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West-Diözesen streichen Zuschüsse: Bistum Dresden-Meißen fehlen Millionen Euro

Die katholische Kirche leidet unter steigenden Kosten und sinkenden Steuereinnahmen. Demnächst fehlen auch die Finanzhilfen aus dem Westen. Dem Bistum Dresden-Meißen droht jetzt ein harter Sparkurs.

Von Erik Töpfer
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Ab 2026 wird das Bistum laut Prognosen Jahr für Jahr ein Minus von 17,5 Millionen Euro einfahren.
Ab 2026 wird das Bistum laut Prognosen Jahr für Jahr ein Minus von 17,5 Millionen Euro einfahren. © Archiv: Steffen Füssel

Im lichtdurchfluteten Innenhof des Hauses der Kathedrale hat der Bischof eine Fernsehkamera aufbauen lassen. „Das wird für Sie nichts Neues sein, liebe Schwestern und Brüder in unserem Bistum Dresden-Meißen“, beginnt Heinrich Timmerevers seine Ansprache. „Unser Bistum wird in Zukunft mit weniger Finanzmitteln auskommen müssen.“

Der 70-Jährige holt tief Luft. Ab 2026 werde der Zuschuss westdeutscher Bistümer nicht mehr fließen. Anfangs habe das Bistum jährlich 18 Millionen Euro bekommen, inzwischen seien es zehn Millionen Euro pro Jahr, auf die künftig verzichtet werden müsse.

Mit dem Wort des Heiligen Albertus Magnus – „Sehen, was ist, tun, was möglich ist und lieben, was ewig ist“ – will der Bischof Orientierung geben. Doch nach fünf Minuten und sechsunddreißig Sekunden hat Timmerevers ein neues Zeitalter eingeläutet: Eine Zeit voller „einschneidender Veränderungen“ für das Bistum Dresden-Meißen.

Millionenloch in die Haushaltskasse

Was er bei seiner bedrückenden Ansprache nicht ausdrücklich erwähnt: Diese Herausforderungen sind längst keine neue Situation für ihn. Seit 2018 weiß das Bistum um die einschneidenden Veränderungen, die seinen 137.000 Mitgliedern bevorsteht. Warum reagiert er erst jetzt?

Seit der Deutschen Einheit erhalten ostdeutsche Bistümer „überdiözesane Überschüsse“, Strukturmittel genannt, aus dem Westen. Bis 2014 waren das im Bistum Dresden-Meißen knapp 18 Millionen Euro jedes Jahr. Doch in Zeiten des Mitglieder-schwunds müssen auch die westdeutschen Diözesen gucken, wo sie bleiben. So erhält das Bistum Dresden-Meißen seit 2021 nur noch knapp 10 Millionen Euro, ab 2026 werden die Zahlungen vollständig eingestellt. Das ist spätestens seit der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im November 2018 bekannt.

Heinrich Timmerevers, Bischof des Bistums Dresden-Meißen.
Heinrich Timmerevers, Bischof des Bistums Dresden-Meißen. © dpa/Sebastian Kahnert

Zwei Jahre später erst reagierte der Diözesane Vermögenverwaltungsrat: Die Prognosen für 2021 würden düster aussehen. Deshalb leitete der Verwaltungsrat einen Prozess ein, an dessen Ende man wieder schwarze Zahlen schreiben will. Doch noch bevor dieser gefunden ist, müssen die Zahlen korrigiert werden: Ab 2026 wird man Jahr für Jahr ein Minus von 17,5 Mio Euro einfahren. Wie um Himmels Willen soll man da wieder rauskommen?

„Die Kombination aus dem Wegfall des Strukturbeitrags bei gleichzeitig real sinkenden Kirchensteuereinnahmen und steigenden Kosten für Personal und Immobilien hat den Handlungsdruck verschärft“, sagte Bistumssprecher Michael Baudisch auf Anfrage

Zukunft der 37 Pfarreien ungewiss

„Sehen, was ist, tun, was möglich ist und lieben, was ewig ist“: Es geht um nicht weniger als die Zukunft der 37 Pfarreien und mehr als 600 Beschäftigte, darunter Priester und Diakone, Ordensleute, Gemeindereferenten, Kirchenmusiker und Verwaltungsmitarbeiter. Deshalb will das Ordinariat von Anfang an Schwerpunkte setzen. Denn „nur so bleibt das Bistum auch künftig der Sendung der Kirche verpflichtet“, sagte Generalvikar Andreas Kutschke bereits 2021. Es könnten nicht alle Angebote überleben.

Im Mai 2021 berief Bischof Timmerevers einen Lenkungskreis ein, bestehend aus einem Pastoralrat-, einem Katholikenrat- und einem Vermögensratsmitglied, einem Priester und einer Gemeindereferentin; 14 „ehrenamtliche und hauptamtliche Frauen und Männer aus der Mitte des Bistums“ um Generalvikar Andreas Kutschke machen sich auf, die Schwerpunkte zu setzen, erläutert Timmerevers das Verfahren.

Bistums-Verwaltung muss schrumpfen

Als Grundlage diente ein Beschluss des Verwaltungsrates, der das knapp 500 Millionen Euro schwere Vermögen des Bistums erhalten soll. Damit beschränkt sich der Handlungsspielraum auf die aus der Kirchensteuer finanzierten Bereiche. Schließlich fehlt bald das Westgeld, bestimmte Angebote des Bistums werden vom Staat refinanziert. Über die Hälfte dieser Gelder erhält der Kern der Kirchenarbeit, das sogenannte Territoriale Pastoral. Platz zwei und drei nehmen Bistumsleitung und -verwaltung ein.

Dass Letztere schrumpfen wird, ist längst beschlossene Sache. Das Bistum leistet sich den Neubau des Propst-Beier-Hauses in der Dresdner Innenstadt, sein neuer Verwaltungssitz auf der Schweriner Straße. Der aktuelle Sitz am Käthe-Kollwitz-Ufer ist sanierungsfällig. Ein Neubau war die günstigste Option, bei den Planungen sei der Schrumpfungsprozess bereits berücksichtigt worden. Gerade mal 60 Menschen werden dort verwalten können.

So soll das neue Probst-Beier-Haus in der Dresdner Innenstadt aussehen.
So soll das neue Probst-Beier-Haus in der Dresdner Innenstadt aussehen. © Visualisierung: O+M Architekten

Doch der Kern kirchlicher Arbeit wird zur Herausforderung. Erst im April 2022 einigt sich der Lenkungskreis auf schwammige Kriterien für einen Verbleib: Teilhabe von Ehrenamt, Förderung des geistlichen Lebens, Vernetzung der Getauften, Bewahrung der Schöpfung und Zeugnis der Gesellschaft. Damit zog der Kreis ein Jahr lang vom östlichen Zipfel Zittaus bis ins thüringische Dekanat Gera, der Westgrenze des rund 17.000 Quadratkilometer großen Bistums.

Aus Umfragen, Workshops und wohl unzähligen Sitzungen schnürten die Frauen und Männer ein Maßnahmenpaket, das sie Ende März dieses Jahres dem Bischof überreichten. Nun ist Timmerevers gefragt, der sein Urteil nächste Woche fällen wird – und damit die katholische Kirchenarbeit der kommenden Jahre bestimmt.