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CDU-Parteitag in Chemnitz: Kretschmer vor erster Wiederwahl-Hürde

Sachsens CDU-Chef will nach der Wahl 2024 Ministerpräsident bleiben. Auf einem Parteitag wird sich nun zeigen, wie stark ihn die eigene Partei unterstützt.

Von Gunnar Saft
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Hofft auf großen Rückhalt beim anstehenden Landesparteitag: CDU-Chef Michael Kretschmer.
Hofft auf großen Rückhalt beim anstehenden Landesparteitag: CDU-Chef Michael Kretschmer. © Steffen Unger

Rücken- oder Gegenwind für Ministerpräsident und CDU-Landeschef Michael Kretschmer? In Chemnitz, wo die sächsischen Christdemokraten an diesem Wochenende ihren Landesparteitag abhalten, wird das der 48-Jährige ungewöhnlich schnell erfahren. Bei der dann anstehenden Vorstandswahl, bei der sich neben Kretschmer auch alle anderen CDU-Spitzen erneut um ihre Parteiämter bewerben müssen, wird erstmals ein elektronisches Abstimmungssystem genutzt. Ein Klick und das Stimmungsbild in seiner Partei prangt auf dem Monitor.

Die Aussichten, dass Michael Kretschmer bei seiner angestrebten Wiederwahl besser abschneidet als vor zwei Jahren, sind allerdings nicht schlecht. Tatsächlich hatte er nämlich damals mit nur 76,35 Prozent Zustimmung – und Enthaltungen werden bei der Sachsen-CDU gar nicht erst mitgerechnet – als Alleinbewerber für den Parteivorsitz eher mäßig abgeschnitten. Ein Wert, der sich nun umso leichter verbessern lässt.

Dazu kommt, dass es sich manche kritische Delegierten zweimal überlegen werden, ob man den eigenen designierten Spitzenkandidaten – die CDU-Landesliste zur Landtagswahl 2024 wird im Januar aufgestellt – wenige Monate vor dem Urnengang derart öffentlich abstraft.

Murren über SPD und Grüne wird lauter

Wie stark die Unterstützung für Michael Kretschmer, der seit Ende 2017 Ministerpräsident in Sachsen ist, am Ende wirklich ist, hängt dann aber auch davon ab, was er den Delegierten als Lösungsoption für die zahlreichen Probleme im Freistaat, aber auch in der eigenen Partei, anbieten kann.

Während sich viele Bürger unzufrieden mit der vorrangig vom Bund verantworteten Energie- oder Migrationspolitik zeigen, wird an der sächsischen CDU-Basis auch das Murren über die eigenen Koalitionspartner Grüne und SPD immer lauter. Vor allem die Grünen am Dresdner Kabinettstisch sind den meisten Christdemokraten ein Dorn im Auge, Forderungen, sie nach der Wahl von einer neuen Koalition auszuschließen, gibt es parteiintern genug.

Allerdings hat Kretschmer längst viel gravierendere Probleme, um nach dem 1. September 2024 Ministerpräsident zu bleiben. Durch die zuletzt steigenden Umfragewerte zugunsten der sächsischen AfD sowie den angekündigten Wahlantritt der Freien Wähler und des Bündnisses Sahra Wagenknecht drohen ihm die für eine erneute Regierungsmehrheit notwendigen Partner wegzubrechen.

Anfang Dezember 2019 stellten Katja Meier (Grüne), Michael Kretschmer (CDU) und Martin Dulig (SPD) ihren Koalitionsvertrag vor. Mit der Zeit knirschte es zwischen den Parteien immer lauter.
Anfang Dezember 2019 stellten Katja Meier (Grüne), Michael Kretschmer (CDU) und Martin Dulig (SPD) ihren Koalitionsvertrag vor. Mit der Zeit knirschte es zwischen den Parteien immer lauter. © Christian Juppe

SPD und Grüne agieren zurzeit knapp über und die FDP genau auf der magischen Fünf-Prozent-Linie. Will Kretschmer verhindern, dass ihm im Notfall nur dank der Tolerierung durch die Linkspartei ein Weiteregieren möglich ist, braucht er mindestens zwei dieser drei Wackelkandidaten für eine Koalition ohne die AfD. Zumindest hat Sachsens Linke schon mal erklärt, im Fall der Fälle über eine Tolerierung nachzudenken.

Die Hoffnung, dass alles besser kommt, stirbt aber auch in der Politik zuletzt. Im Vorfeld des Parteitages macht Kretschmers Umfeld deshalb auf Optimismus. „Es ist unser Ziel, zur Landtagswahl im nächsten Jahr wieder stärkste politische Kraft zu werden“, gibt Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks, den Kretschmer in Chemnitz erneut für dieses Amt vorschlagen dürfte, dieser Tage die große Linie vor.

So wird der Parteitag zwar noch nicht über ein Wahlprogramm, dafür aber über ein neues Grundsatzprogramm beraten und entscheiden. Das alte ist mittlerweile zwölf Jahre alt und gilt vielen der 9.500 CDU-Mitglieder zu Recht als überholt. Die neue Variante sieht unter anderem stärkere Hilfen für das unter Druck stehende Gesundheitssystem vor sowie eine Weiterführung des Meisterbonus, der künftig sogar die Übernahme aller Kosten einer entsprechenden Qualifizierung vorsieht.

Festhalten am Kohlekompromiss

Zudem will die CDU nach der Landarztquote Gleiches auch für Zahnärzte und Apotheker einführen und außerdem Immobilienkäufern beim ersten Kauf die Grunderwerbssteuer erlassen. Dazu kommt Bekanntes wie Investitionen in den Straßen- und Internetausbau sowie das Festhalten am Kohlekompromiss, der ein Aus erst für 2038 festschreibt.

Zudem gibt sich Michael Kretschmer plötzlich demonstrativ frauenfreundlich. In Chemnitz solle extra ein vierter CDU-Vizeposten im sächsischen Landesvorstand beschlossen werden, damit dort neben zwei Männern bald auch zwei Frauen als Parteivize vertreten sind, kündigte er diese Woche stolz an.

Wie bisher Kulturministerin Barbara Klepsch soll künftig auch die Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein dazugehören. Was Kretschmer jedoch vergaß zu erwähnen: Eine solche paritätische Besetzung des Führungsgremiums hatte zuvor ein Bundesparteitag zur Vorgabe für alle Landesverbände gemacht.