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Sachsens Hochwasserschutz stockt

Die Planung für Deiche und Rückhaltebecken kommt nur langsam voran. Das kann teuer werden. Vor allem aber gefährlich.

Von Peter Anderson
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Solche Bilder wie hier aus dem August 2002 sollte es nicht mehr geben. Doch der Flutschutz für Altkötzschenbroda ist eines der Vorhaben, die sich immer weiter verzögern.
Solche Bilder wie hier aus dem August 2002 sollte es nicht mehr geben. Doch der Flutschutz für Altkötzschenbroda ist eines der Vorhaben, die sich immer weiter verzögern. © Archiv/André Wirsig

Sachsens Landestalsperrenchef Heinz Gräfe verpackt ernste Dinge gekonnt in lockere Worte. Rund eine viertel Milliarde Euro habe seine Behörde „noch vor der Brust“. So hoch ist das Volumen der Hochwasserschutz-Projekte, die nach der Jahrhundertflut 2002 im Freistaat angeschoben wurden, bislang aber nicht umgesetzt sind. „Wir fühlen uns wie ein angebundener Gaul, der nicht auf die Rennstrecke darf“, sagt Gräfe. Insgesamt 32 Vorhaben – von Deichen über Rückhaltebecken bis hin zu Ufermauern – warten aktuell darauf, endlich in Angriff genommen zu werden.

Größtes Hemmnis für das Amt: Es wird von Jahr zu Jahr komplizierter und dauert immer länger, die verschiedenen Vorhaben zu planen und anschließend genehmigt zu bekommen. „Dabei hatten wir ja erst 2013 wieder ein großes Hochwasser, das uns die Dringlichkeit klar gemacht haben sollte“, sagt Gräfe. Trotzdem stockt der sächsische Hochwasserschutz.

Um wieder Tempo aufzunehmen hat die Landestalsperrenverwaltung (LTV) diese Woche zu einer internationalen Konferenz ins Dresdner Kulturrathaus auf der Königstraße eingeladen. Es solle möglichst wenig gejammert, sondern nach Lösungen gesucht werden. So lautete die Zielvorgabe des LTV-Chefs für diesen Tag. Gäste aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden eröffneten den Blick über den Tellerrand.

Anhand des Beispiels Grimma skizzierte der Wasser-Chef des sächsischen Umweltministeriums Ulrich Kraus die Grundzüge des Problems. Bereits vor zwölf Jahren sei kritisiert worden, dass der Flutschutz für die von der Mulde 2002 schwer getroffene Stadt zu lange dauere. Bis heute sei der Bau der komplexen Anlage nicht komplett abgeschlossen. „Das können sie niemandem mehr begreiflich machen“, sagte Kraus. 

Mehrere Gründe sind aus seiner Sicht für die Verzögerung verantwortlich. So gelinge es Naturfreunden, Denkmalschützern und Stadtbildverteidigern oft besser, Gehör zu finden, als den Opfern eines Hochwassers. In der Folge steigen Kosten- und Zeitaufwand unter anderem für Gutachten und Klagen. Das Ende vom Lied: Im schlimmsten Fall steht das nötige Geld nicht mehr im Haushalt, wenn der Baubescheid verspätet kommt. Die Betroffenen verlieren das Vertrauen in den Staat. Wie in Grimma 2013 geschehen, kann es zudem passieren, dass die nächste Naturkatastrophe eintritt, bevor der Schutz funktioniert.

LTV-Chef Heinz Gräfe lieferte zum Einzelfall die allgemeinen Zahlen: 80 Monate brauche es durchschnittlich, bis ein Planfeststellungsbeschluss für ein Vorhaben seines Hauses steht. Innerhalb von nicht einmal zehn Jahren sind die etwa für den Bau eines Rückhaltebeckens eingereichten Unterlagen um fast das Zehnfache angeschwollen. Die Ursachen für das rasante Anwachsen der Bürokratie sind Gräfe zufolge vielschichtig. Proteste von Bürgerinitiativen und Hürden beim Grunderwerb spielen eine nebensächliche Rolle. Der Ausfall eines mit der Angelegenheit vertrauten Spezialisten kann eine Sache dagegen weit nach hinten werfen. Auf juristischem Gebiet sind es weniger neue Normen, als vielmehr Urteile in Präzedensfällen, welche die Verfahren verlängern.

So vielfältig sich die Probleme gestalten, fallen die Lösungsvorschläge aus. Georg Rast vom deutschen Zweig der Umweltorganisation WWF riet, die Projekte von Anfang an mit Naturschützern gemeinsam zu planen. „Nutzen Sie diesen Sachverstand. Irgendwann treffen sie sowieso aufeinander“, so Rast. Für die Landesdirektion Sachsen, welche die Hochwasserschutzbauten genehmigen muss, regte Uwe Svarovsky einen verstärken Austausch mit den Fachleuten der LTV an.

Allgemeiner Konsens war, dass sich Bürgerproteste am besten durch Moderation, offensive Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz begegnen ließe. Landestalsperrenchef Gräfe plädierte dafür, dass alle Beteiligten beim Umsetzen des Hochwasserschutzes mehr Kompromissbereitschaft zeigen und das gemeinsame Ziel im Auge behalten sollten: einen besseren Hochwasserschutz für Sachsen.