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Schönes Gesicht für Pannen-Bahnhof

Künstler haben die Station Bischofsplatz gestaltet. Die Schattenseiten sind dennoch nicht zu übersehen.

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© Sven Ellger

Peter Hilbert und Sarah Grundmann

Über Dresdens S-Bahn wird derzeit viel diskutiert. Schließlich ist die Strecke zwischen Radebeul-Ost und dem Neustädter Bahnhof ausgebaut. Die Arbeiten waren Mitte März noch gar nicht beendet, da hatten wilde Sprüher den noch gesperrten Haltepunkt Bischofsplatz schon mit Graffiti beschmiert. Die haben die Bauleute noch schnell vor der Eröffnung beseitigt. Jetzt zieren wieder Graffiti die Wände. Sie sind jedoch ganz legal angebracht worden und verleihen erstmals einem neuen Dresdner S-Bahn-Haltepunkt ein buntes Gesicht. „So bunt wie die Neustadt“, sagt Christian Schlemper, Pressesprecher vom Verkehrsverbund Oberelbe (VVO). Der VVO hatte die Idee, ging auf die Künstler zu. 33 Sprüher, 150 Spraydosen und 40 Liter Farbe kamen zum Einsatz. „Mir gefällt es“, so Schlemper.

Für Mütter mit Kindern eine Hürde: Zwischen Zug und Bahnsteig klafft ein bis zu 47 Zentimeter großer Spalt.
Für Mütter mit Kindern eine Hürde: Zwischen Zug und Bahnsteig klafft ein bis zu 47 Zentimeter großer Spalt. © Sven Ellger
Weil Kinder über das zu niedrige Geländer fallen könnten, wurde ein Provisorium aus Holz gebaut.
Weil Kinder über das zu niedrige Geländer fallen könnten, wurde ein Provisorium aus Holz gebaut. © Anja Schneider

Doch der neue Haltepunkt hat auch seine Schattenseiten. Die kennt Eva-Maria Liebrich. Die Johannstädterin ist begeisterte Nutzerin des Dresdner Nahverkehrs, besitzt auch eine Abo-Monatskarte. „Das funktioniert immer wunderbar. Der Dresdner Nahverkehr ist spitze“, sagt sie. Kurz entschlossen machte sie sich jetzt auf den Weg zum Bischofsplatz. „Nur ein Kopfschütteln reicht bei diesem brandneuen Bahnhof nicht mehr, angesichts der fabrizierten Unzulänglichkeiten“, sagt die 67-Jährige. „Die Geländer sind ein Witz“, verweist sie auf einen Mangel, über den die SZ berichtet hatte. Rings um die Treppe steht nicht nur ein neues Geländer, sondern auch ein höheres aus Holz. Bei der Abnahme hatten die Experten das Risiko gesehen, dass Kinder auf den Betonsockel klettern und übers Geländer fallen. Deshalb will die Deutsche Bahn die niedrige Stahlkonstruktion abbauen und durch eine neue, höhere ersetzen. Wann ist aber noch unklar.

Eva-Maria Liebrich empört sich zudem über das zweite Defizit. Zwischen Bahnsteigkante in Richtung Neustadt, die in einem Rechtsbogen liegt, und dem Zug klafft eine bis zu 47 Zentimeter große Lücke. „Der Spalt ist lebensgefährlich“, sagt sie. „Ich bin noch gut zu Fuß, aber beim Einsteigen hatte ich über dem Spalt ein Magengrummeln.“ Dennoch versichert ein Bahnsprecher, dass der Bahnsteig regelkonform errichtet und abgenommen sei. Zuletzt hatte die Johannstädterin so etwas in Moskau auf dem Leningrader Bahnhof gesehen, wo Züge Richtung St. Petersburg abfahren. „Mein Mann hatte kurz zuvor eine OP gehabt“, erzählt die Dresdnerin. „Da hatte ich echt zu tun, den Koffer über diesen Spalt in den Zug zu bekommen.“

Bei der Dresdner Straßenbahn, die Eva- Maria Liebrich oft nutzt, hat sie so etwas noch nie gesehen. Kein Wunder. „Unser Spaltmaß zwischen Wagen und Bahnsteigkante darf fünf Zentimeter nicht überschreiten“, erklärt Falk Lösch, Sprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB). Diese kleine Lücke sei für Rollstuhlfahrer leicht zu überwinden. Allerdings sei es schwierig, Haltestellen in Kurven zu bauen. Deshalb gibt es davon nur wenige in Dresden.

Möglich ist das jedoch durchaus. Bestes Beispiel dafür ist der neue S-Bahn-Haltepunkt im brandenburgischen Ludwigsfelde, der ebenfalls in einem Bahnbogen errichtet wurde. Dort gibt es nur eine kleine Lücke am Bahnsteig. „Das ist zwar kompliziert, aber durchaus machbar“, hatte der erfahrene Bauüberwacher Irmfried Knorr der SZ erklärt. Dennoch ist der Haltepunkt Bischofsplatz keine Ausnahme, berichtet Sprecher Carsten Schulze vom mitteldeutschen Fahrgastverband Pro Bahn. Als Beispiel führt er den Bahnhof am Flughafen Leipzig/Halle an, wo an Zügen ebenfalls solche Lücken klaffen. „Man braucht so eine Station wie am Bischofsplatz nicht barrierefrei auszubauen, wenn dann so eine Lücke ist. Dann ist das Geld sinnlos ausgegeben“, sagt Schulze.

Die Kurve sei nun einmal da, sagt VVO-Sprecher Schlemper. „Wir suchen derzeit aber mit der Deutschen Bahn nach Lösungen, besser auf die Stellen aufmerksam zu machen.“ Er möchte nun zunächst abwarten, welche Hinweise und Beschwerden eingehen und an diesen Punkten arbeiten. „Es gibt noch mehr Kleinigkeiten, wie zum Beispiel fehlende Fahrradständer“, so der Sprecher. „Doch erst einmal wird die Station gut angenommen.“

Und auch auf die Graffiti gibt es eine positive Resonanz. „Schon während der Arbeiten wurden wir häufig darauf angesprochen, wie gut das in die Neustadt passt“, sagt Künstler Jens Besser. „Und hoffentlich sorgt die Gestaltung jetzt auch dafür, dass es hier keine illegalen Graffiti mehr gibt“, ergänzt Sprüher Florian Bölike. Eines hat den Weg an die Station aber schon zurückgefunden: Fast an der gleichen Stelle, an der bis vor Kurzem ein illegaler Schriftzug der bekannten Sprayer-Gruppe „Lauchs“ prangte, steht nun ein legaler.