SZ + Sebnitz
Merken

Hubschraubereinsatz im Nationalpark

In der Sächsischen Schweiz werden 350 Borkenkäferbäume aus der Luft geborgen. Die grenzüberschreitende Aktion rettet eine Touristenattraktion.

Von Dirk Schulze
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Helikopter „Eichhörnchen“ in der Luft: Der Hubschrauber fliegt tote Fichten aus der Kirnitzschklamm im Nationalpark.
Helikopter „Eichhörnchen“ in der Luft: Der Hubschrauber fliegt tote Fichten aus der Kirnitzschklamm im Nationalpark. © Steffen Unger

Die Rotorblätter wehen den Umstehenden einen kräftigen Schneesturm ins Gesicht, als der Helikopter langsam aufsteigt. Was hier auf einer Wiese in Hinterhermsdorf schon bei einer kurzen Vorführung Eindruck hinterlässt, ist unten in der Kirnitzschklamm im Nationalpark Sächsische Schweiz noch um einiges spektakulärer - und gefährlicher. Die Baumkletterer hängen teilweise in den abgestorbenen Fichten, wenn der Helikopter anfliegt. Sie müssen den einschwebenden Haken greifen, am Baum festmachen und dann den Stamm absägen. Ein Job für Profis.

Am felsigen Steilhang haben die Fällspezialisten oft nur ein paar Fußbreit Platz. Hubschrauberpilot Torben Koopmann muss über der engen Klamm auf die wechselnden Windböen achtgeben. Maximal 1,4 Tonnen kann sein Airbus-Helikopter AS350B3, genannt Eichhörnchen, tragen. Eine ausgewachsene Fichte, wie sie hier im Hinterhermsdorfer Nationalparkrevier steht, wiegt bis zu fünf oder sechs Tonnen. Die Baumfäller sind angehalten, passgenau Stammstücken von nicht mehr als einer Tonne Gewicht anzuhängen. Sollten sie sich verschätzen, muss Pilot Koopmann die Last vom Cockpit aus ausklinken. Der Wald ringsum ist sicherheitshalber abgesperrt.

Es geht bei diesem Einsatz um nicht weniger als die Rettung eines Touristenmagneten in der Sächsischen Schweiz, erklärte Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) am Donnerstag vor Ort. Es ist die Kahnfahrt auf der Oberen Schleuse in Hinterhermsdorf. Bis zu 50.000 Gäste lassen sich jedes Jahr von den Kahnfahrern durch die wildromantische Klamm in der Kernzone des Nationalparks gondeln. In Sebnitz und Umgebung ist das eines der bedeutendsten Ausflugsziele.

Historische Kahnfahrt akut gefährdet

Durch den flächendeckenden Borkenkäferbefall in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz ist die seit 1879 bestehende Kahnfahrt akut in ihrer Existenz bedroht. Die Fichten an den Felshängen links und rechts des Flusses sterben ab und stürzen um. Liegt das Totholz einmal verkeilt in der engen Schlucht, müsste diese auf Jahre hinaus gesperrt werden. Die toten Bäume vorher zu fällen, ist nicht das Problem - wohl aber der Abtransport. In der abgelegenen und unwegsamen Kirnitzschklamm geht das nur aus der Luft. Heli-Logging nennen Forstexperten das Verfahren, bei dem die Bäume an einem Seil hängend vom Hubschrauber ausgeflogen werden.

Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (li.) und Tschechiens Vizeumweltminister Tomáš Tesař beim Auftakt in Hinterhermsdorf mit Pilot Torben Koopmann (2.v.r) und Walter Koopmann.
Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (li.) und Tschechiens Vizeumweltminister Tomáš Tesař beim Auftakt in Hinterhermsdorf mit Pilot Torben Koopmann (2.v.r) und Walter Koopmann. © Steffen Unger

Verkompliziert wird die Angelegenheit noch durch die geografische Lage. Die Kirnitzsch ist im Bereich der Oberen Schleuse der Grenzfluss zwischen Deutschland und Tschechien. Die linke Flusshälfte gehört zu Böhmen, die rechte zu Sachsen - und das schon seit 1451. Um die Touristenattraktion auf deutscher Seite zu retten, musste also eine zwischenstaatliche Lösung gefunden werden, was wohl rechtlich nicht ganz einfach war. "Die Natur kennt keine Grenzen", sagte der tschechische Vize-Umweltminister Tomáš Tesař zum Auftakt in Hinterhermsdorf. Sachsens Umweltminister Günther hatte die Lösung mit Prag vereinbart.

Aktuell geht es um rund 350 Fichten, die auf sächsischer Seite gefällt und ausgeflogen werden. An einem Tag hat das Helikopter-Team bisher 65 Stämme geschafft. Wie lange es insgesamt dauert, hängt von der Größe der Bäume und der Witterung ab. Bereits im November gab es den ersten Hubschraubereinsatz auf tschechischer Seite, veranlasst vom Nationalpark Böhmische Schweiz. Dabei wurden mehr als 100 absturzgefährdete Bäume geborgen.

Deutsch-tschechische Kooperation

"Die Aktion ist ein klares Signal beider Staaten, die historische Kahnfahrt weiter zu erhalten", sagte Ronald Kretzschmar, Chef der Sebnitzer Stadtverwaltung. Die Stadt Sebnitz betreibt die Kahnfahrt auf der Oberen Schleuse. Der Staatsbetrieb Sachsenforst macht für die Hubschraubereinsätze insgesamt rund 223.000 Euro locker. Rund 150.000 Euro kostet die Holzbergung auf deutsche Seite, weitere 73.000 Euro wurden in Tschechien fällig. Diesen Teil streckt zunächst die Stadt Sebnitz vor und erhält ihn über eine verringerte Pacht vom Freistaat zurück. Der Nationalpark Böhmische Schweiz trägt 10.000 Euro.

Im Baum hängend müssen die Forstarbeiter den Haken des Helikopters greifen und dann passgenau sägen.
Im Baum hängend müssen die Forstarbeiter den Haken des Helikopters greifen und dann passgenau sägen. © Marko Förster
Helikopter "Eichhörnchen" schwebt über der Kirnitzschklamm mit den toten Borkenkäferfichten.
Helikopter "Eichhörnchen" schwebt über der Kirnitzschklamm mit den toten Borkenkäferfichten. © Marko Förster
Ein Stück entfernt im Wald werden die Stämme am Zwischenlager abgelegt .
Ein Stück entfernt im Wald werden die Stämme am Zwischenlager abgelegt . © Marko Förster
Das Wasser der Oberen Schleuse ist abgelassen. Im Frühjahr soll die Kahnfahrt wieder starten.
Das Wasser der Oberen Schleuse ist abgelassen. Im Frühjahr soll die Kahnfahrt wieder starten. © Marko Förster
Der Helikopter hat die Spitze einer abgestorbenen Fichte am Haken.
Der Helikopter hat die Spitze einer abgestorbenen Fichte am Haken. © Marko Förster

Nicht zuletzt dienen die aufwendigen Hubschrauberflüge auch dem Hochwasserschutz, teilt das sächsische Umweltministerium mit. Andernfalls würden die abgestorbenen Fichten ins Flussbett der Kirnitzsch stürzen und dort für Blockaden sorgen oder flussabwärts treiben. Die Arbeiten in der Kernzone des Nationalparks Sächsische Schweiz müssen bis zum Beginn der Brutzeit im Frühjahr beendet sein.

Landrat Michael Geisler (CDU), zugleich Vorsitzender des Tourismusverbands Sächsische Schweiz, begrüßte den Beginn der Arbeiten. "Es ist für Sebnitz und die Region wichtig, dass wir so schnell wie möglich zu Potte kommen", sagt Geisler. Er verwies auf viele Gespräche, die zur Borkenkäferplage und den bedrohten Wanderwegen in der Sächsischen Schweiz geführt wurden. Da sei man inzwischen tüchtig vorangekommen.