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Vorsicht bissig: Graugänse brüten auf Kletterfelsen nahe der Bastei

Mehrere Gipfel in der Sächsischen Schweiz wurden gekapert: von Graugänsen und ihrem baldigen Nachwuchs. Kletterer im Basteigebiet sollten deshalb auf der Hut sein.

Von Mike Jäger
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Gut getarnt: Eine Graugans brütet auf dem Klettergipfel Schwarze Säule im Basteigebiet. In Sichtweite vom Nest: das Gipfelbuch.
Gut getarnt: Eine Graugans brütet auf dem Klettergipfel Schwarze Säule im Basteigebiet. In Sichtweite vom Nest: das Gipfelbuch. © Mike Jäger

Im Rathener Felsgebiet nahe der Bastei haben sich Graugänse zur Brut auf mehreren Felsen niedergelassen. Eine Gans brütet auf dem Klettergipfel Felsensportturm unterhalb des Basteihotels, eine zweite auf der Schwarzen Säule. Dieser Klettergipfel steht unmittelbar neben einem belebten Touristenweg, der zur Ferdinand-Aussicht führt.

Die Gegend nahe der Basteiaussicht und -brücke wird tagtäglich von hunderten Touristen besucht. Davon scheint sich der Vogel beim Brüten jedoch nicht stören zu lassen. Der Brutplatz der Gans liegt etwas unterhalb des Weges - etwa zehn Meter entfernt - und ist von dort sehr gut einsehbar. Doch von den meisten Touristen wird die Graugans gar nicht wahrgenommen. Denn sie hat sich gut getarnt. Sie sitzt zwar auf ihren Eiern ganz oben auf dem Gipfel, etwa einen Meter neben dem Gipfelbuch. Doch Heidekraut und eine kleine Birke geben ihr schützende Deckung.

Warnung an Kletterer: Graugänse verteidigen Brut

Wieso brütet der Vogel in unmittelbarer Nähe von solchem touristischen Trubel? Normalerweise suchen sich die Tiere ruhigere Ecken, um den Nachwuchs geschützt schlüpfen zu lassen. Dass Graugänse überhaupt auf Felsen brüten, ist ungewöhnlich und war bis vor drei Jahren gar nicht bekannt. Der erste bekannte Fall stammt vom Mai 2021. Damals brütete eine Graugans auf dem Postakegel. Das ist ein Kletterfelsen im Pirnaer Ortsteil Posta.

Jedes Jahr sperrt die Nationalparkverwaltung Klettergipfel aus Gründen des Artenschutzes. Der Grund: Vom Aussterben bedrohte Vogelarten sollen ihre Jungen in Ruhe aufziehen können. „Aber Graugänse gibt es wie Sand am Meer“, sagt der Vogelexperte Ulrich Augst. Er würde den Gipfel nicht sperren, aber ein Hinweis an Kletterer auf die Bruten wäre ratsam. „Mal sehen, was passiert, wenn der erste Kletterer den Gipfel erreicht“, sagt Augst mit ironischem Tonfall. Er spielt darauf an, dass Graugänse sehr energisch sein können, wenn sie ihren Brutplatz verteidigen. Mit zwickenden Schnäbeln und schlagenden Flügeln greifen sie an. „Also, liebe Kletterer, verzichtet lieber ein paar Tage auf die Besteigung der Schwarzen Säule und des Felsensportturms“, appelliert Ulrich Augst.

Felsen bieten besten Schutz vor Füchsen

Die Gipfel werden sowieso selten bestiegen und sind im Frühjahr wegen ihrer schattigen Lage für Felskletterer weniger attraktiv. Aber warum gefällt es den Graugänsen trotz Bastei-Trubel auf den Klettergipfeln? Vogelexperte Ulrich Augst vermutet, dass die schlauen Tiere die Felsen als idealen Brutplatz ausgesucht haben, weil sie dort gut vor Füchsen geschützt sind.

Graugänse haben eine Brutdauer von knapp 30 Tagen. „Wenn die Gössel, so nennt man die jungen Gänseküken, geschlüpft sind, dann müssen sie den Sprung in die Tiefe wagen“, erklärt Ulrich Augst ihr Verhalten. Ihnen geschehe dabei nichts, denn sie würden wie leichte Bälle zu Tale fallen. Die Gipfel Felsensportturm und Schwarze Säule sind immerhin 30 Meter hoch.

Graugänse in der hiesigen Region sind „halbzahm“ und haben ihren Ursprung im Moritzburger Teichgebiet, wo man in den 1970er-Jahren Grauganseier von Höckerschwänen ausbrüten ließ. Da die Schwäne immer von Menschen gefüttert wurden, nahmen auch ihre „Kuckuckskinder“ dieses Verhalten an. Und so existiert an der Elbe zwischen Riesa und Schmilka seit Jahrzehnten diese immer weiter zunehmende, halbzahme Population.