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Morgenlage in Sachsen: Kretschmers Stalin-These; Asyl-Lösung; Digitales Lernen

Kretschmer irritiert mit Stalin-These + Schuster plädiert für europäische Asyl-Lösung + Sachsen baut digitales Lernen aus + Straßenausbaubeiträge: Linke mit Gesetzentwurf

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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sorgt mit einer Aussage zur sogenannten Stalin-Note für Irritationen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sorgt mit einer Aussage zur sogenannten Stalin-Note für Irritationen. © dpa

Guten Morgen,

manchen Themen geht die Luft eben nie aus. Und so hat sich die Diskussion über eine mögliche, nicht-mögliche, geforderte, abgelehnte, für nicht-machbar erklärte Begrenzung der Flüchtlingszahlen auch in Sachsen tief in den parteipolitischen Gräben festgefressen. So richtig scheint da nichts voranzugehen. Nicht nach vorn, nicht zurück. Eine unbefriedigende Situation, irgendwie für alle.

Das Bild eines scheinbar ohnmächtigen Staats verfestigt sich auf gefährliche Weise in den Köpfen mancher Bürgerinnen und Bürger. Wozu das führt, wenn dann rechte Hetzer wie die so genannten "Freien Sachsen" auf das Thema aufspringen, das zeigte sich am Mittwochabend vor der Glauchauer Sachsenlandhalle. Rund 700 Demonstranten liefen dort auf, um ihre Meinung – nennen wir es mal neutral – zu Gehör zu bringen. Denn es könnte sein, dass die Halle, in der der Zwickauer Kreistag beriet, schon bald auch zur Notunterkunft für Flüchtlinge werden muss. Dass der Massen-Aufmarsch wie eine Drohung wirkte, beschreiben die Kollegen der Freie Presse eindringlich. Ein schauriges Szenario. Eine feindselige Atmosphäre. Bald schon mit weiteren Nachahmern in Sachsen?

Das Thema Migration, Flüchtlinge, Asyl – es wird die nächsten Monate den Wahlkampf entscheidend prägen. Für alle die mit dem Finden von Lösungen beauftragt sind, bedeutet dies einen Wettlauf gegen die Zeit und die nahenden Kommunal- und Landtagswahl-Termine – nicht nur in Bayern und Hessen, sondern vor allem im so genannten "Osten" (hallo – ja, damit sind wir gemeint!).

Aber zum Wochenende noch eine andere Meldung, die gestern Abend weithin untergegangen ist. Die vielleicht auf den ersten Blick nicht dazu passt, aber doch auch dazu gehört. Gewissermaßen eine Randbemerkung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit der Invasion im Nachbarland etwa 20.000 Menschen in Russland wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Demonstrationen gegen den Krieg festgenommen worden. Ja, stimmt, der Krieg darf dort nicht einmal Krieg genannt werden, sondern ist selbstverständlich lediglich eine "Spezialoperation" (Vorsicht: Ironie!). Mehr als 600 Russen sind wegen "Antikriegsaktivitäten" bereits angeklagt worden, hieß es gestern weiter in einem Bericht im UN-Menschenrechtsrat.

Und damit wünsche ich vor allem denjenigen, die noch immer glauben, dass man in Sachsen nicht mehr seine Meinung laut sagen dürfe oder könne, ein erholsames und nachdenkliches Wochenende. Allen anderen selbstverständlich auch.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

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Die wichtigsten News am Morgen:

Kretschmer irritiert mit Stalin-These

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sorgt mit einer Aussage über den ehemaligen sowjetischen Machthaber Josef Stalin für Irritationen. Bei der Eröffnung des Deutschen Historikertags in Leipzig am Dienstag sagte Kretschmer über die sogenannte Stalin-Note von 1952: "Diesen Teil der Geschichte muss man noch mal besprechen, da ist noch was." In der Note schlug Stalin ein vereintes, souveränes, demokratisches Deutschland vor, das über eine begrenzte Armee verfügen darf. Dafür sollte das Land Neutralität wahren und alle Besatzungstruppen abziehen lassen. Eine Minderheit in Politik und Wissenschaft hielt die Stalin-Note für glaubwürdig, die übergroße Mehrheit nicht. Empört reagiert der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk und sagt, Kretschmer rege "wie ein AfDler oder Wagenknecht eine Neubetrachtung der Stalin-Note von 1952" an. Sächsische.de-Reporter Oliver Reinhard erklärt die Hintergründe der Debatte.

Schuster plädiert für europäische Asyl-Lösung

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hat das Verhalten der Bundesregierung in der Migrationspolitik kritisiert. "Deutschland müsste an erster Stelle dafür kämpfen, dass der Außengrenzen-Schutz besser wird", sagte er am Donnerstag im Deutschlandfunk. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse das "endlich zu seiner Sache machen" und auch Abkommen mit sicheren Herkunftsstaaten abschließen. Man sei "noch nie so nah dran" gewesen an einem gemeinsamen europäischen Asylsystem, sagte Schuster. Ähnlich hat sich Schuster bereits zuvor in einer Debatte im Landtag geäußert. Wie groß das Problem ist, verdeutlicht eine Bilanz der Bundespolizei aus dieser Woche: Allein im Raum Zittau/Bautzen wurden innerhalb von 36 Stunden 105 Migranten aufgegriffen. Wie der MDR berichtet, fordert die Gewerkschaft der Bundespolizei stationäre Grenzkontrollen in Sachsen.

Diese hatte auch Schuster zuletzt immer wieder gefordert, unter anderem um Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen zu können. Laut einem aktuellen Urteil des EU-Gerichtshofs wäre das aber rechtswidrig, wie die Freie Presse berichtet. Der Faktencheck zur Migrationspolitik: Welche Forderungen wirken könnten – und welche nicht.

Sachsen will digitales Lernen ausbauen

Sachsens Kultusministerium will die Arbeitszeit und die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte an den Schulen erfassen. Eine wissenschaftliche Studie soll die reale Arbeitszeit von Lehrkräften an allen Schularten, mindestens aber an Grund- und Oberschulen sowie Gymnasien, und in allen Regionen untersuchen. Die Studie soll im Februar 2024 starten. Ergebnisse sollen im Frühjahr 2025 vorliegen. Das Kultusministerium hat für die wissenschaftliche Studie etwa 1,5 Millionen Euro angemeldet. Das Kultusministerium will sich mit den Daten auch einen genauen Überblick über die Arbeitsbelastung der sächsischen Lehrkräfte verschaffen. Untersucht werden soll der Umfang der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer in allen Phasen eines Schuljahres, in unterschiedlichen Fächern und Arbeitszeitmodellen.

Auch um Unterrichtsausfälle zu minimieren sollen derweil in Sachsens Schulen häufiger digitale Selbstlernmodule zum Einsatz kommen. "Zukünftig kommt es immer stärker darauf an, Schülerinnen und Schüler zum selbst organisierten Lernen zu befähigen", sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Donnerstag im Landtag. Er wünsche sich an den Schulen eine "echte Kultur der Digitalität" in der Lehr- und Lernkultur. Das Landesamt für Schule und Bildung hat zusammen mit Fachberatern 63 digitale Module für 16 Unterrichtsfächer von Klasse 3 bis 13 entwickelt. Bei Bedarf können die Lernmodule Unterrichtsausfall mindern, wenn eine Vertretung nicht anders möglich ist, sagte Piwarz.

Straßenausbaubeiträge: Linke legt Gesetzentwurf vor

Sachsens Landtag beschäftigt sich nun auch offiziell mit einem möglichen Aus für die kommunalen Straßenausbaubeiträge. So hat die oppositionelle Linksfraktion am Donnerstag einen Gesetzentwurf eingebracht, der die sofortige Abschaffung dieser Beiträge vorsieht. Die Linke reagiert damit auf anhaltende Bürgerproteste. Die amtierende sächsische Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD konnte sich bisher nicht zu einem solchen Schritt durchringen. Im Vorfeld der Landtagssitzung hat man aber signalisiert, zumindest für eine Teilentlastung zu sorgen. So will man die Regelung, dass Kommunen in finanziellen Notlagen zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verpflichtet sind, streichen. Über den Linken-Gesetzentwurf, der einen generellen Wegfall der Ausbaubeiträge vorsieht, wird nun in den Ausschüssen beraten, bevor es zu einer endgültigen Abstimmung im Plenum kommt.

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