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Morgenlage in Sachsen: Kritik an Piwarz, Ampel und Rechnungshof

Kritik an Piwarz-Äußerungen zur Migration + Sachsens Kenia-Koalition ringt um Verfassungsänderung + Gemischte Reaktionen aus Sachsen zur Haushaltsentscheidung

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Sachsens Kultusminister Christian Piwarz führt das schlechte Abschneiden Deutschlands in der aktuellen Pisa-Studie auch auf einen hohen Anteil an Migranten in den Schulklassen zurück.
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz führt das schlechte Abschneiden Deutschlands in der aktuellen Pisa-Studie auch auf einen hohen Anteil an Migranten in den Schulklassen zurück. © SZ

Guten Morgen,

wenn eine politische Affäre quasi offiziell für beendet erklärt wird, ist sie das in den seltensten Fällen. Und dennoch wird dieser Fehler immer wieder gern gemacht. Es ist eben zu verlockend, etwas Negatives so schnell wie möglich hinter sich bringen zu wollen. Politisch und menschlich verständlich.

So auch bei der Fördermittel-Affäre im sächsischen Sozialministerium. "Es gab und gibt keine Korruptionsaffäre", bekräftigte Petra Köpping gestern erneut im Landtag. Stimmt – nach allem, was bisher bekannt ist. Aber es gibt eben eine Fördermittel-Affäre. Und die ist nicht beendet, nur weil der Bericht des Sächsischen Rechnungshofs, der die schwerwiegenden Verfahrensfehler bei der Vergabe von Fördermitteln für Integrationsprojekte so akribisch aufgearbeitet hat wie selten zuvor, jetzt im sächsischen Landtag liegt. Jetzt sind die Abgeordneten dran. Ja, und die werden vermutlich auch noch einige Nachfragen haben.

Dass die Ministerin noch nicht "durch" ist mit den Fehlern bei der Fördermittel-Vergabe, die eben über Jahre so lief, wie sie lief, das wurde gestern auch bei der Debatte im Landtag spürbar. Aber auch dort konnte man viele Zwischentöne hören – auch ein gewisse Solidarität mit der angeschlagenen Sozialministerin. Die CDU hielt sich auffällig zurück, setzt aber auf die weitere Aufarbeitung in den Ausschüssen. "Nicht der kleinste Schatten eines berechtigten Zweifels" dürfe da zurückbleiben, hieß es mahnend.

Bedenklich ist etwas Anderes: Wenn der Eindruck entsteht, dass die Kontrolleure, die den Systemfehler ausführlich dokumentiert haben und die Aufarbeitung nun weiterhin kritisch begleiten, zum öffentlichen "Anklage-Ziel" werden. Der Rechnungshof sei "übers Ziel hinausgeschossen", habe seine Zuständigkeiten überschritten – das war gestern mehrfach zu hören. Es ist die Lesart, die seit einigen Wochen vor allem aus SPD-Kreisen forciert wird. Ein Tenor mit einem gewissen Risiko. Zudem hinterlässt er einen gewissen Nachgeschmack.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger,
Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

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Das Wichtigste am Morgen:

Kritik an Piwarz-Äußerungen zur Migration

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sieht die Schulen im Freistaat wegen der hohen Zahl von Kindern und Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln an der Belastungsgrenze. Piwarz führte das schlechte Abschneiden Deutschlands in der aktuellen Pisa-Studie auch darauf zurück, dass zu viel Integrationsarbeit durch die Lehrerinnen und Lehrer geleistet werden muss. Piwarz Worte lösten eine Debatte im Freistaat aus. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) widersprach dem Minister. Der sächsische GEW-Chef Burkhard Naumann wertete die Äußerungen als Versuch, von hausgemachten Problemen abzulenken. Grünen-Bildungsexpertin Christin Melcher betonte: „Geflüchtete Kinder und Jugendliche tragen nicht die Schuld dafür, dass das System nicht funktioniert. Ich halte die Aussagen von Minister Piwarz zumindest in Teilen für äußerst gefährlich.“ Die Probleme im Schulsystem habe die CDU zu verantworten, die seit Jahrzehnten das Kultusressort in Sachsen führt.

Sachsens Kenia-Koalition ringt um Verfassungsänderung

Als die Kenia-Koalition in Sachsen 2019 ihren Koalitionsvertrag ausgearbeitet hat, wollte sie während ihrer ersten gemeinsamen Legislaturperiode umfangreiche Änderungen an der Landesverfassung vorzunehmen. Dort sollte der Klimaschutz als neues Staatsziel aufgenommen und auch der geltende Gleichheitsgrundsatz moderner formuliert werden. Dazu wollte man die Volksgesetzgebung – vom Volksantrag über das Volksbegehren bis hin zum Volksentscheid – vereinfachen. Und, ein äußerst heikler Punkt, die Regeln für das in der Verfassung verankerte Neuverschuldungsverbot wollte man zumindest überprüfen. Mehr als drei Jahre lang wurde danach allerdings über die Details der geplanten Neuerungen ergebnislos gestritten. Jetzt folgt ein letzter Anlauf.

Ampel hält an Milliardenzuschüssen für Chipfabriken fest

Trotz Haushaltskrise hält die Ampel an Milliardenzuschüssen für Industrieprojekte in Ostdeutschland fest, darunter die Chipfabriken von Intel bei Magdeburg und von TSMC bei Dresden. Dies bestätigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner. „Die Einigung der Ampel ist gut für Ostdeutschland“, sagte Kellner. "Die Investitionen für die Transformationsvorhaben sind gesichert. Wir sichern mit diesen Mitteln unsere zukünftige Wirtschaftskraft." Sachsens Energieminister Wolfram Günther sagte zu der Entscheidung: "Die Einigung der Ampel beim Haushalt schafft Stabilität und Planbarkeit." Die Ampel habe sich klar zum Klima- und Transformationsfonds bekannt.

Auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, lobte die Verständigung. "Es ist ein wichtiges Signal, dass die Investitionen für die Halbleiterindustrie in Ostdeutschland gesichert sind", sagte der SPD-Politiker.

Derweil steht das Festhalten an der Schuldenbremse bei Sachsen Parteien in der Kritik. Die Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und Linken haben eine Reform der Schuldenbremse in Bund und Ländern angemahnt. "Die derzeitigen Schuldenbremsen sind ganz offensichtlich überholt", sagte SPD-Fraktionschef Dirk Panter im Landtag. Auch Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippman hält eine Reform sowie Investitionen für notwendig, um Deutschland als Wirtschaftsstandort mit Kraft, Innovationsgeist und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

CDU und AfD lehnten Änderungen ab. "Die Schuldenbremse ist definitiv notwendig. Das bestätigen auch die Verfassungsgerichte. Auch der Staat braucht klare Tilgungsregeln", erklärte CDU-Finanzpolitiker Peter Wilhelm Patt. Bürger würden so viel Steuern zahlen wie noch nie.

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