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Drug-Checking in Sachsen: Sinnvoll oder gefährlich?

In Thüringen können Konsumenten ihre Drogen untersuchen lassen. Die Linke fordert das auch für Sachsen. Die Landesregierung hat Bedenken.

Von Angelina Sortino
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Felix Blei vom Kooperationspartner "Miraculix" aus Jena zeigt ein Testverfahren für das Drug-Checking im mobilen Labor.
Felix Blei vom Kooperationspartner "Miraculix" aus Jena zeigt ein Testverfahren für das Drug-Checking im mobilen Labor. © dpa/Martin Schutt

Tanzen bis in die Morgenstunden, sich treiben lassen vom Bass der Musik, mit Freunden das Leben genießen - all das gehört zu einer richtig guten Party. Für einige Feiernde sind auch Drogen ein fester Bestandteil einer gelungenen Nacht. Laut dem Europäischen Drogenbericht 2021 haben etwa 83 Millionen 15- bis 64-Jährige in der EU mindestens einmal im Leben illegale Substanzen konsumiert. Das entspricht knapp einem Drittel der Europäer in dieser Altersgruppe.

Dass Drogen Gefahren bergen, ist allgemein bekannt. Besonders bedrohlich können die Nebenwirkungen des Konsums aber dann werden, wenn die Reinstoffe mit Streckmitteln gepanscht wurden oder viel zu hoch dosiert sind. In einem Modellprojekt hat Thüringen Feiernden deshalb angeboten, ihre Drogen vor dem Konsum in einem mobilen Labor untersuchen zu lassen.

„Drug-Checking“ nennt sich dieser Service, den es in anderen Ländern Europas wie in der Schweiz und Österreich bereits länger gibt. Menschen bringen ihre Drogen vor dem Konsum dort hin. Das Labor entnimmt einen Teil und überprüft ihn auf Streckmittel und Dosierung. Außerhalb von Thüringen gibt es ein derartiges Angebot in Deutschland nicht. Auch nicht in Sachsen.

24 Sachsen starben 2020 an Drogenkonsum

Die linke Landtagsabgeordnete Juliane Nagel fordert, Sachsen solle sich ein Beispiel an Thüringen nehmen und ein Modell-Projekt anstoßen. "Dass der Bund die gesetzlichen Grundlagen dafür schafft, ist mehr als fraglich", sagt sie. Dabei könne ein solches Angebot Leben retten. "Durch die Illegalisierung ist eine Kontrolle der Substanzen nicht möglich. Konsumenten bringen sich unweigerlich in Lebensgefahr."

2020 starben in Sachsen 24 Menschen in Folge ihres Drogenkonsums. Ein großer Teil der Todesfälle geht auf den Gebrauch von Heroin, Methamphetamin - umgangssprachlich bekannt als Crystal Meth - und Kokain zurück.

In Deutschland können Bürger ihre Drogen bisher nur bei Apotheken zur Untersuchung abgegen. Laura Graubaum von der Leipziger Drogenberatungsstelle Drug Scouts erklärt: "Anders als beim richtigen Drug-Checking können hier aber nur bisher bekannte Substanzen analysiert werden." Wenn neue chemische Drogen in der abgegebenen Probe enthalten sind, können diese nur als unbekannte Substanz benannt werden. "Außerdem wissen viele Apotheken gar nicht, dass sie solche Proben annehmen dürfen."

Thüringen nutzt Trick für Modellprojekt

Laut Graubaum sei es zudem wichtig, dass Drug-Checking-Angebote gratis und mit einer Beratung verbunden seien. "Sonst lassen nur die Leute ihre Drogen untersuchen, die es sich leisten können." In den Apotheken werden Gebühren für die Analyse fällig. Eine Beratung findet hingegen nicht statt.

Das Thüringer Modellprojekt nutzt ein Schlupfloch in der rechtlichen Regelung des Drug-Checkings. Nach Ansicht einiger Staatsanwälte machen sich die Sozialarbeiter Strafbar, wenn sie die Proben der Konsumenten annehmen und zum Labor bringen. Deshalb nehmen weder die Sozialarbeiter noch die Laboranten in Thüringen reine Betäubungsmittel entgegen.

"Die Klientel hilft unter professioneller Anleitung, die Substanz für die Analyse vorzubereiten. Sobald die gefärbte Lösung mit der Nachweisreagenz entsteht, ist die Substanz nicht mehr illegal und kann von uns fachgerecht ausgewertet werden", erklärt Felix Blei. Er ist Geschäftsführer von Miraculix, einem Labor Start-up aus Jena, mit dem die Suchthilfe Thüringen für die Auswertung der Proben kooperiert hat.

Fast zwei Drittel der in Thüringen untersuchten Ecstasy-Proben waren gefährlich hoch dosiert.
Fast zwei Drittel der in Thüringen untersuchten Ecstasy-Proben waren gefährlich hoch dosiert. © Archiv/Oliver Berg/dpa (Symbolbild)

Das Ergebnis des Thüringer Modellprojekts zeigt die Vorteile einer solchen Analyse: 63,16 Prozent aller untersuchten Ecstasy-Proben wiesen mindestens eine hohe Dosierung auf, die schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. Bei einer Befragung der Adressaten des Modellprojekts gaben 71 Prozent an, eine geringere Dosierung beim Drogenkonsum zu wählen, wenn sie wüssten, dass die Substanz höher dosiert ist als erwartet. 21 Prozent gaben an, in einem solchen Fall ganz auf den Konsum zu verzichten.

Neben beliebten Party-Drogen wie Ecstasy ist laut Laura Graubaum auch eine Analyse von Cannabis sehr sinnvoll. "Denn derzeit ist viel Cannabis im Umlauf, bei dem gar kein richtiges THC enthalten ist, sondern synthetische Cannabinoide." Tetrahydrocannabinol, kurz THC, ist der Bestanteil einer Hanfpflanze, der hauptsächlich für ihre berauschende Wirkung verantwortlich ist.

Legalisierung in Sachsen nicht geplant

Diese synthetischen Cannabinoide können laut der Sozialpädagogin zu schweren Vergiftungen führen, weil der Körper einzelne Chemikalien nicht vollständig abbauen könne. "Da reicht teilweise schon ein kleiner Zug, um für Übelkeit und Schweißausbrüche zu sorgen."

Trotz präventiver Wirkung zögert Sachsens Regierung, Drug-Checking hierzulande zu testen. Es hat auch Nachteile. So verweist beispielsweise das sächsische Sozialministerium auf mögliche Gefahren des Angebots: "Durch eine Analyse erworbener Konsumeinheiten wird eine Sicherheit hinsichtlich der reinen psychotropen Substanz suggeriert, die nicht gegeben ist.“ Heißt: Menschen könnten fälschlicherweise annehmen, dass getestete Drogen nicht mehr gefährlich sind, dabei kann auch der Konsum von reinen Substanzen in gemäßigter Dosierung tödlich enden.

Außerdem untersuchen Drug-Checking-Labore nur die Inhaltsstoffe und die Dosierung der abgegebenen Probe. Weil Drogen illegal hergestellt werden, unterliegen sie keiner kontrollierten Qualitätssicherung. Es wird also nicht, wie beispielsweise bei Medikamenten, sichergestellt, dass alle Pillen einer Charge auch die gleiche Wirkstoffzusammensetzung haben. "Das Testergebnis hinsichtlich der geprüften Konsumeinheit kann deshalb nicht auf die weiteren Konsumeinheiten übertragen werden", so das Sozialministerium.

Für die Landesregierung überwiegen die Nachteile. "Unter Berücksichtigung der Für- und Gegen-Argumente werden Drug-Checking Angebote für Sachsen derzeit nicht auf ihre Realisierbarkeit geprüft", heißt es in der Antwort des Sozialministeriums auf eine Kleine Anfrage von Linke-Politikerin Nagel.

Mit Testkits können Drogenkonsumenten ihre Substanzen auch zuhause vor der Einnahme testen.
Mit Testkits können Drogenkonsumenten ihre Substanzen auch zuhause vor der Einnahme testen. © miraculix

Wer bereit ist, für Drug-Checking Geld auszugeben, kann in Sachsen auf Drogen-Test-Kits wie die von Miraculix zurückgreifen. Je nach Kit lassen sich unterschiedliche Substanzen auf ihre Dosierung hin analysieren.

"Unser Testkit für MDMA wurde zudem speziell auf gängige Streckstoffe, welche sich in den vergangenen Jahren im Umlauf befanden, entwickelt", so Blei. Es enthalte zwei Farbreaktionen, die genau auf diese anschlügen. "Damit ermöglicht das Testkit eine Detektion von Mischungen." Der Erwerb der Testkits in ganz Deutschland legal.

Außerdem gibt es Webseiten, die regelmäßig Drogenwarnungen veröffentlichen. Hier können Interessierte überprüfen, ob es für die Drogen, die sie erworben haben, vielleicht bereits eine Warnung aufgrund von gefährlichen Streckstoffen oder zu hoher Dosierung gibt.