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Massiver Widerstand gegen Behördenumzug

Über 70 Prozent der Beschäftigten der Landesuntersuchungsanstalt wollen nicht nach Bischofswerda. Das hat Gründe.

Von Daniel Krüger
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Die Tore blieben zu: Beim Landesamt für Untersuchung in Dresden geht die Angst vor einer Kündigungswelle um. Grund ist ein geplanter Umzug der Behörde nach Bischofswerda.
Die Tore blieben zu: Beim Landesamt für Untersuchung in Dresden geht die Angst vor einer Kündigungswelle um. Grund ist ein geplanter Umzug der Behörde nach Bischofswerda. © René Meinig

Die Veranstaltung am Sitz der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) in der Jägerstraße in Dresden findet unter Ausschluss von Presse und Öffentlichkeit statt. Am Eingang haben sich zwei Mitarbeiter positioniert. Sie passen auf, dass nur geladene Gäste das Gelände betreten.

Das Thema ist brisant. Im Juli hatte das Sozialministerium angekündigt, man prüfe einen Umzug des Behördensitzes nach Bischofswerda. Vielen Beschäftigten passt das nicht, der Personalrat verfasste einen offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der bis heute unbeantwortet blieb. 

Mitarbeiter zum Umzug: "Großer Mist"

"Das wäre großer Mist", sagt ein Mitarbeiter in Leitungsfunktion. Besonders für Familien mit Kindern, insbesondere Mütter in Teilzeit, sei es undenkbar, aus Dresden wegzuziehen oder zu pendeln, dazu kämen riesige Aufwände beim Annehmen und dem Austausch von Laborproben. 

Die LUA ist die wichtigste Gesundheitsbehörde in Sachsen. An den beiden Dresdner Sitzen unterstützen 264 Mitarbeiter die Gesundheitsbehörden beim Vollzug lebensmittelrechtlicher Vorschriften, bei medizinischen Untersuchungen und der Erstellung von Gutachten. 

Besonders in Corona-Zeiten haben die Mitarbeiter viel zu tun. Heute wollen sie endlich Antworten darauf, wie es weitergehen soll - und ob ihr Arbeitsplatz in Dresden doch noch zu retten ist.

Köpping bleibt Gegnerin von Kretschmers Plänen

Weil der Termin außerhalb stattfindet und die Redner ein Mikrofon nutzen, ist auch in der Nähe des Geländes gut verständlich, was gesprochen wird. Auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) ist gekommen. "Wie Sie wissen, haben wir unterschiedliche Positionen in der Landesregierung", sagt Köpping gleich zum Auftakt.

Gemeint ist: Köpping hat sich bereits vor Wochen hinter die LUA-Präsidentin Gerlinde Schneider gestellt. Schneider hatte in einem internen Schreiben geäußert, dass der "geregelte Betrieb" des Landesamts in Bischofswerda "nicht gewährleistet" sei. 

Köpping bleibt auch heute bei dieser Position. Zwar sei ein Landesuntersuchungsamt in Bischofswerda grundsätzlich denkbar, aber sie könne das so aktuell nicht unterstützen. Applaus brandet bei den Mitarbeitern auf.  

Kretschmer: "Es gibt Bischofswerda oder Nichts"

Doch die Diskussion um die Zukunft des LUA soll sich heute stark auf Michael Kretschmer konzentrieren. Kretschmer will die Entscheidung für Bischofswerda in spätestens zwei Wochen durch das Kabinett bringen. Damit hat er sowohl seine Ministerin als auch große Teile der Belegschaft und die Leitung gegen sich. 

Kretschmer argumentiert, es gebe keine Alternative zu Bischofswerda. "In den nächsten Jahren kann das Objekt hier rechtlich-technische Kriterien nicht mehr erfüllen. Seit 20 Jahren wurden Baumaßnahmen immer wieder verschoben. Vor einem Jahr war geplant, die LUA nach Radeberg umzusiedeln. Wir haben das Objekt nicht bekommen. Wir stehen jetzt vor der Entscheidung: Bischofswerda oder Nichts." 

Der Umzug habe nichts mit der Stärkung des ländlichen Raumes zu tun, sagt Kretschmer. "Ich habe auch nichts von Bischofswerda." Es sei schlicht dringend notwendig, schnell einen Standort zu finden. Gleichzeitig warne er aber auch vor steigenden Mieten in Dresden. "Wer sagt uns, dass wir nicht auch in dieser großartigen Metropole die Situation bekommen, dass Leute lieber außerhalb auf dem Land wohnen, wo die Lebenshaltungskosten geringer sind?"

80 Prozent wollen nicht in die Lausitz pendeln

Personalrat und Präsidentin Schneider sehen das anders. Bei einer Mitarbeiterbefragung habe sich ergeben, dass 80 Prozent der Beschäftigten nicht nach Bischofswerda pendeln würden, aber auch nur sechs Prozent einen privaten Umzug für denkbar halten. 

Gleichzeitig warnen Präsidentin Schneider und mehrere Fachspezialisten aus unterschiedlichen Abteilungen davor, den Standort Dresden zu verlassen. Die Mitarbeiter müssten auch am Wochenende schnell und flexibel in die Behörde kommen, um etwa Proben anzunehmen und zu untersuchen.

Zudem würden viele Firmen ihren Service für hochsensible Messgeräte nur in der Landeshauptstadt anbieten. Gleichzeitig fürchtet man, keine Fachkräfte mehr zu bekommen, da Dresden viele andere attraktive Arbeitsplätze biete. 

"Ich prophezeie: Wenn die Entscheidung kommt, wird im Monat darauf der Schwund kommen. Ich kann nicht mit nur drei Leuten hier im Labor sitzen. Die Funktionsfähigkeit der LUA wäre nicht mehr gegeben", sagt Gerlinde Schneider. 

Stellen-Entfristung und Taxi-Shuttle?

Kritik gibt es vom Personalrat auch an der Kommunikation der Regierung gegenüber der LUA. Ein vom Sozialministerium beauftragter Experte des Sächsischen Immobilien- und Baumanagements, der mögliche Baugrundstücke untersucht hat, erklärt bei der Veranstaltung, es habe sich kein Eigentümer im Umland gefunden, der eine drei Hektar große Fläche mit allen Voraussetzungen zur Verfügung stellen wollte. 

Dies habe er den Ministerien frühzeitig mitgeteilt. Bei der LUA hingegen heißt es, man habe Anfang Januar plötzlich davon erfahren, dass nur noch der Standort Bischofswerda im Rennen um den neuen Sitz sei. 

"Es tut mir Leid, wenn da etwas bei Ihnen nicht angekommen ist", sagt Kretschmer zum Abschluss - und wirbt erneut um den Standort in der Oberlausitz. "Ich will, dass Sie alle mitkommen. Ich sehe nicht, dass das unmöglich ist, wir haben auch schon andere Behörden im ländlichen Raum angesiedelt."

Eine Einigung, die wird es heute nicht geben. Stattdessen, so der vorläufige Kompromiss, sollen Personalrat, LUA-Leitung und Ministerien in den kommenden Tagen nochmals verhandeln. Kretschmer stellt unter anderem in Aussicht, dass Stellen entfristet werden könnten. Auch von einem Taxi-Shuttle für die Mitarbeiter und dem Verbleib einiger relevanter Teilbereiche in Dresden ist die Rede.

Die SPD-Fraktion im Landtag hingegen stellte sich bereits im Vorfeld der Veranstaltung gegen das Vorhaben. "Eine solche Standortentscheidung sollte nicht über die Köpfe der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinweg getroffen und durchgesetzt werden. Man kann nicht einerseits die enorme Leistung und Einsatzbereitschaft während der Corona-Pandemie loben und dann dieselben Leute mit so einem Vorhaben vor den Kopf stoßen", sagte die Gesundheitspolitikerin Simone Lang. 

Die Sozialdemokraten schlagen vor, stattdessen ein der LUA nachgeordnetes Landesgesundheitsamt in Bischofswerda anzusiedeln. Diesem Vorschlag schließt sich auch Köpping an. Es bleibt spannend im Poker um den Sitz der Behörde.