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Langes Warten auf die Fahrschule

Wer den Führerschein machen will, muss viel bezahlen und braucht Geduld - auch in Sachsen. Nicht nur Corona hat für Rückstau gesorgt. Ein Tag in einer Fahrschule in Dresden.

Von Fionn Klose
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Ben Gröser (rechts) aus Dresden musste nach der Anmeldung sieben Monate warten, bis er mit der Fahrschule beginnen konnte. Fahrlehrer Patrick Palme macht ihn fit für die praktische Prüfung.
Ben Gröser (rechts) aus Dresden musste nach der Anmeldung sieben Monate warten, bis er mit der Fahrschule beginnen konnte. Fahrlehrer Patrick Palme macht ihn fit für die praktische Prüfung. © Fionn Klose

Ben Gröser drückt die Klingel des „VerkehrsCampus Merkert“ in Dresden. Verglaste Schiebetüren öffnen sich. In den Gängen der Fahrschule herrscht Gewusel und Gerenne. Ben möchte zur Polizei. Dort ist der Autoführerschein ein wichtiges Einstellungskriterium. „Ich habe über Freunde mitbekommen, dass kleine Schulen überbelegt sind und die größeren mehr Kapazitäten freihaben“, sagt er, während wir auf seinen Fahrlehrer warten.

Patrick Palme, ein cooler Typ in weiter Hose, weißen Sneakern und blauem „VerkehrsCampus“-Pulli, war einmal Deutschlands jüngster Fahrlehrer. „Ich komme aus Coswig und arbeite seit vier Jahren Vollzeit in dem Beruf“, erzählt der 25-Jährige. „In der Schule hätte ich nie gedacht, dass ich mal Lehrer werde.“ Er nimmt sich eine Dose Energy und dann geht es los. Runter, auf die Straße, dahin, wo es ernst wird.

Denn Ben hat am nächsten Tag seine Prüfung. Wir gehen zu den parkenden, blau-weißen Autos, beim ersten, einem VW Golf, sagt Patrick: „Und das ist unser Flitzer für heute“. Wir steigen ein und Ben fängt sofort mit den Vorbereitungen aufs Fahren an, als sei es bei ihm Routine. Sitz ausrichten, Spiegel überprüfen, Abblendlicht einschalten, anschnallen.

Zahl der Führerscheinprüfung auf Rekordwert

Die Zahl der Führerscheinprüfungen erreichte im letzten Jahr einen Rekordwert. Laut Daten des TÜV-Verbandes gab es 2022 rund 3,6 Millionen theoretische und praktische Prüfungen in Deutschland.

Allerdings stieg auch die Durchfallquote: So wurden 39 Prozent der theoretischen Prüfungen nicht bestanden – zehn Prozent mehr als 2013. Und in der praktischen Prüfung für den Autoführerschein fielen 37 Prozent der Fahrschüler durch, fünf Prozent mehr als vor zehn Jahren. „Jede nicht bestandene Prüfung belastet die Fahrschülerinnen und Fahrschüler mental und finanziell“, sagt Richard Goebelt, Mitglied der Geschäftsleitung im TÜV-Verband e.V..

Lange Wartezeiten: "Ich bin voll bis zum Sommer 2024"

Ben setzt den Blinker und fährt los. „Die ganze Ausbildung zieht sich“, sagt Fahrlehrer Patrick Palme. „Das Interesse liegt nicht mehr so beim Autofahren. Viele lassen sich Zeit und damit entsteht ein Rückstau.“ Seine Fahrschule hat momentan Wartezeiten von drei bis sechs Monaten. Ben musste sogar länger warten. Am 18. Oktober 2021 meldete er sich an, der Theorieunterricht ging am 16. Mai 2022 los.

Während der Pandemie mussten die Fahrschulen mehrere Monate lang schließen. Der dadurch entstandene Rückstau treibt die Wartezeiten nach oben. „Um den zu bewältigen, musste ich am Wochenende arbeiten“, sagt ein Fahrlehrer aus dem Erzgebirge, der namentlich nicht genannt werden will. Seine Fahrschule ist ausgelastet. „Ich bin voll bis zum Sommer 2024.“ Zusätzlich gebe es viel zu wenig Fahrlehrer. „Und das schon seit Jahren“, wie er sagt.

Auch Kay Melzig vom „VerkehrsCampus“ beobachtet das. „Die Nachfrage nach unseren Fahrlehrer-Ausbildungen ist hoch“, sagt er. „Aber die, die sich ausbilden lassen, reichen nicht einmal aus, um den aktuell Bedarf zu decken.“ Viele Lehrer gingen in Rente und der Nachwuchs könne das nicht ausgleichen.

Neue Ausbildungs- und Prüfungssysteme sorgten zusätzlich dafür, dass die Ausbildung länger dauere, so Andreas Grünewald, Vorsitzender des Landesverbandes Sächsischer Fahrlehrer. „Dazu gehört etwa die Verlängerung der Prüfungsdauer bei der praktischen Prüfung um zehn Minuten bei der Klasse B oder die verpflichtende Nutzung von Fahrassistenzsystemen.“

Gestiegene Kosten haben viele Faktoren

Ben fährt vorsichtig an die Haltelinie heran, der Blinker ist gesetzt. Ein Blick nach links, ein Blick nach hinten rechts. Dann biegt er ab. Für die Fahrschule habe er sich kein Budget gesetzt, sagt er. „Ich habe schon gewusst, dass die Preise hoch sind und versucht, das niedrig zu halten. Hauptsache durchkommen.“

Um den Führerschein zu bekommen, muss eine bestimmte Anzahl an Theorie- und Praxisstunden absolviert werden. Dabei machen zwölf verpflichtende Sonderfahrten und Übungsstunden den Großteil der Kosten aus. Die Zahl der Übungsstunden kann zwischen zehn und 35 variieren. „Eine Fahrstunde kostet zwischen 40 und 70 Euro“, sagt Gerrit Reichel vom Automobil-Club Verkehr. „Nach unserer Beobachtung sind die Preise für Fahrstunden im letzten Jahr deutlich gestiegen.“ Steigerungen um zehn Euro seien keine Seltenheit. Um Stunden und Geld zu sparen empfiehlt er, sich auf dem Verkehrsübungsplatz schon mal mit dem Auto vertraut zu machen und ein wenig Fahrpraxis zu bekommen.

Die Kosten für die Führerscheinausbildung sind laut Verbraucherpreisindex des Statistischen Landesamtes allein 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 12,2 Prozent gestiegen. „Zwischen 2.500 und 3.000 Euro insgesamt ist für einen PKW-Führerschein momentan der Standard“, sagt Kay Melzig. Allerdings seien die Kosten sehr individuell. „Aber wenn man mehr Stunden braucht, oder eine Prüfung schiefgeht, ist man schnell bei 3.000 Euro oder darüber.“

Kostensteigerung, Energiekrise und die Inflation treffen auch die Fahrschulen. „Wir sind auch auf Energie angewiesen, mein Beamer braucht Strom und ich muss meine Räume beheizen“, sagt der Fahrlehrer aus dem Erzgebirge. „Wir müssen die Preise natürlich anpassen.“

Einen weiteren Grund für die Verteuerung sieht er in der stetigen Weiterentwicklung der Autos. „Wir brauchen moderne Fahrzeuge, an denen wir den Schülern zeigen können, wie die neuen Assistenzsysteme funktionieren.“ Außerdem können Fahrschüler seit April 2021 den B197-Führerschein machen. Damit kann man sich auf einem Schalt- und Automatikauto ausbilden lassen. „Wir müssen den Schülern also zwei Fahrzeuge bieten“, sagt der Fahrlehrer. Das bedeute doppelte Unterhaltungskosten.

Doch nicht nur die Fahrschulpreise sind gestiegen, sondern auch die bundesweit einheitlichen Prüfungskosten. Kostete eine praktische Prüfung bis zum Jahr 2020 noch 89,44 Euro, müssen Prüflinge seit 2021 dafür 116,93 Euro bezahlen, so die Dekra. „Natürlich sind auch diese Beträge nicht zu vernachlässigen“, sagt Wolfgang Sigloch von der Dekra. „Angesichts von Gesamtkosten für einen Führerschein jenseits der 2.000 Euro sind sie aber kein großer Kostenfaktor.“

Frühzeitiges Anmelden empfohlen

Wir fahren aus einer Ortschaft heraus. „Hier sind 100 km/h, hier kannst du ein bisschen auf die Tube drücken“, sagt Patrick. „Feuer frei.“ Ben drückt aufs Gaspedal, der Flitzer beschleunigt und wir fahren wieder zurück nach Dresden. „Was auf alle Fälle ein wichtiger Tipp ist“, sagt Patrick weiter, „Sich rechtzeitig zu überlegen, wann man den Schein braucht. Und sich dann frühzeitig anzumelden.“

Das sieht auch Andreas Grünewald so. „Im Gegensatz zu vor 18 Jahren kann der Fahrschüler nicht sofort mit der Theorieausbildung beginnen, sondern sollte sich zuvor anmelden“, sagt er. „Je früher, desto besser. Sie erwerben Ihren Führerschein einmal im Leben – bitte nehmen Sie sich dafür auch genügend Zeit.“

Ben hat seine Prüfung bestanden, erzählt er Tage später am Telefon. Die Bewerbung für die Polizei ist damit nun auch fast vollständig. „Ein paar Unterlagen muss ich noch hinschicken“, sagt er. „Aber dann bin ich mir ziemlich sicher, dass ich zum Studium zugelassen werde.“