Irmela Hennig
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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke war auf der Leag-Barbarafeier in Schwarze Pumpe dabei.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke war auf der Leag-Barbarafeier in Schwarze Pumpe dabei. © Foto: Leag/Andreas Franke

Es gab zwar viel „vielleicht“ in der Festrede von Dr. Philipp Nellessen. Doch die garnierte der Bauingenieur, der im Leag-Vorstand den Bereich Bergbau verantwortet, bei der Barbarafeier am Montagabend mit reichlich „Warum nicht“.„Warum sollten wir nicht erneuerbare Energieanlagen warten können und mit der Instandhaltung von Solaranlagen und eventuell sogar Windkraftwerken anfangen? Warum sollten wir nicht selbst Anlagen aufstellen und vielleicht Solarmodule herstellen?“ Man müsse das überprüfen beim Bergbau- und Kraftwerksbetreiber Leag. Aber wer das Tempo beobachtet, mit dem das Unternehmen „Vielleichts“ und Ideen in den letzten Jahren in Projekte umgesetzt hat, kann sich die Entwicklung hin zum Dienstleister im Bereich erneuerbare Energieanlagen durchaus vorstellen.

Was den 45-jährigen Nellessen zuversichtlich mache, sei eine kürzlich erlebte „Anekdote“ aus dem Arbeitsalltag. Für ein Projekt benötigte das Unternehmen eine Technikstation. Ein externer Auftragnehmer hätte dafür 40 Wochen Zeit gebraucht. „Wir sind dann auf unsere Bergbau-Werkstatt zugegangen. Die konnte in 17 Wochen liefern“, so Nellessen. Darum also der Glaube an das „Warum nicht“ – ausgesprochen vor rund 550 Gästen, die in der Instandsetzungshalle des Unternehmens in Schwarze Pumpe die Rede verfolgten. 200 weitere Zuhörer erlebten die Videoübertragung in der nahen Zentralküche. Auch an den Leag-Standorten in Boxberg, Jänschwalde und in Lippendorf bei Leipzig hörten Bergleute und Kraftwerker, was der Vorstand zur Zukunft des Unternehmens mit derzeit rund 7.000 Beschäftigten zu sagen hatte. Die ist zumindest derzeit, trotz gesetzlich geplantem Ausstieg aus Braunkohleförderung und -verstromung, noch sehr kohlelastig. Bis Jahresende, so Nellessen, werde die Leag 50 Millionen Tonnen Kohle verstromt haben. „Nächstes Jahr werden es 60 Millionen Tonnen sein – 50 Prozent mehr als 2021.“ Nach vier Millionen Tonnen veredelter Kohle in 2022 könnte man 2023 auf 4,2 Millionen Tonnen kommen. „Das ist so viel wie zuletzt vor 25 Jahren“, sagte der Vorstand. Und nicht nur in seinen Worten schwang eine gewisse Genugtuung darüber mit, dass man die Leag wieder als „systemrelevantes Energie-Unternehmen“ anerkennt. Dass man Kumpels, Kolleginnen und Kollegen „mit Respekt begegnet und würdigt, dass ihr gute, ehrbare und wichtige Arbeit leistet“.

Rheinisches Revier kein Vorbild

Hintergrund ist die Entscheidung des grün geführten Bundeswirtschaftsministeriums, die Kraftwerksblöcke E und F in Jänschwalde wieder in Dienst zu nehmen, obwohl die kurz vor der endgültigen, gesetzlich verordneten Stilllegung standen. Das war ein Umstand, den Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in seinem Grußwort ironisch kommentierte mit den Worten: „Wir brauchen Kohle für unsere Region und auch ein bisschen für unsere deutsche Energieversorgung – wer hätte das gedacht.“

Ohne das Wort „Mogelpackung“ direkt auszusprechen, kennzeichnete der den kürzlich angekündigten früheren Kohleausstieg im Rheinischen Revier im Jahr 2030 als solchen. Denn das sei kein Ausstieg aus fossiler Energie, sondern ein Umstieg in fossile Energie – also von Kohle auf Stromerzeugung durch Erdgas. „Schwierig zu bekommen und dauerhaft der teuerste Strom im deutschen Netz.“ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) war nicht selbst vor Ort und hatte eine kurze Grußbotschaft geschickt. Er betonte, dass die Landesregierung bereit sei, „sich ab und zu mit der Bundesregierung anzulegen“, wenn es darum gehe, Versorgung mit günstigem Strom zu erreichen.

Dass die Zukunft langfristig nicht mehr der Kohle gehört, signalisierte die Raumgestaltung. Rechts der Bühne standen zwar zwei Schaufeln von Eimerkettenbaggern, mit denen nach Kohle gegraben wird. Sie umrahmten Barbara, die Schutzheilige der Bergleute. Doch auf der linken Seite war aus Großbuchstaben die Vorsilbe „Giga“ aufgestellt worden. Sie steht für das Giga-Factory-Vorhaben der Leag. Bis 2030 will das Unternehmen in der Lausitz erneuerbare Energieanlagen mit einer Kapazität von sieben Gigawatt errichten. Hinzu kommen vier Gigawatt wasserstofffähige Gaskraftwerke sowie Speicherkapazität von zwei Gigawattstunden. Vor Kurzem hatte die Leag signalisiert, dass bis 2040 weitere sieben Gigawatt Kapazität hinzukommen könnten. Allerdings stehe dem gesamten Projekt das deutsche Planungsrecht entgegen. Werde das nicht geändert, stagniere man bei 3,3 Gigawatt, so hieß es kürzlich auf einem Forum von Unternehmerverbänden.

Kauf von fünf Pelletwerken

Thorsten Kramer, Vorstandsvorsitzender der Leag, legte einen Fokus auf das Miteinander. „Die Leag braucht die Lausitz und umgekehrt. Das ist keine Notgemeinschaft“, betonte er. Praktisch umgesetzt wird dieses Miteinander unter anderem durch eine gerade unterzeichnete Absichtserklärung des Bergbausanierers LMBV und der Leag. Sie „wollen künftig für die Herstellung einer vielfältigen und nachhaltigen Bergbaufolgelandschaft enger zusammenarbeiten“, hieß es am Montag in einer Pressemitteilung. Schwerpunkte seien Wasserhaushalt und Klimawandel, die Sicherung von Kippenflächen, sowie berg- und umweltrechtliche Genehmigungsverfahren.

Mit Blick auf die Veredlung von Briketts unter anderem für heimische Öfen strebe die Leag den Umstieg von Kohle- auf Holzprodukte an, so Vorstand Philipp Nellessen. 2022 habe man darum bereits drei Pelletwerke gekauft. Zwei weitere könnten bis Jahresende hinzukommen. „Bis 2025 werden wir mehr Umsatz mit der Veredlung von Holz-, als mit der von Kohleprodukten machen.“ Nach der Big-Battery, dem Batterie-Großspeicher in Schwarze Pumpe, könnte es am Kraftwerk in Boxberg künftig die Fat-Battery geben. Die Fette also, mit 75 Megawattstunden Kapazität – das steht für die Energiemenge, die aufgenommen und abgegeben werden kann. Dies ist etwas mehr als der Pufferspeicher am Leag-Standort Schwarze Pumpe nördlich von Hoyerswerda zu bieten hat, der schon läuft. Mit Blick auf Boxberg „hoffen wir auf eine baldige Investitionsentscheidung“, sagte Toralf Smith, neben Uwe Teubner einer der beiden Vorsitzenden des Leag-Gesamtbetriebsrates.

Teubner zählte in seiner Jahresbilanz die Einstellung von 800 neuen Mitarbeitern zu den positiven Momenten. Smith ergänzte, dass alle Auszubildenden, die dieses Jahr fertig geworden sind, übernommen wurden. „Wir gehen davon aus, dass es auch 2023 so läuft“, so Smith. Auch er sparte nicht mit Seitenhieben auf politische Entscheidungen zur Kohle und schlug vor, zur Barbarafeier im nächsten Jahr ein Wasserbecken in die Halle zu stellen, „um klar zu machen, dass wir hier ausbaden müssen, was die Politik anrichtet“, so Smith. Während die Anwesenden die Verlässlichkeit der großen Politik mehrfach anzweifelten, hatte sich die Schutzheilige Barbara diesbezüglich als treu erwiesen. Es habe in den letzten Jahren keine tödlichen Arbeitsunfälle gegeben, so Philipp Nellessen. Die Unfallquote sei so niedrig wie noch nie zuvor gewesen.